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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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gesinnt. Als solcher stimmte er. solange das schmerlingsche Regime in der
Blüthe war und die kaiserliche Gunst genoß, mit der deutschen weil schmer-
lmgschen Partei in allen Fragen und blieb hierbei selbst der Ueberredung des
'Cardinal-Erzbischofes unzugänglich. Als aber Belcredi ans Ruder kam und die
Deutschen naturgemäß dem "Minister auf dem slawischen Standpunkte Oest¬
reichs" Opposition machten, da ging Fürst Schwarzenberg mit den Czechen.
weil diese eben die Regierungspartei wurden. Im Landtage spricht der Fürst
selten, er interesstrt sich mehr für die Landwirthschaft als für die hohe Politik
und überläßt es nun seinem Sohne, der gleichfalls im Landtage sitzt, eine po¬
litische Rolle zu spielen. Allein hinter den parlamentarischen Coulissen übt
Fürst Schwarzenberg als der reichste Cavalier Böhmens und als erster Reprä¬
sentant eines der glänzendsten Adelsgeschlechter der Monarchie einen sehr be¬
deutenden Einfluß auf seine Standesgenossen aus.

Unstreitig der bedeutendste Kopf unter den adeligen Abgeordneten auf der
"Rechten" des böhmischen Landtages ist Graf Clam-Martinitz/ Die schlanke
Gestalt, das feingeschnittene Gesicht Mit dem wohlgepflegten blonden Schnurr¬
und Backenbärte, den Binocle auf der Nase, hat ganz das aristokcatische Ge¬
präge. Die Haltung des Körpers, jede Bewegung verräth, der edle Graf ist
sich seines blauen Blutes vollständig bewußt. Graf Clam-Martinitz ist bekannt
als der. eifrigste Vertreter, der feudalen Partei, er ist aber auch ihr geistvollster
Verfechter. Großes politisches und historisches Wissen läßt sich ihm ebenso wenig
absprechen, als große Schlagfertigkeit im parlamentarischen Kampfe. Seine
Reden, die er auch zuweilen in czechischer Sprache (wiewohl wenig geläufig)
hält, sind logisch durchdacht und scharf, würden aber unbedingt noch mehr Ein¬
druck machen, wenn er die Selbstüberwindung hätte, sich kürzer zu fassen. Graf
Clam-Martinitz gehört zu jenen wenigen Politikern Oestreichs, denen ihr Ziel
vollkommen deutlich ist und die vor keinem Mittel zurückscheuen, dasselbe zu er¬
reichen. Wiewohl voll feudalen Stolzes, war er es doch vorzüglich, der das
Bündniß mit den czechischen Demokraten zu Stande brachte, um mit ihrer
Hilfe Schmerling zu stürzen, und der jetzt diese Allianz zu erhalten bemüht ist,
weil er durch sie denn doch endlich ans Nuder zu kommen gedenkt. Das höchste
Streben seines Ehrgeizes ist ein Ministerpvrtefcuille; sollte er aber zum Hof¬
kanzler von Böhmen ernannt werden, so wäre er wohl auch hiermit glücklich.

Mit dem Grafen Clam-Martinitz theilt sein Schwager Graf Leo Thun
die Führerschaft der Feudalen. Er ist als früherer Minister für Cultus und
Unterricht zu wohl bekannt, als daß man seine Persönlichkeit, die einen gewissen
düsteren Eindruck übt, näher zeichnen müßte. Graf Leo Thun redet gern
öffentlich und liebt es, in seinen Landtagsreden auf jene Zeit anzuspielen, da
"im Rathe der Krone" saß. Als ein Vorzug wäre hervorzuheben, daß Graf
"co Thun aus seiner streng klerikalen und feudalen Gesinnung kein Hehl


Grenzboten l. 1867. SS

gesinnt. Als solcher stimmte er. solange das schmerlingsche Regime in der
Blüthe war und die kaiserliche Gunst genoß, mit der deutschen weil schmer-
lmgschen Partei in allen Fragen und blieb hierbei selbst der Ueberredung des
'Cardinal-Erzbischofes unzugänglich. Als aber Belcredi ans Ruder kam und die
Deutschen naturgemäß dem „Minister auf dem slawischen Standpunkte Oest¬
reichs" Opposition machten, da ging Fürst Schwarzenberg mit den Czechen.
weil diese eben die Regierungspartei wurden. Im Landtage spricht der Fürst
selten, er interesstrt sich mehr für die Landwirthschaft als für die hohe Politik
und überläßt es nun seinem Sohne, der gleichfalls im Landtage sitzt, eine po¬
litische Rolle zu spielen. Allein hinter den parlamentarischen Coulissen übt
Fürst Schwarzenberg als der reichste Cavalier Böhmens und als erster Reprä¬
sentant eines der glänzendsten Adelsgeschlechter der Monarchie einen sehr be¬
deutenden Einfluß auf seine Standesgenossen aus.

Unstreitig der bedeutendste Kopf unter den adeligen Abgeordneten auf der
„Rechten" des böhmischen Landtages ist Graf Clam-Martinitz/ Die schlanke
Gestalt, das feingeschnittene Gesicht Mit dem wohlgepflegten blonden Schnurr¬
und Backenbärte, den Binocle auf der Nase, hat ganz das aristokcatische Ge¬
präge. Die Haltung des Körpers, jede Bewegung verräth, der edle Graf ist
sich seines blauen Blutes vollständig bewußt. Graf Clam-Martinitz ist bekannt
als der. eifrigste Vertreter, der feudalen Partei, er ist aber auch ihr geistvollster
Verfechter. Großes politisches und historisches Wissen läßt sich ihm ebenso wenig
absprechen, als große Schlagfertigkeit im parlamentarischen Kampfe. Seine
Reden, die er auch zuweilen in czechischer Sprache (wiewohl wenig geläufig)
hält, sind logisch durchdacht und scharf, würden aber unbedingt noch mehr Ein¬
druck machen, wenn er die Selbstüberwindung hätte, sich kürzer zu fassen. Graf
Clam-Martinitz gehört zu jenen wenigen Politikern Oestreichs, denen ihr Ziel
vollkommen deutlich ist und die vor keinem Mittel zurückscheuen, dasselbe zu er¬
reichen. Wiewohl voll feudalen Stolzes, war er es doch vorzüglich, der das
Bündniß mit den czechischen Demokraten zu Stande brachte, um mit ihrer
Hilfe Schmerling zu stürzen, und der jetzt diese Allianz zu erhalten bemüht ist,
weil er durch sie denn doch endlich ans Nuder zu kommen gedenkt. Das höchste
Streben seines Ehrgeizes ist ein Ministerpvrtefcuille; sollte er aber zum Hof¬
kanzler von Böhmen ernannt werden, so wäre er wohl auch hiermit glücklich.

Mit dem Grafen Clam-Martinitz theilt sein Schwager Graf Leo Thun
die Führerschaft der Feudalen. Er ist als früherer Minister für Cultus und
Unterricht zu wohl bekannt, als daß man seine Persönlichkeit, die einen gewissen
düsteren Eindruck übt, näher zeichnen müßte. Graf Leo Thun redet gern
öffentlich und liebt es, in seinen Landtagsreden auf jene Zeit anzuspielen, da
»im Rathe der Krone" saß. Als ein Vorzug wäre hervorzuheben, daß Graf
"co Thun aus seiner streng klerikalen und feudalen Gesinnung kein Hehl


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/439>, abgerufen am 28.09.2024.