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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Ist es nicht ein erhebendes Gefühl, es in officiellster Form zu erfahren,
daß nunmehr jener Mann mit der gutturalen Donnerstimme und den olym¬
pischen Augenbrauen, genannt " superciliosus", der 1848 an der Spitze des
deutschen Reichs stand, einen aschgrau melkten Mantel mit orangegelbem Kragen-
sutter trägt und tragen muß, wenn er nicht seine Dienstpflicht gröblich ver¬
letzen will?

Dann kommt das Departement des Innern, in welchem statt der orange-
gelben Farbe die "lichtblaue" vorherrscht. Zu ihm gehören unter andern auch:
die Redaction der "Darmstädter Zeitung", die evangelische und die katholische
Kirche (wenigstens so weit, als solche im Hessen-Darmstädtischen liegen), die
Rabbiner, der Historiograph des großherzoglichen Hauses, der Bischof Wilhelm
Emanuel v. Ketteler zu Mainz, die "Bank für Handel und Industrie", die
"Bank für Süddeutschland", das Landesgestüte, sämmtliche Schulmeister, das
Hospital und die Irrenanstalt. Alles das ist, ausweislich des Staatshandbuches,
also "lichtblau".

Für das Justizministerium ist, laut Seite 379, "jedoch die Unterscheidungs¬
farbe schwarz", woher es auch wohl kommen mag, daß die Richter vielfach
einer klerikalen Parteirichtung beschuldigt werden, oder daß, wie der alte Wernher
v. Nierstein sagte, "die Urtheile des Mainzer Gerichtshofes im bischöflichen Pa¬
laste daselbst gemacht werden".

Das Ministerium der Finanzen ist -- eine nicht unbedenkliche Farbensymbolik
-- "carmoisinroth". Zu ihm gehören auch die Forstleute. Diese sind jedoch
statt mit einem " dunkelkornblaucn " mit einem dunkelgrünen Waffenrock aus-
staffirt. So hat also alles seine entschiedene Farbe. Herr v. Dalwigk ist, je
nach dem. alternativ bicolor, nämlich -- "orangegelb", wenn er als Chef des
auswärtigen Amts, dagegen -- "lichtblau", wenn er als Minister des Innern
fungirt; der Prälat. Superintendent. Oberpfarrer, Oberconsistorialrath und Ober-
hofprediger Zimmermann und der Rabbiner Baruch Samuel Levi -- welch ein
schönes Symbol confessionellcr Toleranz! -- beide "lichtblau". Der Seetions-
chcf im Justizdepartement Geheimrath Dr. Damian Cr6ve und der General-
staatsprocurator Seitz --> beide schwarz. Der Finanzminister v. Schenck zu
Schweinsberg -- roth. Desgleichen sein Ministerialkanzleidiener und Haus¬
beschließer Conrad Döring, welcher letztere nicht weniger als drei Orden besitzt,
^ ein Beweis, daß man auch in sehr untergeordneter Stellung sich sehr große
Verdienste erwerben kann und daß dieselben den Augen der wachsamen Vor¬
gesetzten nicht entgehen in einem so kleinen und wohlgeregelten Staate wie
Hessen-Darmstadt.

Zu den benannten Farben kommen dann nach dem Staatshandbuch weiter
"och hinzu: Laut Seite 167: Die Obersthof-, die Biceobersthof. und die Hof-
chargen mit dunkelkornblauem Kragen und langen blauen Hosen; die Hof-


Grenjbotm I. 18K7. 60

Ist es nicht ein erhebendes Gefühl, es in officiellster Form zu erfahren,
daß nunmehr jener Mann mit der gutturalen Donnerstimme und den olym¬
pischen Augenbrauen, genannt „ superciliosus", der 1848 an der Spitze des
deutschen Reichs stand, einen aschgrau melkten Mantel mit orangegelbem Kragen-
sutter trägt und tragen muß, wenn er nicht seine Dienstpflicht gröblich ver¬
letzen will?

Dann kommt das Departement des Innern, in welchem statt der orange-
gelben Farbe die „lichtblaue" vorherrscht. Zu ihm gehören unter andern auch:
die Redaction der „Darmstädter Zeitung", die evangelische und die katholische
Kirche (wenigstens so weit, als solche im Hessen-Darmstädtischen liegen), die
Rabbiner, der Historiograph des großherzoglichen Hauses, der Bischof Wilhelm
Emanuel v. Ketteler zu Mainz, die „Bank für Handel und Industrie", die
„Bank für Süddeutschland", das Landesgestüte, sämmtliche Schulmeister, das
Hospital und die Irrenanstalt. Alles das ist, ausweislich des Staatshandbuches,
also „lichtblau".

Für das Justizministerium ist, laut Seite 379, „jedoch die Unterscheidungs¬
farbe schwarz", woher es auch wohl kommen mag, daß die Richter vielfach
einer klerikalen Parteirichtung beschuldigt werden, oder daß, wie der alte Wernher
v. Nierstein sagte, „die Urtheile des Mainzer Gerichtshofes im bischöflichen Pa¬
laste daselbst gemacht werden".

