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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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literarischer Seite gezollt ward, so schwer konnte man sich in den Kreisen der
zünftigen Fachgclehrsamkcit entschließen, die ausgetretenen Geleise antiquarischer
Forschung zu verlassen und dem hohen Schwunge winckelmannscher Begeisterung
zu folgen. Einige wie der leipziger Ernesti leisteten bewußte Opposition, andere
wie Heyne in Göttingen wären schon gern mitgegangen, hatte ihnen nur nicht
künstlerischer Sinn und jegliche eigene Anschauung gemangelt. Es war eben
damals noch zu schwierig, die Reise gen Süden zu unternehmen und dort "ins
Volle zu greifen", die Stellung der Gelehrten noch zu bescheiden, um ihnen
eine Romfahrt zu gestatten; an einen Besuch Griechenlands vollends mochten
wenige denken. Winckelmann hatte auch diese Absicht gehabt, er hatte eine große
Ausgrabung in der mit leichtem Flußschlamm überspülten Ebene von Olympia
beabsichtigt -- ein Plan, den fast hundert Jahre später die preußische Regierung
aufnahm und der nur am Auobruche des orientalischen Krieges scheiterte. --
Wie sehr aber damals und noch später Griechenland außerhalb des gewöhnlichen
Gesichtskreises lag. das zeigt sich recht deutlich an dem verschiedenen Grade von
Interesse, welches griechische und italienische Entdeckungen erweckten. Die ge¬
nauen Zeichnungen und Lermcssungen der Bauwerke und Sculpturen Athens,
welche um die Mitte des vorigen Jahrhunderts von den Engländern Stuart
und Revett aufgenommen und bald daraus dem Publikum vorgelegt wurden,
gingen an den Forschern lange Zeit fast spurlos vorüber, während doch zu
gleicher Zeit die aus der Asche wiedererstehenden Städte Italiens Herculanum
und Pompeji in der ganzen gebildeten Welt, bei Gelehrten wie Laien die aller-
lebhafteste Theilnahme fanden. Freilich ward man hier auf das Unmittelbarste
in das Leben der Alten selbst eingeführt, aber es waren doch nur kleine Pro-
vinzialstädte aus verhältnißmäßig später -römischer Zeit; in Athen dagegen ver¬
mochten die höchsten Meisterwerke von der glänzendsten Culturcpvche des ge-
sammten Alterthums das beredteste Zeugniß abzulegen.

Es sind vorzugsweise Engländer, denen wir die erste umfangreichere Kunde
des hellenischen Landes verdanken. Auf der einen Seite entzog Lord Elgin die
kostbarsten Werke des Phcidias und seiner Schule den muthwilligen Zerstörungen
kaltbereitcnder oder bilderschändender Türken, versetzte sie von den schwer zu¬
gänglichen Höhen der athenischen Mopolis in die Prachtsäle der britischen
Hauptstadt und machte hierdurch eine wirklich eindringende Würdigung, eine
lebendige Kenntniß und Anschauung dieser Werke und damit des eigentlichen
Centrums der ganzen alten Kunst erst möglich. Dies ist jedoch nur etwas
Einzelnes, wenn auch von'noch so großer Wichtigkeit. Daneben ist aus dem
ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts mit besonderem Dante namentlich dreier
Männer zu gedenken, welche mit unermüdlicher Ausdauer, keine Strapaze und
Mühsal scheuend -- wie sie das Reisen in einem gänzlich uncivilisirten Lande
nothwendig mit sich brachte --, das ganze Hellas allmälig für die Wissenschaft


Ättujboten I. 1807. 7

literarischer Seite gezollt ward, so schwer konnte man sich in den Kreisen der
zünftigen Fachgclehrsamkcit entschließen, die ausgetretenen Geleise antiquarischer
Forschung zu verlassen und dem hohen Schwunge winckelmannscher Begeisterung
zu folgen. Einige wie der leipziger Ernesti leisteten bewußte Opposition, andere
wie Heyne in Göttingen wären schon gern mitgegangen, hatte ihnen nur nicht
künstlerischer Sinn und jegliche eigene Anschauung gemangelt. Es war eben
damals noch zu schwierig, die Reise gen Süden zu unternehmen und dort „ins
Volle zu greifen", die Stellung der Gelehrten noch zu bescheiden, um ihnen
eine Romfahrt zu gestatten; an einen Besuch Griechenlands vollends mochten
wenige denken. Winckelmann hatte auch diese Absicht gehabt, er hatte eine große
Ausgrabung in der mit leichtem Flußschlamm überspülten Ebene von Olympia
beabsichtigt — ein Plan, den fast hundert Jahre später die preußische Regierung
aufnahm und der nur am Auobruche des orientalischen Krieges scheiterte. —
Wie sehr aber damals und noch später Griechenland außerhalb des gewöhnlichen
Gesichtskreises lag. das zeigt sich recht deutlich an dem verschiedenen Grade von
Interesse, welches griechische und italienische Entdeckungen erweckten. Die ge¬
nauen Zeichnungen und Lermcssungen der Bauwerke und Sculpturen Athens,
welche um die Mitte des vorigen Jahrhunderts von den Engländern Stuart
und Revett aufgenommen und bald daraus dem Publikum vorgelegt wurden,
gingen an den Forschern lange Zeit fast spurlos vorüber, während doch zu
gleicher Zeit die aus der Asche wiedererstehenden Städte Italiens Herculanum
und Pompeji in der ganzen gebildeten Welt, bei Gelehrten wie Laien die aller-
lebhafteste Theilnahme fanden. Freilich ward man hier auf das Unmittelbarste
in das Leben der Alten selbst eingeführt, aber es waren doch nur kleine Pro-
vinzialstädte aus verhältnißmäßig später -römischer Zeit; in Athen dagegen ver¬
mochten die höchsten Meisterwerke von der glänzendsten Culturcpvche des ge-
sammten Alterthums das beredteste Zeugniß abzulegen.

