Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.unmöglich darstellte. Das Werk sollte die Grundlagen aller kirchlichen und Das Ziel dieser Darstellung legt mir von selbst die Nothwendigkeit auf, Cusanus erkennt die weltliche Gewalt des römischen Königs als ihrer unmöglich darstellte. Das Werk sollte die Grundlagen aller kirchlichen und Das Ziel dieser Darstellung legt mir von selbst die Nothwendigkeit auf, Cusanus erkennt die weltliche Gewalt des römischen Königs als ihrer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190633"/> <p xml:id="ID_1570" prev="#ID_1569"> unmöglich darstellte. Das Werk sollte die Grundlagen aller kirchlichen und<lb/> weltlichen Gewalt und das Verhältniß beider zu einand er bestimmen, um die<lb/> sich schroff gegenüberstehenden Theorien der feindlichen Parteien durch inn Zurück¬<lb/> gehen auf historische Grundlagen zu verständigen. Nikolaus stand auf der Seite<lb/> des Concils; auch er ging von der Superioritcit des allgemeinen Concils über<lb/> dem Papste aus, und die Consequenz seines Systems, wie die Absicht, den<lb/> Kaiser Sigismund möglichst eng in das Interesse des Concils zu versiechte»<lb/> und zugleich zu möglichst wirksamer Hilfe so stark als möglich zu machen, führten<lb/> ihn dazu, seine Gedanken namentlich auch auf die Reform des deutschen Reichs<lb/> auszudehnen. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1571"> Das Ziel dieser Darstellung legt mir von selbst die Nothwendigkeit auf,<lb/> von dem tiefsinnigen und umfassenden Werke des großen Denkers nur seine<lb/> Gedanken über die der Verfassung des deutschen Reichs zu gebende Reform, und<lb/> auch diese nur in ihren Hauptzügen zu berühren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1572" next="#ID_1573"> Cusanus erkennt die weltliche Gewalt des römischen Königs als ihrer<lb/> Natur nach unabhängig, von Gott allein und unmittelbar abstammend und<lb/> darum die Königswahl der Kurfürsten als nicht bedürftig der päpstlichen Be¬<lb/> stätigung an. Er betont die Selbständigkeit des Papstthums und des Kaiser-<lb/> thums als zweier durchgängig unterschiedener Gewalten. Aber er will keine<lb/> völlige Trennung derselben. Beiden ist dasselbe Ziel gesteckt: nämlich nach Gott<lb/> und dem Heile der Menschheit zu streben. Und so soll die Spitze seiner „Con-<lb/> cordantia" sich in einer steten Harmonie beider Gewalten zeige». Wahrend er<lb/> den Kaiser ermahnt, sich nicht gegen das heilige Priesterthum Gottes zu er-<lb/> heben, von welchem das Kaiserthum erleuchtet werde wie der Mond von der<lb/> Sonne, erinnert er den Papst an die Wohlthaten, die das Kaiserthum der<lb/> Kirche erwiesen habe, und räumt dem Kaiser das Recht ein, als Schirmvvigt<lb/> der Kirche ein allgemeines Concil, und zwar in großer Gefahr selbst gegen den<lb/> Willen des Papstes zu berufen. Nun geht er auf die Frage wegen Reform<lb/> der deutschen Reichsverfassung über. An das glänzende Ä>it der Blüthezeit des<lb/> Reichs, unter den Ottonen namentlich, reiht er das düstere seines Zerfalls.<lb/> Alle Sorge für das Reich sei dahin; jeder übertrete ungestraft die Gesetze; an<lb/> die Stelle der Verehrung sei Verachtung und Trotz getreten, alle dächten nur<lb/> auf Sondervortheile, niemand kümmere sich um die Folgen, um die Zukunft,<lb/> um das Ganze. Daran seien obenan die Kaiser schuld, die durch Milde bessern<lb/> zu können meinten. Alle Bestrafung habe ja aufgehört, selbst die der Rebellen.<lb/> Und so seien infolge von Mißbrauch ihrer Gewalt viele zu Mächtigen, das<lb/> Reich aber immer unmächtiger geworden. Eine weitere Schuld trage die Hab¬<lb/> sucht der Kurfürsten, jene Wahlcapitulationcn, durch welche sie den Kaiser<lb/> nöthigen, Rcichseinkünfte zu verschenken oder gar^zu verpfänden oder doch ihn<lb/> hindern, die den Verkehr der Unterthanen erschwerenden Zölle abzuschaffen oder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
