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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Bersammlungsrecht, sondern um-das Associationsrecht gehandelt. Boggio hatte
an das Ministerin'" die Jnterpellation gerichtet, ob, da die Verfassung nur das
Vcrsammlungsrecht, nicht ausdrücklich das der Association anerkenne,. dieses in
jenem stillschweigend enthalten sei, ob die Regierung den Mißbrauch des Asso-
ciationsrechtcs nur nachträglich mittelst der Gerichte verfolgen, oder ihm auch
durch Präventivmaßregeln Vorbeugen könne, ob durch Präventivgcsetze das Asso-
ciationsrecht geregelt werden solle, ob endlich die Borsorgecornitüs bis dahin aus-
geschritten seien und Repression verdient hätten.

Nicasvli bekannte sich zur liberalsten Auslegung. Nach seiner Meinung,
sagte er, und nach der allgemein üblichen Praxis sei allerdings das Associations-
recht im Versammlungsrecht enthalten, die Regierung habe nur das Recht der
Repressiv", nicht der Präventive, und die Comilös ballen bis jetzt keine Repression
Verdient. Doch fügte er ausdrücklich hinzu, daß er nicht gezaudert hätte, nö¬
tigenfalls de in P a r lam c n t P r S v e n t i v g e s c ez e v o r zus es l a g en, die von den U in stän¬
den gebieterisch angezeigt wären. Ueberdies ist in der ganzen Rede die beson¬
dere Überwachung betont, welche der Regierung über die Ausübung des Asso-
ciationsrcchtes zukomme. Dieser Begriff der Ueberwachung ist aber nun eben
der Punkt, wo die beiden Reden vom 25. Februar 1862 und von, 11. Februar
1867 sich berühren und zusammenstimmen. In der letzteren zeigte er, daß das
Recht der Ueberwachung sich nötigenfalls auch dahin ausdehnen könne, öffent¬
liche Versammlungen zu verbieten. Ein-c Inconsequenz ließ sich so wenig nach¬
weisen als eine Vcrfassnngsverletzung; giicasoli war derselbe, der er immer
gewesen. Wenn er seht unterlag, so heilte das eben nur datin seinen Grund,
daß sein Verhältniß zu dieser Kanuner schon lange ein gespanntes, unmögliches
geworden war. Schon die Tatsache, daß die Kammcrmrhrheit, die in einer
politischen Frage ersten Ranges aufgefordert war, über das Ministerium zu ent¬
scheiden, diese Gelegenheit' ablehnte und dagegen einen vechältnißnräßig unbe¬
deutenden Zwischenfall dazu benutzte, beweist schlagend, daß dieses Ministerium
und diese Kammer nicht länger zusammengehe" konnten; es war im Grund
gleichgiltig, bei welcher einzelnen Veranlassung die unvermeidliche Krisis ausbrach.

Sie war unvermeidlich, daif man wohl sage", seitdem diese Kammer über¬
haupt bestand, und sie wäre ohne Zweifel längst ausgebrochen, wen" nicht
der Krieg des vorigen Sommers die parlamentarischen Arbeitn", für längere
Zeit suspendirt hätte. Seitdem das Wablresultat von, On.ober 1865 be¬
kannt war, konnte man sich ernster Besorgr.löse für die parlamentarische Zukunft
des jungen Staats nicht erwehren. Man erinnert sich noch, welche allgemeine
Ueberraschung dieses Resultat hervorrief. Die Regierung hatte sich jeder Ein¬
wirkung enthalten, sie hatte ihren Gegnern freies Feld gelassen, und so waren
dir Wahlen überall unter dem Ruf! hinaus mit der Consorteria-d. h. hinaus
mit den Resten der alten cavourschcn Mehrheit erfolgt. Eine Reihe von Ca-


Bersammlungsrecht, sondern um-das Associationsrecht gehandelt. Boggio hatte
an das Ministerin'» die Jnterpellation gerichtet, ob, da die Verfassung nur das
Vcrsammlungsrecht, nicht ausdrücklich das der Association anerkenne,. dieses in
jenem stillschweigend enthalten sei, ob die Regierung den Mißbrauch des Asso-
ciationsrechtcs nur nachträglich mittelst der Gerichte verfolgen, oder ihm auch
durch Präventivmaßregeln Vorbeugen könne, ob durch Präventivgcsetze das Asso-
ciationsrecht geregelt werden solle, ob endlich die Borsorgecornitüs bis dahin aus-
geschritten seien und Repression verdient hätten.

