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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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der Höhe des Saales einzuräumen, wo sie undeutlich hören, noch undeutlicher
sehen und durch die Hitze und Zugluft, welche in jenen Regionen herrscht, nicht
geringe Qualen ausstehen. Sonderbar, daß man in den meisten Parlamenten
so wenig Rücksicht auf die Vertreter der Presse nimmt. Da lobe ich mir die
geräumigen, bequemen Journalistenlogen im ungarischen Landtage!

Die "Rechte" des Hauses repräsentirt den aristokratischen Theil des Land¬
tages. Hier sitzen die Großgrundbesitzer, zumeist die Träger der berühmtesten
Namen der alten böhmischen Adelsgeschlechter, zwischen denen die einzelnen bür¬
gerlichen Großgrundbesitzer bescheiden verschwinden. In der ersten Bank ist der
Platz der vier virilstimmberechtigten hohen kirchlichen Würdenträger, des Erz-
bischofes von Prag, der Bischöfe von Königsgrätz, Budweis und Leitmeritz, so¬
wie des Rectors der prager Universität. Der Erzbischof von Prag. Fürst
Schwarzenberg, verdient in mehr als einer Richtung unsere Beachtung. Er ist
selbstverständlich der Führer der klerikalen Partei, aber auch einer der enragir-
tcsten Gegner der Fcbruarvcrfassung, die er, im Gegensatze zum wiener Erz-
bischöfe, von ihrem Geburtstag an bekämpfte. Als Schmerling noch im
Zenithe seiner "consiitutionellcn Allgewalt" stand und der Jahrestag der Ver¬
leihung d>r Februarverfassung festlich begangen werden sollte, erklärte der Erz-
bischof von Prag sich energisch gegen jede kirchliche Feier aus diesem Anlasse
und erlaubte trotz aller Vorstellungen die Abhaltung derselben in der prager
Domkirche nicht. Dem Einflüsse des Fürsterzbischofeö ist es zuzuschreiben, daß
die Mitglieder des höchsten Adels ins czechische Lager übergingen und man sagt,
daß auch Belcredi Grund habe, für seine Berufung zum Staatsminister dem
Cardinal dankbar zu sein. Die Hinneigung des höchsten Repräsentanten des
böhmischen Klerus zum Czcchenthum ist leicht,erklärlich, wenn man bedenkt,
daß der hussitische Geist noch lebt und die Geistlichkeit seiner Erhebung dadurch
zu begegnen sucht, daß sie das nationale Interesse mit jenem des Katholicismus
aufs engste zu verknüpfen strebt. Der prager Erzbischof ist eine imposante
.schlanke Gestalt. In den scharf geschnittenen Gesichtszügen spricht sich weniger
Geist als strenge Willensenergie aus; die Stimme ist klangvoll sympathisch und
mit Recht gilt der Cardinal als trefflicher Kanzelredner. In seinen Landtags-
rcden herrscht gleichfalls der Kanzelton mit einer gewissen Salbung vor und er
liebt es, auch hier den Erzbischof hervorzukehren und ohne Rücksicht auf die
akatholischen Abgeordneten, wie er sich selbst ausdrückt "in gewohnter Weise
als Hirt zu seiner Heerde zu sprechen." Jedenfalls ein ganz eigenthümlicher
parlamcntanschcr Stil.

Hinter dem Cardinäle sitzt sein Bruder, der regierende Fürst Johann Adolph
Schwarzenberg, dessen Grundbesitz im südlichen Böhmen bekanntlich größer als
ein deutsches Königreich ist. Der alte Herr mit dem behäbigen Gesichtsaus¬
drucke und den bequemen Manieren ist vor allem gut "kaiserlich östreichisch^


der Höhe des Saales einzuräumen, wo sie undeutlich hören, noch undeutlicher
sehen und durch die Hitze und Zugluft, welche in jenen Regionen herrscht, nicht
geringe Qualen ausstehen. Sonderbar, daß man in den meisten Parlamenten
so wenig Rücksicht auf die Vertreter der Presse nimmt. Da lobe ich mir die
geräumigen, bequemen Journalistenlogen im ungarischen Landtage!

