Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.Bewußtsein gekommen, wie entscheidend der jetzige Moment für die deutsche Es war im Süden erwartet, daß die zahlreichen Erklärungen für den An¬ es*
Bewußtsein gekommen, wie entscheidend der jetzige Moment für die deutsche Es war im Süden erwartet, daß die zahlreichen Erklärungen für den An¬ es*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0517" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190676"/> <p xml:id="ID_1713" prev="#ID_1712"> Bewußtsein gekommen, wie entscheidend der jetzige Moment für die deutsche<lb/> Zukunft ist. Seil wieder eine deutsä,e Tribüne aufgerichtet ist, dringt lebhafter<lb/> in alle Gemüther die Ueberzeugung, wie Großes auf dem Spiele steht. Zu<lb/> der Sprache der Thatsachen gesellt sich die lebendigere Sprache der berufenen<lb/> Volksvertretung, und mit Freuden sieht man, wie die bewährten altpreußischen<lb/> Kämpfer für die nationale Sache verstärkt sind durch das erfrischende Element<lb/> der neuen Kräfte, die den Vortheil mitbringen, außerhalb der Verbitterung des<lb/> sechsjährigen Verfassungskampfs gestanden zu haben. Im öffentlichen Kampf<lb/> der Meinungen hebt sich zugleich die Stellung des Staatsmanns, der das<lb/> Werk begonnen hat, dessen Durchführung nunmehr sein Ehrgeiz sein muß. Er<lb/> ist ein andrer, seitdem er sich mit einem Parlament umgeben und die mora¬<lb/> lische Verantwortlichkeit für das, was er geschaffen, vor den Vertretern der<lb/> Nation übernommen hat. Cavour wußte den Werth eines Parlaments zu<lb/> schätzen, das er beherrschte, weil er seine Rechte achtete, und das ihm eine wirk¬<lb/> liche Stütze war, weil er seine Controle nicht zu scheuen hatte. Graf Bismarck<lb/> hat nie die Ambition besessen, eine Copie des italienischen Staatsmanns zu<lb/> sein; aber davon hat er sich in den wenigen Sitzungen überzeugen müssen, wie<lb/> die Mitwirkung der Nation nicht zu entbehren ist zur Ueberwindung der von<lb/> den particulären Mächten geschaffenen Hindernisse. In der denkwürdigen Montag¬<lb/> sitzung am 11. März hat der Graf gezeigt, daß er sich wohl bewußt ist,<lb/> wo die Bundesgenossen der nationalen Politik Preußens sind und wo die<lb/> Gegner.</p><lb/> <p xml:id="ID_1714" next="#ID_1715"> Es war im Süden erwartet, daß die zahlreichen Erklärungen für den An¬<lb/> schluß an den Norden, die seit Nikolsburg sich gefolgt, nicht ohne entsprechen¬<lb/> des Echo im Parlament bleiben würden. In der That ist fast keine Rede ge¬<lb/> halten, ohne daß dieses Thema berührt und zum Theil ausgeführt wäre. Die<lb/> beliebte Phrase vom grvßpreußischen Particularismus hat damit ihre bündige<lb/> Antwort bekommen. Von allen Seiten und von verschiedenen, zum Theil ent¬<lb/> gegengesetzten Gesichtspunkten ist die Vereinigung des Südens mit dem Norden<lb/> als eine der wesentlichsten Aufgaben hingestellt worden, sei es nun, daß man<lb/> mehr den Nachdruck darauf legte, die Verfassung müsse derart eingerichtet wer¬<lb/> den, um den Zutritt der Süddeutschen zu erleichtern, oder daß man mehr das<lb/> rasche Zustandekommen der Verfassung betonte, weil dann die Süddeutschen<lb/> schon von selbst kommen würden. Dies war, wie gesagt, erwartet und selbst¬<lb/> verständlich. Niemand außer den süddeutschen Radicalen wünsch! die definitive<lb/> Mainlinie, zu deren Beseitigung — abgesehen von den idealen Motiven der<lb/> Nationalität, abgesehen von allen Sympathien und Antipathien — schon die<lb/> beiderseitigen Interessen nöthigen. Aber der einstimmige Ausdruck dieser Ge-<lb/> sinnung ist schon für sich eine Bürgschaft für deren Aushebung, sie ist eine vor¬<lb/> läufige nützliche Ankündigung für das Ausland, und sie war speciell für uns</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> es*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0517]