Das Ministerium der Finanzen ist — eine nicht unbedenkliche Farbensymbolik
— „carmoisinroth". Zu ihm gehören auch die Forstleute. Diese sind jedoch
statt mit einem „ dunkelkornblaucn " mit einem dunkelgrünen Waffenrock aus-
staffirt. So hat also alles seine entschiedene Farbe. Herr v. Dalwigk ist, je
nach dem. alternativ bicolor, nämlich — „orangegelb", wenn er als Chef des
auswärtigen Amts, dagegen — „lichtblau", wenn er als Minister des Innern
fungirt; der Prälat. Superintendent. Oberpfarrer, Oberconsistorialrath und Ober-
hofprediger Zimmermann und der Rabbiner Baruch Samuel Levi — welch ein
schönes Symbol confessionellcr Toleranz! — beide „lichtblau". Der Seetions-
chcf im Justizdepartement Geheimrath Dr. Damian Cr6ve und der General-
staatsprocurator Seitz —> beide schwarz. Der Finanzminister v. Schenck zu
Schweinsberg — roth. Desgleichen sein Ministerialkanzleidiener und Haus¬
beschließer Conrad Döring, welcher letztere nicht weniger als drei Orden besitzt,
^ ein Beweis, daß man auch in sehr untergeordneter Stellung sich sehr große
Verdienste erwerben kann und daß dieselben den Augen der wachsamen Vor¬
gesetzten nicht entgehen in einem so kleinen und wohlgeregelten Staate wie
Hessen-Darmstadt.

Zu den benannten Farben kommen dann nach dem Staatshandbuch weiter
"och hinzu: Laut Seite 167: Die Obersthof-, die Biceobersthof. und die Hof-
chargen mit dunkelkornblauem Kragen und langen blauen Hosen; die Hof-


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[0399] Ist es nicht ein erhebendes Gefühl, es in officiellster Form zu erfahren, daß nunmehr jener Mann mit der gutturalen Donnerstimme und den olym¬ pischen Augenbrauen, genannt „ superciliosus", der 1848 an der Spitze des deutschen Reichs stand, einen aschgrau melkten Mantel mit orangegelbem Kragen- sutter trägt und tragen muß, wenn er nicht seine Dienstpflicht gröblich ver¬ letzen will? Dann kommt das Departement des Innern, in welchem statt der orange- gelben Farbe die „lichtblaue" vorherrscht. Zu ihm gehören unter andern auch: die Redaction der „Darmstädter Zeitung", die evangelische und die katholische Kirche (wenigstens so weit, als solche im Hessen-Darmstädtischen liegen), die Rabbiner, der Historiograph des großherzoglichen Hauses, der Bischof Wilhelm Emanuel v. Ketteler zu Mainz, die „Bank für Handel und Industrie", die „Bank für Süddeutschland", das Landesgestüte, sämmtliche Schulmeister, das Hospital und die Irrenanstalt. Alles das ist, ausweislich des Staatshandbuches, also „lichtblau". Für das Justizministerium ist, laut Seite 379, „jedoch die Unterscheidungs¬ farbe schwarz", woher es auch wohl kommen mag, daß die Richter vielfach einer klerikalen Parteirichtung beschuldigt werden, oder daß, wie der alte Wernher v. Nierstein sagte, „die Urtheile des Mainzer Gerichtshofes im bischöflichen Pa¬ laste daselbst gemacht werden". Das Ministerium der Finanzen ist — eine nicht unbedenkliche Farbensymbolik — „carmoisinroth". Zu ihm gehören auch die Forstleute. Diese sind jedoch statt mit einem „ dunkelkornblaucn " mit einem dunkelgrünen Waffenrock aus- staffirt. So hat also alles seine entschiedene Farbe. Herr v. Dalwigk ist, je nach dem. alternativ bicolor, nämlich — „orangegelb", wenn er als Chef des auswärtigen Amts, dagegen — „lichtblau", wenn er als Minister des Innern fungirt; der Prälat. Superintendent. Oberpfarrer, Oberconsistorialrath und Ober- hofprediger Zimmermann und der Rabbiner Baruch Samuel Levi — welch ein schönes Symbol confessionellcr Toleranz! — beide „lichtblau". Der Seetions- chcf im Justizdepartement Geheimrath Dr. Damian Cr6ve und der General- staatsprocurator Seitz —> beide schwarz. Der Finanzminister v. Schenck zu Schweinsberg — roth. Desgleichen sein Ministerialkanzleidiener und Haus¬ beschließer Conrad Döring, welcher letztere nicht weniger als drei Orden besitzt, ^ ein Beweis, daß man auch in sehr untergeordneter Stellung sich sehr große Verdienste erwerben kann und daß dieselben den Augen der wachsamen Vor¬ gesetzten nicht entgehen in einem so kleinen und wohlgeregelten Staate wie Hessen-Darmstadt. Zu den benannten Farben kommen dann nach dem Staatshandbuch weiter "och hinzu: Laut Seite 167: Die Obersthof-, die Biceobersthof. und die Hof- chargen mit dunkelkornblauem Kragen und langen blauen Hosen; die Hof- Grenjbotm I. 18K7. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/399>, abgerufen am 22.12.2024.