Die „Rechte" des Hauses repräsentirt den aristokratischen Theil des Land¬
tages. Hier sitzen die Großgrundbesitzer, zumeist die Träger der berühmtesten
Namen der alten böhmischen Adelsgeschlechter, zwischen denen die einzelnen bür¬
gerlichen Großgrundbesitzer bescheiden verschwinden. In der ersten Bank ist der
Platz der vier virilstimmberechtigten hohen kirchlichen Würdenträger, des Erz-
bischofes von Prag, der Bischöfe von Königsgrätz, Budweis und Leitmeritz, so¬
wie des Rectors der prager Universität. Der Erzbischof von Prag. Fürst
Schwarzenberg, verdient in mehr als einer Richtung unsere Beachtung. Er ist
selbstverständlich der Führer der klerikalen Partei, aber auch einer der enragir-
tcsten Gegner der Fcbruarvcrfassung, die er, im Gegensatze zum wiener Erz-
bischöfe, von ihrem Geburtstag an bekämpfte. Als Schmerling noch im
Zenithe seiner „consiitutionellcn Allgewalt" stand und der Jahrestag der Ver¬
leihung d>r Februarverfassung festlich begangen werden sollte, erklärte der Erz-
bischof von Prag sich energisch gegen jede kirchliche Feier aus diesem Anlasse
und erlaubte trotz aller Vorstellungen die Abhaltung derselben in der prager
Domkirche nicht. Dem Einflüsse des Fürsterzbischofeö ist es zuzuschreiben, daß
die Mitglieder des höchsten Adels ins czechische Lager übergingen und man sagt,
daß auch Belcredi Grund habe, für seine Berufung zum Staatsminister dem
Cardinal dankbar zu sein. Die Hinneigung des höchsten Repräsentanten des
böhmischen Klerus zum Czcchenthum ist leicht,erklärlich, wenn man bedenkt,
daß der hussitische Geist noch lebt und die Geistlichkeit seiner Erhebung dadurch
zu begegnen sucht, daß sie das nationale Interesse mit jenem des Katholicismus
aufs engste zu verknüpfen strebt. Der prager Erzbischof ist eine imposante
.schlanke Gestalt. In den scharf geschnittenen Gesichtszügen spricht sich weniger
Geist als strenge Willensenergie aus; die Stimme ist klangvoll sympathisch und
mit Recht gilt der Cardinal als trefflicher Kanzelredner. In seinen Landtags-
rcden herrscht gleichfalls der Kanzelton mit einer gewissen Salbung vor und er
liebt es, auch hier den Erzbischof hervorzukehren und ohne Rücksicht auf die
akatholischen Abgeordneten, wie er sich selbst ausdrückt „in gewohnter Weise
als Hirt zu seiner Heerde zu sprechen." Jedenfalls ein ganz eigenthümlicher
parlamcntanschcr Stil.

Hinter dem Cardinäle sitzt sein Bruder, der regierende Fürst Johann Adolph
Schwarzenberg, dessen Grundbesitz im südlichen Böhmen bekanntlich größer als
ein deutsches Königreich ist. Der alte Herr mit dem behäbigen Gesichtsaus¬
drucke und den bequemen Manieren ist vor allem gut „kaiserlich östreichisch^


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[0438] der Höhe des Saales einzuräumen, wo sie undeutlich hören, noch undeutlicher sehen und durch die Hitze und Zugluft, welche in jenen Regionen herrscht, nicht geringe Qualen ausstehen. Sonderbar, daß man in den meisten Parlamenten so wenig Rücksicht auf die Vertreter der Presse nimmt. Da lobe ich mir die geräumigen, bequemen Journalistenlogen im ungarischen Landtage! Die „Rechte" des Hauses repräsentirt den aristokratischen Theil des Land¬ tages. Hier sitzen die Großgrundbesitzer, zumeist die Träger der berühmtesten Namen der alten böhmischen Adelsgeschlechter, zwischen denen die einzelnen bür¬ gerlichen Großgrundbesitzer bescheiden verschwinden. In der ersten Bank ist der Platz der vier virilstimmberechtigten hohen kirchlichen Würdenträger, des Erz- bischofes von Prag, der Bischöfe von Königsgrätz, Budweis und Leitmeritz, so¬ wie des Rectors der prager Universität. Der Erzbischof von Prag. Fürst Schwarzenberg, verdient in mehr als einer Richtung unsere Beachtung. Er ist selbstverständlich der Führer der klerikalen Partei, aber auch einer der enragir- tcsten Gegner der Fcbruarvcrfassung, die er, im Gegensatze zum wiener Erz- bischöfe, von ihrem Geburtstag an bekämpfte. Als Schmerling noch im Zenithe seiner „consiitutionellcn Allgewalt" stand und der Jahrestag der Ver¬ leihung d>r Februarverfassung festlich begangen werden sollte, erklärte der Erz- bischof von Prag sich energisch gegen jede kirchliche Feier aus diesem Anlasse und erlaubte trotz aller Vorstellungen die Abhaltung derselben in der prager Domkirche nicht. Dem Einflüsse des Fürsterzbischofeö ist es zuzuschreiben, daß die Mitglieder des höchsten Adels ins czechische Lager übergingen und man sagt, daß auch Belcredi Grund habe, für seine Berufung zum Staatsminister dem Cardinal dankbar zu sein. Die Hinneigung des höchsten Repräsentanten des böhmischen Klerus zum Czcchenthum ist leicht,erklärlich, wenn man bedenkt, daß der hussitische Geist noch lebt und die Geistlichkeit seiner Erhebung dadurch zu begegnen sucht, daß sie das nationale Interesse mit jenem des Katholicismus aufs engste zu verknüpfen strebt. Der prager Erzbischof ist eine imposante .schlanke Gestalt. In den scharf geschnittenen Gesichtszügen spricht sich weniger Geist als strenge Willensenergie aus; die Stimme ist klangvoll sympathisch und mit Recht gilt der Cardinal als trefflicher Kanzelredner. In seinen Landtags- rcden herrscht gleichfalls der Kanzelton mit einer gewissen Salbung vor und er liebt es, auch hier den Erzbischof hervorzukehren und ohne Rücksicht auf die akatholischen Abgeordneten, wie er sich selbst ausdrückt „in gewohnter Weise als Hirt zu seiner Heerde zu sprechen." Jedenfalls ein ganz eigenthümlicher parlamcntanschcr Stil. Hinter dem Cardinäle sitzt sein Bruder, der regierende Fürst Johann Adolph Schwarzenberg, dessen Grundbesitz im südlichen Böhmen bekanntlich größer als ein deutsches Königreich ist. Der alte Herr mit dem behäbigen Gesichtsaus¬ drucke und den bequemen Manieren ist vor allem gut „kaiserlich östreichisch^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/438>, abgerufen am 28.09.2024.