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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Hauptwerke: die Ausgabe des Pindar mit Schotten und Kommentar (1811--22)
in der er zum ersten Mal den wirklichen Nachweis über den inneren Zusammen¬
hang, der einzelnen Theile der Oden führte, der Staaishaushalt der Aihener
(1817--40). durch welchen auch zum ersten Male der staatliche Organismus der
attischen Republik entwickelt wurde. Die hochberühmten Arbeiten über das
attische Seewesen erschienen 1840 in der zweiten Auflage des letztgenannten
Werkes, nachdem die Entdeckungen der Rechnungsablagen im Pircius das Ma¬
terial dazu geliefert. In dieselbe Zeit fallen die Vorarbeiten zu der Samm¬
lung aller bisher bekannt gewordener griechischer Inschriften, welche auf Kosten
der Akademie unter der Mitarbeiterschaft Von Franz Kurtius und Kirchhofs als
<noi-M8 lnsel-iptionum Zraeearum von 1825 -- 69 erschien. Daneben beschäf¬
tigte sich Böckh mit der griechischen Philosophie; nachdem er schon 1807 über
platonische Dialoge geschrieben, erschienen 1819 Philolaus des Pythagoräers
Lehren und Fragmente, Bon höchster Bedeutung wurden seine metrologischen
Untersuchungen (1888), seine Arbeiten über Manetho (1845), über die Mond-
cyklen der Hellenen (1859) und die vierjährigen Sonnenkreise der Alten (1863),
daneben stehen eine Anzahl kleinerer Abhandlungen, die in den Schriften der
Akademie und den Lectionskatalogen veröffentlicht sind, so über den Midas d.es
Demosthenes, den Stil des Pausanias, die Entstehungszeit des Oedipus auf
Kolonos, über neu entdeckte Inschriften aller Art. Kurz es ist fast kein Gebiet
classischer Philologie, in daS er nicht eingegriffen, in dem er nicht Hervorragen¬
des geleistet hat. Ein eigenthümliches Interesse hat seine Uebersetzung der An-
tigone des Sophokles, welche er auf Wunsch Friedrich Wilhelm des Vierten nach
zweitausendjährigen Schlummer wieder auf der Bühne auferstehen ließ. Als
Professor der Beredsamkeit lag ihm die Pflicht ob. bei besondern Veranlassungen
die Festreden der Universität zu halten und so entstand eine Reihe vollendeter
oratorischer Meisterwerke.

Seine größte Wirksamkeit entfaltete Böckh als akademischer,Lehrer in seinen
Kollegien, die sich über nahezu alle Theile der classischen Philologie verbreiteten.
Mit dem feinsten nachempfinden wußte er hier in den Geist des Schriftstellers,
den er interpretirte. einzuführen, in seinen "Alterthümern" baute sich das ganze
Leben des griechischen Volkes im organischen Zusammenhange auf, mit ein¬
dringender S l'arse untersuchte er die verwickeltsten Fragen, in hinreißender Be¬
geisterung schilderte er die Schönheit jener Blüthentage des menschlichen Geistes,
mit psychologischer Feinheit wußte er die Entstehung uns ferneliegender An¬
schauungen zu entwickeln und mit wahrhaft attischer Grazie den Gang des
Vortrags über die wunderlichen Auswüchse hellenischer Sinnlichkeit hinwegzu¬
leiten.

Von Böckhs Ansichten und der BeHandlungsweise der griechischen Literatur
besitzen wir in der Literaturgeschichte Ottfried Müllers, seines hervorragenden


Hauptwerke: die Ausgabe des Pindar mit Schotten und Kommentar (1811—22)
in der er zum ersten Mal den wirklichen Nachweis über den inneren Zusammen¬
hang, der einzelnen Theile der Oden führte, der Staaishaushalt der Aihener
(1817—40). durch welchen auch zum ersten Male der staatliche Organismus der
attischen Republik entwickelt wurde. Die hochberühmten Arbeiten über das
attische Seewesen erschienen 1840 in der zweiten Auflage des letztgenannten
Werkes, nachdem die Entdeckungen der Rechnungsablagen im Pircius das Ma¬
terial dazu geliefert. In dieselbe Zeit fallen die Vorarbeiten zu der Samm¬
lung aller bisher bekannt gewordener griechischer Inschriften, welche auf Kosten
der Akademie unter der Mitarbeiterschaft Von Franz Kurtius und Kirchhofs als
<noi-M8 lnsel-iptionum Zraeearum von 1825 — 69 erschien. Daneben beschäf¬
tigte sich Böckh mit der griechischen Philosophie; nachdem er schon 1807 über
platonische Dialoge geschrieben, erschienen 1819 Philolaus des Pythagoräers
Lehren und Fragmente, Bon höchster Bedeutung wurden seine metrologischen
Untersuchungen (1888), seine Arbeiten über Manetho (1845), über die Mond-
cyklen der Hellenen (1859) und die vierjährigen Sonnenkreise der Alten (1863),
daneben stehen eine Anzahl kleinerer Abhandlungen, die in den Schriften der
Akademie und den Lectionskatalogen veröffentlicht sind, so über den Midas d.es
Demosthenes, den Stil des Pausanias, die Entstehungszeit des Oedipus auf
Kolonos, über neu entdeckte Inschriften aller Art. Kurz es ist fast kein Gebiet
classischer Philologie, in daS er nicht eingegriffen, in dem er nicht Hervorragen¬
des geleistet hat. Ein eigenthümliches Interesse hat seine Uebersetzung der An-
tigone des Sophokles, welche er auf Wunsch Friedrich Wilhelm des Vierten nach
zweitausendjährigen Schlummer wieder auf der Bühne auferstehen ließ. Als
Professor der Beredsamkeit lag ihm die Pflicht ob. bei besondern Veranlassungen
die Festreden der Universität zu halten und so entstand eine Reihe vollendeter
oratorischer Meisterwerke.

