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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Schülers, einen schönen Abglanz. Ein Colleg, wie die böckhsche Encyklopädie
der Philologie wird wohl kaum jemals wieder gelesen werden.

Aber wenn der einundachtzigjährige Greis seinen Lehrstuhl jetzt auch jüngeren
Kräften überläßt, seine Geistesrichtung, seiue wissenschaftlichen Errungenschaften,
sie leben fort in der unübersehbaren Schaar der Schüler, die bewußt und un¬
bewußt die Art seines Denkens in sich aufgenommen, denn die meisten seiner
Anschauungen sind so vollständig Gemeingut unserer Bildung, daß man kaum
mehr weiß, daß ein Einzelner sie erst einmal hat erschaffen müssen.

Und wie jeder seiner Schüler sich sagen mußte, daß der geliebte Lehrer in
dem Bewußtsein, in dieser Weise gewirkt zu haben, von jeher seinen schönsten
Lohn fand, so kamen sie auch an seinem jüngstgefcierten Ehrenfeste von Nah
und Fern herbei, um ihm zu sagen, daß sie sich eins mit ihm fühlten in ihrem
Schaffen, daß er der Meister sei, zu dem sie in dankbarer Verehrung empor¬
blickten. Unübersehbar war die Zahl der Adresse", Briefe, Zuschriften, Depeschen
und Deputationen, die an diesem Tage bei dem Jubilar zusammenströmten.
Von der berliner Akademie, der Universität, dem Ministerium, dem Schul-
collcgium, den städtischen Behörden, den Gymnasien, den Realschulen, von
Potsdam, Halle, Jena, Breslau, Heidelberg, Bon", Hamburg, Leipzig, Wien,
Prag, aus England, von Behörden und einzelnen Gelehrten, von Facultäten
und Studentenschaften, von gekrönten Häuptern und den Mitbewohnern des
Hauses, von den Turnern und den Burschenschafter, von Greisen, die 1806
seine Schüler gewesen, als er noch Lehrer war am grauen Kloster zu Berlin,
bis zum blutjungen Studenten, der noch seine letzten Kollegien gehört, von
allen Seiten kamen die Glückwünsche angcfluthet, unübersehbar zuletzt und un¬
zählbar. An des verstorbenen Cornelius Stelle wurde Böckh zum Kanzler des
Ordens pour to moritv ernannt, dessen, Vicekanzler er bis dahin gewesen, von
dem König erhielt der Jubilar ein Handschreiben, von der Königin eine kost¬
bare Porcellanvase mit der Darstellung des königlichen Palais und der Statue
Friedrichs des Großen, begleitet von einem Handschreiben, welches neben den
Glückwünschen die schönen und würdigen Worte enthielt: "Möge das eine von
diesen Bildern Ihnen zur freundlichen Erinnerung an seine Bewohner, das
andere, welches das Andenken an alles das verewigt, was unter Friedrich dem
Großen Erhabenes geleistet worden, zur Gewähr dienen, daß das Vaterland
das Andenken an unsere großen Männer in Ehren zu halten weiß." Der
Kronprinz kam persönlich, um den Jubilar zu begrüßen, dessen jüngeren Kol¬
legen er sich als elfjähriger Doctor von Oxford nennen dürfe. Magistrat und
Stadtverordnete begrüßten den Gefeierten als Ehrenbürger der Stadt Berlin,
wozu er bei Gelegenheit seines funfzigjährigen Dvctorjubiläums ernannt war.
Daß alle wissenschaftlichen Notabilitäten und die Spitzen der Behörden sich
einfanden, bedarf kaum einer Erwähnung. Und als. der Abend des bewegten


Schülers, einen schönen Abglanz. Ein Colleg, wie die böckhsche Encyklopädie
der Philologie wird wohl kaum jemals wieder gelesen werden.

Aber wenn der einundachtzigjährige Greis seinen Lehrstuhl jetzt auch jüngeren
Kräften überläßt, seine Geistesrichtung, seiue wissenschaftlichen Errungenschaften,
sie leben fort in der unübersehbaren Schaar der Schüler, die bewußt und un¬
bewußt die Art seines Denkens in sich aufgenommen, denn die meisten seiner
Anschauungen sind so vollständig Gemeingut unserer Bildung, daß man kaum
mehr weiß, daß ein Einzelner sie erst einmal hat erschaffen müssen.