unmöglich darstellte. Das Werk sollte die Grundlagen aller kirchlichen und
weltlichen Gewalt und das Verhältniß beider zu einand er bestimmen, um die
sich schroff gegenüberstehenden Theorien der feindlichen Parteien durch inn Zurück¬
gehen auf historische Grundlagen zu verständigen. Nikolaus stand auf der Seite
des Concils; auch er ging von der Superioritcit des allgemeinen Concils über
dem Papste aus, und die Consequenz seines Systems, wie die Absicht, den
Kaiser Sigismund möglichst eng in das Interesse des Concils zu versiechte»
und zugleich zu möglichst wirksamer Hilfe so stark als möglich zu machen, führten
ihn dazu, seine Gedanken namentlich auch auf die Reform des deutschen Reichs
auszudehnen. —
Das Ziel dieser Darstellung legt mir von selbst die Nothwendigkeit auf,
von dem tiefsinnigen und umfassenden Werke des großen Denkers nur seine
Gedanken über die der Verfassung des deutschen Reichs zu gebende Reform, und
auch diese nur in ihren Hauptzügen zu berühren.
Cusanus erkennt die weltliche Gewalt des römischen Königs als ihrer
Natur nach unabhängig, von Gott allein und unmittelbar abstammend und
darum die Königswahl der Kurfürsten als nicht bedürftig der päpstlichen Be¬
stätigung an. Er betont die Selbständigkeit des Papstthums und des Kaiser-
thums als zweier durchgängig unterschiedener Gewalten. Aber er will keine
völlige Trennung derselben. Beiden ist dasselbe Ziel gesteckt: nämlich nach Gott
und dem Heile der Menschheit zu streben. Und so soll die Spitze seiner „Con-
cordantia" sich in einer steten Harmonie beider Gewalten zeige». Wahrend er
den Kaiser ermahnt, sich nicht gegen das heilige Priesterthum Gottes zu er-
heben, von welchem das Kaiserthum erleuchtet werde wie der Mond von der
Sonne, erinnert er den Papst an die Wohlthaten, die das Kaiserthum der
Kirche erwiesen habe, und räumt dem Kaiser das Recht ein, als Schirmvvigt
der Kirche ein allgemeines Concil, und zwar in großer Gefahr selbst gegen den
Willen des Papstes zu berufen. Nun geht er auf die Frage wegen Reform
der deutschen Reichsverfassung über. An das glänzende Ä>it der Blüthezeit des
Reichs, unter den Ottonen namentlich, reiht er das düstere seines Zerfalls.
Alle Sorge für das Reich sei dahin; jeder übertrete ungestraft die Gesetze; an
die Stelle der Verehrung sei Verachtung und Trotz getreten, alle dächten nur
auf Sondervortheile, niemand kümmere sich um die Folgen, um die Zukunft,
um das Ganze. Daran seien obenan die Kaiser schuld, die durch Milde bessern
zu können meinten. Alle Bestrafung habe ja aufgehört, selbst die der Rebellen.
Und so seien infolge von Mißbrauch ihrer Gewalt viele zu Mächtigen, das
Reich aber immer unmächtiger geworden. Eine weitere Schuld trage die Hab¬
sucht der Kurfürsten, jene Wahlcapitulationcn, durch welche sie den Kaiser
nöthigen, Rcichseinkünfte zu verschenken oder gar^zu verpfänden oder doch ihn
hindern, die den Verkehr der Unterthanen erschwerenden Zölle abzuschaffen oder
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