Es sind vorzugsweise Engländer, denen wir die erste umfangreichere Kunde
des hellenischen Landes verdanken. Auf der einen Seite entzog Lord Elgin die
kostbarsten Werke des Phcidias und seiner Schule den muthwilligen Zerstörungen
kaltbereitcnder oder bilderschändender Türken, versetzte sie von den schwer zu¬
gänglichen Höhen der athenischen Mopolis in die Prachtsäle der britischen
Hauptstadt und machte hierdurch eine wirklich eindringende Würdigung, eine
lebendige Kenntniß und Anschauung dieser Werke und damit des eigentlichen
Centrums der ganzen alten Kunst erst möglich. Dies ist jedoch nur etwas
Einzelnes, wenn auch von'noch so großer Wichtigkeit. Daneben ist aus dem
ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts mit besonderem Dante namentlich dreier
Männer zu gedenken, welche mit unermüdlicher Ausdauer, keine Strapaze und
Mühsal scheuend — wie sie das Reisen in einem gänzlich uncivilisirten Lande
nothwendig mit sich brachte —, das ganze Hellas allmälig für die Wissenschaft


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[0059] literarischer Seite gezollt ward, so schwer konnte man sich in den Kreisen der zünftigen Fachgclehrsamkcit entschließen, die ausgetretenen Geleise antiquarischer Forschung zu verlassen und dem hohen Schwunge winckelmannscher Begeisterung zu folgen. Einige wie der leipziger Ernesti leisteten bewußte Opposition, andere wie Heyne in Göttingen wären schon gern mitgegangen, hatte ihnen nur nicht künstlerischer Sinn und jegliche eigene Anschauung gemangelt. Es war eben damals noch zu schwierig, die Reise gen Süden zu unternehmen und dort „ins Volle zu greifen", die Stellung der Gelehrten noch zu bescheiden, um ihnen eine Romfahrt zu gestatten; an einen Besuch Griechenlands vollends mochten wenige denken. Winckelmann hatte auch diese Absicht gehabt, er hatte eine große Ausgrabung in der mit leichtem Flußschlamm überspülten Ebene von Olympia beabsichtigt — ein Plan, den fast hundert Jahre später die preußische Regierung aufnahm und der nur am Auobruche des orientalischen Krieges scheiterte. — Wie sehr aber damals und noch später Griechenland außerhalb des gewöhnlichen Gesichtskreises lag. das zeigt sich recht deutlich an dem verschiedenen Grade von Interesse, welches griechische und italienische Entdeckungen erweckten. Die ge¬ nauen Zeichnungen und Lermcssungen der Bauwerke und Sculpturen Athens, welche um die Mitte des vorigen Jahrhunderts von den Engländern Stuart und Revett aufgenommen und bald daraus dem Publikum vorgelegt wurden, gingen an den Forschern lange Zeit fast spurlos vorüber, während doch zu gleicher Zeit die aus der Asche wiedererstehenden Städte Italiens Herculanum und Pompeji in der ganzen gebildeten Welt, bei Gelehrten wie Laien die aller- lebhafteste Theilnahme fanden. Freilich ward man hier auf das Unmittelbarste in das Leben der Alten selbst eingeführt, aber es waren doch nur kleine Pro- vinzialstädte aus verhältnißmäßig später -römischer Zeit; in Athen dagegen ver¬ mochten die höchsten Meisterwerke von der glänzendsten Culturcpvche des ge- sammten Alterthums das beredteste Zeugniß abzulegen. Es sind vorzugsweise Engländer, denen wir die erste umfangreichere Kunde des hellenischen Landes verdanken. Auf der einen Seite entzog Lord Elgin die kostbarsten Werke des Phcidias und seiner Schule den muthwilligen Zerstörungen kaltbereitcnder oder bilderschändender Türken, versetzte sie von den schwer zu¬ gänglichen Höhen der athenischen Mopolis in die Prachtsäle der britischen Hauptstadt und machte hierdurch eine wirklich eindringende Würdigung, eine lebendige Kenntniß und Anschauung dieser Werke und damit des eigentlichen Centrums der ganzen alten Kunst erst möglich. Dies ist jedoch nur etwas Einzelnes, wenn auch von'noch so großer Wichtigkeit. Daneben ist aus dem ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts mit besonderem Dante namentlich dreier Männer zu gedenken, welche mit unermüdlicher Ausdauer, keine Strapaze und Mühsal scheuend — wie sie das Reisen in einem gänzlich uncivilisirten Lande nothwendig mit sich brachte —, das ganze Hellas allmälig für die Wissenschaft Ättujboten I. 1807. 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/59>, abgerufen am 22.12.2024.