Bewußtsein gekommen, wie entscheidend der jetzige Moment für die deutsche
Zukunft ist. Seil wieder eine deutsä,e Tribüne aufgerichtet ist, dringt lebhafter
in alle Gemüther die Ueberzeugung, wie Großes auf dem Spiele steht. Zu
der Sprache der Thatsachen gesellt sich die lebendigere Sprache der berufenen
Volksvertretung, und mit Freuden sieht man, wie die bewährten altpreußischen
Kämpfer für die nationale Sache verstärkt sind durch das erfrischende Element
der neuen Kräfte, die den Vortheil mitbringen, außerhalb der Verbitterung des
sechsjährigen Verfassungskampfs gestanden zu haben. Im öffentlichen Kampf
der Meinungen hebt sich zugleich die Stellung des Staatsmanns, der das
Werk begonnen hat, dessen Durchführung nunmehr sein Ehrgeiz sein muß. Er
ist ein andrer, seitdem er sich mit einem Parlament umgeben und die mora¬
lische Verantwortlichkeit für das, was er geschaffen, vor den Vertretern der
Nation übernommen hat. Cavour wußte den Werth eines Parlaments zu
schätzen, das er beherrschte, weil er seine Rechte achtete, und das ihm eine wirk¬
liche Stütze war, weil er seine Controle nicht zu scheuen hatte. Graf Bismarck
hat nie die Ambition besessen, eine Copie des italienischen Staatsmanns zu
sein; aber davon hat er sich in den wenigen Sitzungen überzeugen müssen, wie
die Mitwirkung der Nation nicht zu entbehren ist zur Ueberwindung der von
den particulären Mächten geschaffenen Hindernisse. In der denkwürdigen Montag¬
sitzung am 11. März hat der Graf gezeigt, daß er sich wohl bewußt ist,
wo die Bundesgenossen der nationalen Politik Preußens sind und wo die
Gegner.
Es war im Süden erwartet, daß die zahlreichen Erklärungen für den An¬
schluß an den Norden, die seit Nikolsburg sich gefolgt, nicht ohne entsprechen¬
des Echo im Parlament bleiben würden. In der That ist fast keine Rede ge¬
halten, ohne daß dieses Thema berührt und zum Theil ausgeführt wäre. Die
beliebte Phrase vom grvßpreußischen Particularismus hat damit ihre bündige
Antwort bekommen. Von allen Seiten und von verschiedenen, zum Theil ent¬
gegengesetzten Gesichtspunkten ist die Vereinigung des Südens mit dem Norden
als eine der wesentlichsten Aufgaben hingestellt worden, sei es nun, daß man
mehr den Nachdruck darauf legte, die Verfassung müsse derart eingerichtet wer¬
den, um den Zutritt der Süddeutschen zu erleichtern, oder daß man mehr das
rasche Zustandekommen der Verfassung betonte, weil dann die Süddeutschen
schon von selbst kommen würden. Dies war, wie gesagt, erwartet und selbst¬
verständlich. Niemand außer den süddeutschen Radicalen wünsch! die definitive
Mainlinie, zu deren Beseitigung — abgesehen von den idealen Motiven der
Nationalität, abgesehen von allen Sympathien und Antipathien — schon die
beiderseitigen Interessen nöthigen. Aber der einstimmige Ausdruck dieser Ge-
sinnung ist schon für sich eine Bürgschaft für deren Aushebung, sie ist eine vor¬
läufige nützliche Ankündigung für das Ausland, und sie war speciell für uns
es*
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