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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Pagen mit großem Pompe vor. die Läufer, die reichgalonirten Diener, die von
Silber und Gold strotzenden Uniformen sollten dem gaffenden Volke, das die
Schaulust in Schaaren herbeigeführt hatte, den Unterschied zwischen ihm und
seinen Berathern vergegenwärtigen.

Heute giebt^es hier keine prächtigen.Auffahrten, keine bunten Uniformen
und Livreen, nichts, was dem großen Haufen in die Augen sticht. Die Ab¬
geordneten, sämmtlich im einfachen Bürgerrocke (mit Ausnahme der Geistlichen)
kommen zu Fuße an und die wenigen Equipagen der hohen Adeligen, welche
hier vorfahren, .sind höchst einfach -- kein zahlreiches Publikum sammelt sich
vor dem Eingangsthore des Landhauses.

, Nur die zwei bürgerlichen Scharfschützen, welche hier Wache hallen, mah¬
nen an die alten Zeiten. Das Scharfschützencvrps läßt sich sein historisches
Necht, die Ehrenwache zum Landtage zu stellen, nicht nehmen, und als nach
vierzehnjähriger Pause im Jahre 1862 der böhmische Landtag wieder einberufen
wurde, allerdings in ganz veränderter Gestalt, da petilionirten unsere guten
Scharfschützen sogleich beim Kaiser, es möge ihnen die Uebung jenes Vorrechtes
nicht verweigert werden. Der Bitte wurde willfahrt und so spazieren denn
täglich die uiusormirten Bürger vor dem Landhause auf und ab, präsentiren
Pflichtschuldigst vor jedem ankommenden Abgeordneten und rufen, wenn der
Statthalter, der Oberstlandmarschall und der Cardinal-Erzbischof naht zum
Gewehr. Hier und da, wenn ein cnragirler nationaler Bürger den Wachposten
bezieht, beweist er seine Devotion vor den nationalen Größen dadurch, daß er
auch vor "Bater Palazty" und "Pan lliicger" zum Gewehr ruft, was eigentlich
reglementswidrig ist. In kriegsgerichtliche Untersuchung ist aber deshalb noch
kein bürgerlicher Wachposten gezogen worden.

Der Sitzungssaal des böhmischen Landtages ist einer der schönsten Säle.
Ul welchen parlamentarische Körperschaften tagen, wogegen der Sitzungssaal
des wiener Neichsrathes, so wie des ungarischen Landtages kleinlich aussieht.
Hinfach und geschmackvoll decorirt, im Fond das lebensgroße Bildniß des
Kaisers, bietet der Saal in der Anordnung der Sitze die gewöhnliche Einthei¬
lig der "Rechten", "Linken" und des Centrums, während in der Mitte auf
einer Cstrade der Sitz des Obersllandmaischalls und seines Stellvertreters, so
wie des Berichterstatters und nebenan sich der Tröes für die iltegierungsvertreter
befindet. Cine Rednertribüne giebt es im böhmischen Landtage nicht. Dem
Publikum ist eine geräumige Galerie zugewiesen, ihr gegenüber kleine Galerien
für die Journalisten. In der ersten Landtagssession hatten die Vertreter der
Presse ihren Platz im Saale selbst unmittelbar hinter den Abgeordneten, allein
entwickelte sich bald zwischen beiden ein äußerst lebhafter Wechselverkehr,
Welche zuweUen nicht ohne Einfluß auf die Abstimmungen blieb, sodaß man
^es Veranlaßt sah, den Zeitungsreserenten jene schwalbennestartigen Galerien rü


Pagen mit großem Pompe vor. die Läufer, die reichgalonirten Diener, die von
Silber und Gold strotzenden Uniformen sollten dem gaffenden Volke, das die
Schaulust in Schaaren herbeigeführt hatte, den Unterschied zwischen ihm und
seinen Berathern vergegenwärtigen.

Heute giebt^es hier keine prächtigen.Auffahrten, keine bunten Uniformen
und Livreen, nichts, was dem großen Haufen in die Augen sticht. Die Ab¬
geordneten, sämmtlich im einfachen Bürgerrocke (mit Ausnahme der Geistlichen)
kommen zu Fuße an und die wenigen Equipagen der hohen Adeligen, welche
hier vorfahren, .sind höchst einfach — kein zahlreiches Publikum sammelt sich
vor dem Eingangsthore des Landhauses.

, Nur die zwei bürgerlichen Scharfschützen, welche hier Wache hallen, mah¬
nen an die alten Zeiten. Das Scharfschützencvrps läßt sich sein historisches
Necht, die Ehrenwache zum Landtage zu stellen, nicht nehmen, und als nach
vierzehnjähriger Pause im Jahre 1862 der böhmische Landtag wieder einberufen
wurde, allerdings in ganz veränderter Gestalt, da petilionirten unsere guten
Scharfschützen sogleich beim Kaiser, es möge ihnen die Uebung jenes Vorrechtes
nicht verweigert werden. Der Bitte wurde willfahrt und so spazieren denn
täglich die uiusormirten Bürger vor dem Landhause auf und ab, präsentiren
Pflichtschuldigst vor jedem ankommenden Abgeordneten und rufen, wenn der
Statthalter, der Oberstlandmarschall und der Cardinal-Erzbischof naht zum
Gewehr. Hier und da, wenn ein cnragirler nationaler Bürger den Wachposten
bezieht, beweist er seine Devotion vor den nationalen Größen dadurch, daß er
auch vor „Bater Palazty" und „Pan lliicger" zum Gewehr ruft, was eigentlich
reglementswidrig ist. In kriegsgerichtliche Untersuchung ist aber deshalb noch
kein bürgerlicher Wachposten gezogen worden.