Seine größte Wirksamkeit entfaltete Böckh als akademischer,Lehrer in seinen
Kollegien, die sich über nahezu alle Theile der classischen Philologie verbreiteten.
Mit dem feinsten nachempfinden wußte er hier in den Geist des Schriftstellers,
den er interpretirte. einzuführen, in seinen „Alterthümern" baute sich das ganze
Leben des griechischen Volkes im organischen Zusammenhange auf, mit ein¬
dringender S l'arse untersuchte er die verwickeltsten Fragen, in hinreißender Be¬
geisterung schilderte er die Schönheit jener Blüthentage des menschlichen Geistes,
mit psychologischer Feinheit wußte er die Entstehung uns ferneliegender An¬
schauungen zu entwickeln und mit wahrhaft attischer Grazie den Gang des
Vortrags über die wunderlichen Auswüchse hellenischer Sinnlichkeit hinwegzu¬
leiten.

Von Böckhs Ansichten und der BeHandlungsweise der griechischen Literatur
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[0528] Hauptwerke: die Ausgabe des Pindar mit Schotten und Kommentar (1811—22) in der er zum ersten Mal den wirklichen Nachweis über den inneren Zusammen¬ hang, der einzelnen Theile der Oden führte, der Staaishaushalt der Aihener (1817—40). durch welchen auch zum ersten Male der staatliche Organismus der attischen Republik entwickelt wurde. Die hochberühmten Arbeiten über das attische Seewesen erschienen 1840 in der zweiten Auflage des letztgenannten Werkes, nachdem die Entdeckungen der Rechnungsablagen im Pircius das Ma¬ terial dazu geliefert. In dieselbe Zeit fallen die Vorarbeiten zu der Samm¬ lung aller bisher bekannt gewordener griechischer Inschriften, welche auf Kosten der Akademie unter der Mitarbeiterschaft Von Franz Kurtius und Kirchhofs als <noi-M8 lnsel-iptionum Zraeearum von 1825 — 69 erschien. Daneben beschäf¬ tigte sich Böckh mit der griechischen Philosophie; nachdem er schon 1807 über platonische Dialoge geschrieben, erschienen 1819 Philolaus des Pythagoräers Lehren und Fragmente, Bon höchster Bedeutung wurden seine metrologischen Untersuchungen (1888), seine Arbeiten über Manetho (1845), über die Mond- cyklen der Hellenen (1859) und die vierjährigen Sonnenkreise der Alten (1863), daneben stehen eine Anzahl kleinerer Abhandlungen, die in den Schriften der Akademie und den Lectionskatalogen veröffentlicht sind, so über den Midas d.es Demosthenes, den Stil des Pausanias, die Entstehungszeit des Oedipus auf Kolonos, über neu entdeckte Inschriften aller Art. Kurz es ist fast kein Gebiet classischer Philologie, in daS er nicht eingegriffen, in dem er nicht Hervorragen¬ des geleistet hat. Ein eigenthümliches Interesse hat seine Uebersetzung der An- tigone des Sophokles, welche er auf Wunsch Friedrich Wilhelm des Vierten nach zweitausendjährigen Schlummer wieder auf der Bühne auferstehen ließ. Als Professor der Beredsamkeit lag ihm die Pflicht ob. bei besondern Veranlassungen die Festreden der Universität zu halten und so entstand eine Reihe vollendeter oratorischer Meisterwerke. Seine größte Wirksamkeit entfaltete Böckh als akademischer,Lehrer in seinen Kollegien, die sich über nahezu alle Theile der classischen Philologie verbreiteten. Mit dem feinsten nachempfinden wußte er hier in den Geist des Schriftstellers, den er interpretirte. einzuführen, in seinen „Alterthümern" baute sich das ganze Leben des griechischen Volkes im organischen Zusammenhange auf, mit ein¬ dringender S l'arse untersuchte er die verwickeltsten Fragen, in hinreißender Be¬ geisterung schilderte er die Schönheit jener Blüthentage des menschlichen Geistes, mit psychologischer Feinheit wußte er die Entstehung uns ferneliegender An¬ schauungen zu entwickeln und mit wahrhaft attischer Grazie den Gang des Vortrags über die wunderlichen Auswüchse hellenischer Sinnlichkeit hinwegzu¬ leiten. Von Böckhs Ansichten und der BeHandlungsweise der griechischen Literatur besitzen wir in der Literaturgeschichte Ottfried Müllers, seines hervorragenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/528>, abgerufen am 02.07.2024.