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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Pflicht schon mit dem Schwerte zu genügen behauptete, theils von Seiten solcher,
die nur überhaupt nicht zu zahlen liebten, daß man um keinen Schritt weite"
vorwärts kam, sonder" es unverändert bei dem alten Zustande verblieb.

So war der Stand der Dinge, als sich im Jahre 1430 das allgemeine
Concil wieder in Basel versammelte.

Unter denen nun, die das Bedürfniß der Zeit am umfassendsten, tiefsten
und großartigsten auffaßten, stand obenan ein noch junger deutscher Geistlicher,
Nikolaus, der Sohn eines Sendschöffcn oder Bauern von Cues bei Koblenz,
später nach seinem Geburtsorte in der Regel Nikolaus von Cues, häufiger Niko¬
laus de Cusa oder Nikolaus Cusanus genannt.

Nachdem er seine erste Bildung in der Schule jener merkwürdigen Brüder¬
schaft des gemeinsamen Lebens zu Deventer erhalten hatte, welche eine Bor-
läuferin der reformatonschen Geistesrichtung genannt zu werden verdient, wid¬
mete er sich dem Studium der Rechte und bezog zu diesem Zwecke die Univer¬
sität zu Padua, wo er Doctor der Rechte ward. Hier trat er zu seinem nur
drei Jahre älteren Lehrer Guiliano de Cesarini in eine Berbindung, welche
ohne Zweifel von entscheidender Bedeutung für sein ganzes Leben wurde. Nach
Deutschland zurückgekehrt, trat er zunächst in den Beruf eines Sachwalters ein.
Aber in einem Processe, in welchem ihm als Advocat der Gegenpartei jener
nachmals als Gesandter der Kurfürsten an den Papst und als der gröbste Diplomat
seiner Zeit so berühmt gewordene Gregor von Heimburg gegenüberstand, unter¬
lag er. und dies gab wenigstens den letzten äußern Anstoß, daß er dem Sach-
waltcrberuf untreu ward und sich dem geistlichen Stand widmete. Der tiefere
Grund lag wohl in dem Samen, den sein von fortreißenden Feuereifer durch¬
glühte! Lehrer Cesarini. --- selbst ein hervorragender Geistlicher --, bereits in
Padua gestreut hat-te. Und als nun wenige Jahre später das Concil zu Basel
sich versammelte und derselbe Giuliano de Cesarini als Cardinallegat zur Lei¬
tung dieses Concils ausersehen ward, eilte Nikolaus von Cusa, der damals noch
junge Dechant zu Se. Florin in Koblenz, alsbald nach Basel an die Seite des geliebten
Lehrers und Freundes, der ihn vielleicht selbst dahin berufen hatte. Hier wurde
dem umfassenden Geiste des jungen Mannes die beste Gelegenheit, die ineinander¬
laufenden Fäden der kirchlichen und politischen Interessen zu verfolgen. Hier,
wenn irgendwo, mußte er sich überzeugen, daß, wenn das Streben seiner Zeit,
die als Bedürfniß erkannte Verbesserung der Kirche durch ein Zusammenwirken
der gesetzlichen Gewalten in Kirche und Staat ins Leben zu rufen, gelingen
sollte, es hierzu nicht minder auch einer gründlichen Verbesserung der Zustände
des Staates und zwar desjenigen Staates bedürfe, dessen Oberhaupt zugleich
der Schirmvoigt der Kirche war, des deutschen Reichs. Noch in Basel schrieb
Nikolaus sein berühmtes Werk et"z eoneoräg-ulla eattroliea, und widmete es dem
Kaiser Sigismund, ohne dessen kräftige Mithilfe die Resena der Kirche sich als


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Pflicht schon mit dem Schwerte zu genügen behauptete, theils von Seiten solcher,
die nur überhaupt nicht zu zahlen liebten, daß man um keinen Schritt weite»
vorwärts kam, sonder» es unverändert bei dem alten Zustande verblieb.

So war der Stand der Dinge, als sich im Jahre 1430 das allgemeine
Concil wieder in Basel versammelte.

Unter denen nun, die das Bedürfniß der Zeit am umfassendsten, tiefsten
und großartigsten auffaßten, stand obenan ein noch junger deutscher Geistlicher,
Nikolaus, der Sohn eines Sendschöffcn oder Bauern von Cues bei Koblenz,
später nach seinem Geburtsorte in der Regel Nikolaus von Cues, häufiger Niko¬
laus de Cusa oder Nikolaus Cusanus genannt.

Nachdem er seine erste Bildung in der Schule jener merkwürdigen Brüder¬
schaft des gemeinsamen Lebens zu Deventer erhalten hatte, welche eine Bor-
läuferin der reformatonschen Geistesrichtung genannt zu werden verdient, wid¬
mete er sich dem Studium der Rechte und bezog zu diesem Zwecke die Univer¬
sität zu Padua, wo er Doctor der Rechte ward. Hier trat er zu seinem nur
drei Jahre älteren Lehrer Guiliano de Cesarini in eine Berbindung, welche
ohne Zweifel von entscheidender Bedeutung für sein ganzes Leben wurde. Nach
Deutschland zurückgekehrt, trat er zunächst in den Beruf eines Sachwalters ein.
Aber in einem Processe, in welchem ihm als Advocat der Gegenpartei jener
nachmals als Gesandter der Kurfürsten an den Papst und als der gröbste Diplomat
seiner Zeit so berühmt gewordene Gregor von Heimburg gegenüberstand, unter¬
lag er. und dies gab wenigstens den letzten äußern Anstoß, daß er dem Sach-
waltcrberuf untreu ward und sich dem geistlichen Stand widmete. Der tiefere
Grund lag wohl in dem Samen, den sein von fortreißenden Feuereifer durch¬
glühte! Lehrer Cesarini. —- selbst ein hervorragender Geistlicher —, bereits in
Padua gestreut hat-te. Und als nun wenige Jahre später das Concil zu Basel
sich versammelte und derselbe Giuliano de Cesarini als Cardinallegat zur Lei¬
tung dieses Concils ausersehen ward, eilte Nikolaus von Cusa, der damals noch
junge Dechant zu Se. Florin in Koblenz, alsbald nach Basel an die Seite des geliebten
Lehrers und Freundes, der ihn vielleicht selbst dahin berufen hatte. Hier wurde
dem umfassenden Geiste des jungen Mannes die beste Gelegenheit, die ineinander¬
laufenden Fäden der kirchlichen und politischen Interessen zu verfolgen. Hier,
wenn irgendwo, mußte er sich überzeugen, daß, wenn das Streben seiner Zeit,
die als Bedürfniß erkannte Verbesserung der Kirche durch ein Zusammenwirken
der gesetzlichen Gewalten in Kirche und Staat ins Leben zu rufen, gelingen
sollte, es hierzu nicht minder auch einer gründlichen Verbesserung der Zustände
des Staates und zwar desjenigen Staates bedürfe, dessen Oberhaupt zugleich
der Schirmvoigt der Kirche war, des deutschen Reichs. Noch in Basel schrieb
Nikolaus sein berühmtes Werk et«z eoneoräg-ulla eattroliea, und widmete es dem
Kaiser Sigismund, ohne dessen kräftige Mithilfe die Resena der Kirche sich als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/473>, abgerufen am 30.09.2024.