Der Sitzungssaal des böhmischen Landtages ist einer der schönsten Säle.
Ul welchen parlamentarische Körperschaften tagen, wogegen der Sitzungssaal
des wiener Neichsrathes, so wie des ungarischen Landtages kleinlich aussieht.
Hinfach und geschmackvoll decorirt, im Fond das lebensgroße Bildniß des
Kaisers, bietet der Saal in der Anordnung der Sitze die gewöhnliche Einthei¬
lig der „Rechten", „Linken" und des Centrums, während in der Mitte auf
einer Cstrade der Sitz des Obersllandmaischalls und seines Stellvertreters, so
wie des Berichterstatters und nebenan sich der Tröes für die iltegierungsvertreter
befindet. Cine Rednertribüne giebt es im böhmischen Landtage nicht. Dem
Publikum ist eine geräumige Galerie zugewiesen, ihr gegenüber kleine Galerien
für die Journalisten. In der ersten Landtagssession hatten die Vertreter der
Presse ihren Platz im Saale selbst unmittelbar hinter den Abgeordneten, allein
entwickelte sich bald zwischen beiden ein äußerst lebhafter Wechselverkehr,
Welche zuweUen nicht ohne Einfluß auf die Abstimmungen blieb, sodaß man
^es Veranlaßt sah, den Zeitungsreserenten jene schwalbennestartigen Galerien rü


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[0437] Pagen mit großem Pompe vor. die Läufer, die reichgalonirten Diener, die von Silber und Gold strotzenden Uniformen sollten dem gaffenden Volke, das die Schaulust in Schaaren herbeigeführt hatte, den Unterschied zwischen ihm und seinen Berathern vergegenwärtigen. Heute giebt^es hier keine prächtigen.Auffahrten, keine bunten Uniformen und Livreen, nichts, was dem großen Haufen in die Augen sticht. Die Ab¬ geordneten, sämmtlich im einfachen Bürgerrocke (mit Ausnahme der Geistlichen) kommen zu Fuße an und die wenigen Equipagen der hohen Adeligen, welche hier vorfahren, .sind höchst einfach — kein zahlreiches Publikum sammelt sich vor dem Eingangsthore des Landhauses. , Nur die zwei bürgerlichen Scharfschützen, welche hier Wache hallen, mah¬ nen an die alten Zeiten. Das Scharfschützencvrps läßt sich sein historisches Necht, die Ehrenwache zum Landtage zu stellen, nicht nehmen, und als nach vierzehnjähriger Pause im Jahre 1862 der böhmische Landtag wieder einberufen wurde, allerdings in ganz veränderter Gestalt, da petilionirten unsere guten Scharfschützen sogleich beim Kaiser, es möge ihnen die Uebung jenes Vorrechtes nicht verweigert werden. Der Bitte wurde willfahrt und so spazieren denn täglich die uiusormirten Bürger vor dem Landhause auf und ab, präsentiren Pflichtschuldigst vor jedem ankommenden Abgeordneten und rufen, wenn der Statthalter, der Oberstlandmarschall und der Cardinal-Erzbischof naht zum Gewehr. Hier und da, wenn ein cnragirler nationaler Bürger den Wachposten bezieht, beweist er seine Devotion vor den nationalen Größen dadurch, daß er auch vor „Bater Palazty" und „Pan lliicger" zum Gewehr ruft, was eigentlich reglementswidrig ist. In kriegsgerichtliche Untersuchung ist aber deshalb noch kein bürgerlicher Wachposten gezogen worden. Der Sitzungssaal des böhmischen Landtages ist einer der schönsten Säle. Ul welchen parlamentarische Körperschaften tagen, wogegen der Sitzungssaal des wiener Neichsrathes, so wie des ungarischen Landtages kleinlich aussieht. Hinfach und geschmackvoll decorirt, im Fond das lebensgroße Bildniß des Kaisers, bietet der Saal in der Anordnung der Sitze die gewöhnliche Einthei¬ lig der „Rechten", „Linken" und des Centrums, während in der Mitte auf einer Cstrade der Sitz des Obersllandmaischalls und seines Stellvertreters, so wie des Berichterstatters und nebenan sich der Tröes für die iltegierungsvertreter befindet. Cine Rednertribüne giebt es im böhmischen Landtage nicht. Dem Publikum ist eine geräumige Galerie zugewiesen, ihr gegenüber kleine Galerien für die Journalisten. In der ersten Landtagssession hatten die Vertreter der Presse ihren Platz im Saale selbst unmittelbar hinter den Abgeordneten, allein entwickelte sich bald zwischen beiden ein äußerst lebhafter Wechselverkehr, Welche zuweUen nicht ohne Einfluß auf die Abstimmungen blieb, sodaß man ^es Veranlaßt sah, den Zeitungsreserenten jene schwalbennestartigen Galerien rü

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/437>, abgerufen am 22.12.2024.