Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.Tages herankam und mehr als 200 geladene Gäste die weiten Räume des Tages herankam und mehr als 200 geladene Gäste die weiten Räume des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0530" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190689"/> <p xml:id="ID_1751" prev="#ID_1750"> Tages herankam und mehr als 200 geladene Gäste die weiten Räume des<lb/> Festhauses durchwogten, da verkündete schmetternde Marschmusik den heran¬<lb/> nahenden Fackelzug der berliner Studenten. Ueber 600 Fackelträger kamen sie<lb/> an, zu Pferd und Wagen, die Chargutcn in vollem Wichs vorne auf, alle Ver¬<lb/> bindungen und Korporationen mit ihren Fahnen und Musttchören, ein reiches<lb/> bewegtes Bild jugendlicher Frische und Lebenslust. Aber es war nicht blos<lb/> Dankbarkeit gegen den hervorragenden Gelehrten, was diese Schaaren erfüllte,<lb/> was mit sympathischen Feuer in die herdeigeströmten Volt'smasscn hinüberzuckte,<lb/> was selbst unsere schnelllebende politische Tagespresse an dem Festtage des greisen<lb/> Professors sich sammeln hieß: das war noch etwas Anderes, es war die Zauber¬<lb/> kraft der vollendeten männlichen Persönlichkeit, welche den alten Lvckh zu einem<lb/> Vorbild edler Bürgertugend macht, wie sie ihn 'zum geistigen Haupte seiner<lb/> Wissenschaft erhob. Dieser Geist, in dem die zartesten Töne der hellenischen<lb/> Sänger wicderklangen, dieser Geist war auch gestählt im Kampfe gegen Unrecht<lb/> und Unterdrückung. Mit vollem Mannesmuthe trat er für die Rechte des<lb/> Volkes ein, laut erhob noch der Achtzigjährige seine Stimme gegen die Aus¬<lb/> schreitungen der Staatsgewalt. Das Leben in längst vergangenen Zeiten hatte<lb/> ihm den Vlick für die Fragen der Gegenwart nicht getrübt und mögen hier<lb/> die Worte einen Platz finden, die sein Schwiegersohn Professor Gneist auf dem<lb/> studentischen Commerse, der sich an den Fackelzug anschloß, unter dem Jubel<lb/> der akademischen Jugend über ihn gesprochen: „Wir leben in einer ernsten Zeit,<lb/> in der wir einer großen Zukunft entgegensehen, mit Velläugnung so manches<lb/> berechtigten Gefühles müssen wir an dem Werke der Gründung des deutschen<lb/> Staates arbeiten und in diesen schweren Augenblicken mag uns Vöckhs Wirten<lb/> wie ein günstiges Omen vor der Seele stehen. Ein Schwabe ist er von Geburt<lb/> und doch mit voller Seele eingewachsen in den Geist der norddeutschen Uni¬<lb/> versität. Mit voller Liebe hat er die Eigenthümlichkeiten des norddeutschen<lb/> Wesens erfaßt, mit Begeisterung hangt er an i ein Staate, dessen Bürger er<lb/> jetzt seit mehr als fünfzig Jahren ist. Daß dieser Geist, der für alles Schöne<lb/> und Edle lebt, in dieser Weise fähig war, die besten Eigenschaften den Nation<lb/> in sich zu verschmelzen, das mag uns eine Bürgschaft dafür sein, daß es auch<lb/> dem Norden und Süden des deutschen Volkes gelingen wird, in ein harmoni¬<lb/><note type="byline"> I. L.</note> sches Ganze aufzugehen." </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0530]
Tages herankam und mehr als 200 geladene Gäste die weiten Räume des
Festhauses durchwogten, da verkündete schmetternde Marschmusik den heran¬
nahenden Fackelzug der berliner Studenten. Ueber 600 Fackelträger kamen sie
an, zu Pferd und Wagen, die Chargutcn in vollem Wichs vorne auf, alle Ver¬
bindungen und Korporationen mit ihren Fahnen und Musttchören, ein reiches
bewegtes Bild jugendlicher Frische und Lebenslust. Aber es war nicht blos
Dankbarkeit gegen den hervorragenden Gelehrten, was diese Schaaren erfüllte,
was mit sympathischen Feuer in die herdeigeströmten Volt'smasscn hinüberzuckte,
was selbst unsere schnelllebende politische Tagespresse an dem Festtage des greisen
Professors sich sammeln hieß: das war noch etwas Anderes, es war die Zauber¬
kraft der vollendeten männlichen Persönlichkeit, welche den alten Lvckh zu einem
Vorbild edler Bürgertugend macht, wie sie ihn 'zum geistigen Haupte seiner
Wissenschaft erhob. Dieser Geist, in dem die zartesten Töne der hellenischen
Sänger wicderklangen, dieser Geist war auch gestählt im Kampfe gegen Unrecht
und Unterdrückung. Mit vollem Mannesmuthe trat er für die Rechte des
Volkes ein, laut erhob noch der Achtzigjährige seine Stimme gegen die Aus¬
schreitungen der Staatsgewalt. Das Leben in längst vergangenen Zeiten hatte
ihm den Vlick für die Fragen der Gegenwart nicht getrübt und mögen hier
die Worte einen Platz finden, die sein Schwiegersohn Professor Gneist auf dem
studentischen Commerse, der sich an den Fackelzug anschloß, unter dem Jubel
der akademischen Jugend über ihn gesprochen: „Wir leben in einer ernsten Zeit,
in der wir einer großen Zukunft entgegensehen, mit Velläugnung so manches
berechtigten Gefühles müssen wir an dem Werke der Gründung des deutschen
Staates arbeiten und in diesen schweren Augenblicken mag uns Vöckhs Wirten
wie ein günstiges Omen vor der Seele stehen. Ein Schwabe ist er von Geburt
und doch mit voller Seele eingewachsen in den Geist der norddeutschen Uni¬
versität. Mit voller Liebe hat er die Eigenthümlichkeiten des norddeutschen
Wesens erfaßt, mit Begeisterung hangt er an i ein Staate, dessen Bürger er
jetzt seit mehr als fünfzig Jahren ist. Daß dieser Geist, der für alles Schöne
und Edle lebt, in dieser Weise fähig war, die besten Eigenschaften den Nation
in sich zu verschmelzen, das mag uns eine Bürgschaft dafür sein, daß es auch
dem Norden und Süden des deutschen Volkes gelingen wird, in ein harmoni¬
I. L. sches Ganze aufzugehen."
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