Und wie jeder seiner Schüler sich sagen mußte, daß der geliebte Lehrer in
dem Bewußtsein, in dieser Weise gewirkt zu haben, von jeher seinen schönsten
Lohn fand, so kamen sie auch an seinem jüngstgefcierten Ehrenfeste von Nah
und Fern herbei, um ihm zu sagen, daß sie sich eins mit ihm fühlten in ihrem
Schaffen, daß er der Meister sei, zu dem sie in dankbarer Verehrung empor¬
blickten. Unübersehbar war die Zahl der Adresse», Briefe, Zuschriften, Depeschen
und Deputationen, die an diesem Tage bei dem Jubilar zusammenströmten.
Von der berliner Akademie, der Universität, dem Ministerium, dem Schul-
collcgium, den städtischen Behörden, den Gymnasien, den Realschulen, von
Potsdam, Halle, Jena, Breslau, Heidelberg, Bon», Hamburg, Leipzig, Wien,
Prag, aus England, von Behörden und einzelnen Gelehrten, von Facultäten
und Studentenschaften, von gekrönten Häuptern und den Mitbewohnern des
Hauses, von den Turnern und den Burschenschafter, von Greisen, die 1806
seine Schüler gewesen, als er noch Lehrer war am grauen Kloster zu Berlin,
bis zum blutjungen Studenten, der noch seine letzten Kollegien gehört, von
allen Seiten kamen die Glückwünsche angcfluthet, unübersehbar zuletzt und un¬
zählbar. An des verstorbenen Cornelius Stelle wurde Böckh zum Kanzler des
Ordens pour to moritv ernannt, dessen, Vicekanzler er bis dahin gewesen, von
dem König erhielt der Jubilar ein Handschreiben, von der Königin eine kost¬
bare Porcellanvase mit der Darstellung des königlichen Palais und der Statue
Friedrichs des Großen, begleitet von einem Handschreiben, welches neben den
Glückwünschen die schönen und würdigen Worte enthielt: „Möge das eine von
diesen Bildern Ihnen zur freundlichen Erinnerung an seine Bewohner, das
andere, welches das Andenken an alles das verewigt, was unter Friedrich dem
Großen Erhabenes geleistet worden, zur Gewähr dienen, daß das Vaterland
das Andenken an unsere großen Männer in Ehren zu halten weiß." Der
Kronprinz kam persönlich, um den Jubilar zu begrüßen, dessen jüngeren Kol¬
legen er sich als elfjähriger Doctor von Oxford nennen dürfe. Magistrat und
Stadtverordnete begrüßten den Gefeierten als Ehrenbürger der Stadt Berlin,
wozu er bei Gelegenheit seines funfzigjährigen Dvctorjubiläums ernannt war.
Daß alle wissenschaftlichen Notabilitäten und die Spitzen der Behörden sich
einfanden, bedarf kaum einer Erwähnung. Und als. der Abend des bewegten


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[0529] Schülers, einen schönen Abglanz. Ein Colleg, wie die böckhsche Encyklopädie der Philologie wird wohl kaum jemals wieder gelesen werden. Aber wenn der einundachtzigjährige Greis seinen Lehrstuhl jetzt auch jüngeren Kräften überläßt, seine Geistesrichtung, seiue wissenschaftlichen Errungenschaften, sie leben fort in der unübersehbaren Schaar der Schüler, die bewußt und un¬ bewußt die Art seines Denkens in sich aufgenommen, denn die meisten seiner Anschauungen sind so vollständig Gemeingut unserer Bildung, daß man kaum mehr weiß, daß ein Einzelner sie erst einmal hat erschaffen müssen. Und wie jeder seiner Schüler sich sagen mußte, daß der geliebte Lehrer in dem Bewußtsein, in dieser Weise gewirkt zu haben, von jeher seinen schönsten Lohn fand, so kamen sie auch an seinem jüngstgefcierten Ehrenfeste von Nah und Fern herbei, um ihm zu sagen, daß sie sich eins mit ihm fühlten in ihrem Schaffen, daß er der Meister sei, zu dem sie in dankbarer Verehrung empor¬ blickten. Unübersehbar war die Zahl der Adresse», Briefe, Zuschriften, Depeschen und Deputationen, die an diesem Tage bei dem Jubilar zusammenströmten. Von der berliner Akademie, der Universität, dem Ministerium, dem Schul- collcgium, den städtischen Behörden, den Gymnasien, den Realschulen, von Potsdam, Halle, Jena, Breslau, Heidelberg, Bon», Hamburg, Leipzig, Wien, Prag, aus England, von Behörden und einzelnen Gelehrten, von Facultäten und Studentenschaften, von gekrönten Häuptern und den Mitbewohnern des Hauses, von den Turnern und den Burschenschafter, von Greisen, die 1806 seine Schüler gewesen, als er noch Lehrer war am grauen Kloster zu Berlin, bis zum blutjungen Studenten, der noch seine letzten Kollegien gehört, von allen Seiten kamen die Glückwünsche angcfluthet, unübersehbar zuletzt und un¬ zählbar. An des verstorbenen Cornelius Stelle wurde Böckh zum Kanzler des Ordens pour to moritv ernannt, dessen, Vicekanzler er bis dahin gewesen, von dem König erhielt der Jubilar ein Handschreiben, von der Königin eine kost¬ bare Porcellanvase mit der Darstellung des königlichen Palais und der Statue Friedrichs des Großen, begleitet von einem Handschreiben, welches neben den Glückwünschen die schönen und würdigen Worte enthielt: „Möge das eine von diesen Bildern Ihnen zur freundlichen Erinnerung an seine Bewohner, das andere, welches das Andenken an alles das verewigt, was unter Friedrich dem Großen Erhabenes geleistet worden, zur Gewähr dienen, daß das Vaterland das Andenken an unsere großen Männer in Ehren zu halten weiß." Der Kronprinz kam persönlich, um den Jubilar zu begrüßen, dessen jüngeren Kol¬ legen er sich als elfjähriger Doctor von Oxford nennen dürfe. Magistrat und Stadtverordnete begrüßten den Gefeierten als Ehrenbürger der Stadt Berlin, wozu er bei Gelegenheit seines funfzigjährigen Dvctorjubiläums ernannt war. Daß alle wissenschaftlichen Notabilitäten und die Spitzen der Behörden sich einfanden, bedarf kaum einer Erwähnung. Und als. der Abend des bewegten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/529>, abgerufen am 04.07.2024.