Nicasvli bekannte sich zur liberalsten Auslegung. Nach seiner Meinung,
sagte er, und nach der allgemein üblichen Praxis sei allerdings das Associations-
recht im Versammlungsrecht enthalten, die Regierung habe nur das Recht der
Repressiv», nicht der Präventive, und die Comilös ballen bis jetzt keine Repression
Verdient. Doch fügte er ausdrücklich hinzu, daß er nicht gezaudert hätte, nö¬
tigenfalls de in P a r lam c n t P r S v e n t i v g e s c ez e v o r zus es l a g en, die von den U in stän¬
den gebieterisch angezeigt wären. Ueberdies ist in der ganzen Rede die beson¬
dere Überwachung betont, welche der Regierung über die Ausübung des Asso-
ciationsrcchtes zukomme. Dieser Begriff der Ueberwachung ist aber nun eben
der Punkt, wo die beiden Reden vom 25. Februar 1862 und von, 11. Februar
1867 sich berühren und zusammenstimmen. In der letzteren zeigte er, daß das
Recht der Ueberwachung sich nötigenfalls auch dahin ausdehnen könne, öffent¬
liche Versammlungen zu verbieten. Ein-c Inconsequenz ließ sich so wenig nach¬
weisen als eine Vcrfassnngsverletzung; giicasoli war derselbe, der er immer
gewesen. Wenn er seht unterlag, so heilte das eben nur datin seinen Grund,
daß sein Verhältniß zu dieser Kanuner schon lange ein gespanntes, unmögliches
geworden war. Schon die Tatsache, daß die Kammcrmrhrheit, die in einer
politischen Frage ersten Ranges aufgefordert war, über das Ministerium zu ent¬
scheiden, diese Gelegenheit' ablehnte und dagegen einen vechältnißnräßig unbe¬
deutenden Zwischenfall dazu benutzte, beweist schlagend, daß dieses Ministerium
und diese Kammer nicht länger zusammengehe» konnten; es war im Grund
gleichgiltig, bei welcher einzelnen Veranlassung die unvermeidliche Krisis ausbrach.

Sie war unvermeidlich, daif man wohl sage», seitdem diese Kammer über¬
haupt bestand, und sie wäre ohne Zweifel längst ausgebrochen, wen» nicht
der Krieg des vorigen Sommers die parlamentarischen Arbeitn», für längere
Zeit suspendirt hätte. Seitdem das Wablresultat von, On.ober 1865 be¬
kannt war, konnte man sich ernster Besorgr.löse für die parlamentarische Zukunft
des jungen Staats nicht erwehren. Man erinnert sich noch, welche allgemeine
Ueberraschung dieses Resultat hervorrief. Die Regierung hatte sich jeder Ein¬
wirkung enthalten, sie hatte ihren Gegnern freies Feld gelassen, und so waren
dir Wahlen überall unter dem Ruf! hinaus mit der Consorteria-d. h. hinaus
mit den Resten der alten cavourschcn Mehrheit erfolgt. Eine Reihe von Ca-


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[0378] Bersammlungsrecht, sondern um-das Associationsrecht gehandelt. Boggio hatte an das Ministerin'» die Jnterpellation gerichtet, ob, da die Verfassung nur das Vcrsammlungsrecht, nicht ausdrücklich das der Association anerkenne,. dieses in jenem stillschweigend enthalten sei, ob die Regierung den Mißbrauch des Asso- ciationsrechtcs nur nachträglich mittelst der Gerichte verfolgen, oder ihm auch durch Präventivmaßregeln Vorbeugen könne, ob durch Präventivgcsetze das Asso- ciationsrecht geregelt werden solle, ob endlich die Borsorgecornitüs bis dahin aus- geschritten seien und Repression verdient hätten. Nicasvli bekannte sich zur liberalsten Auslegung. Nach seiner Meinung, sagte er, und nach der allgemein üblichen Praxis sei allerdings das Associations- recht im Versammlungsrecht enthalten, die Regierung habe nur das Recht der Repressiv», nicht der Präventive, und die Comilös ballen bis jetzt keine Repression Verdient. Doch fügte er ausdrücklich hinzu, daß er nicht gezaudert hätte, nö¬ tigenfalls de in P a r lam c n t P r S v e n t i v g e s c ez e v o r zus es l a g en, die von den U in stän¬ den gebieterisch angezeigt wären. Ueberdies ist in der ganzen Rede die beson¬ dere Überwachung betont, welche der Regierung über die Ausübung des Asso- ciationsrcchtes zukomme. Dieser Begriff der Ueberwachung ist aber nun eben der Punkt, wo die beiden Reden vom 25. Februar 1862 und von, 11. Februar 1867 sich berühren und zusammenstimmen. In der letzteren zeigte er, daß das Recht der Ueberwachung sich nötigenfalls auch dahin ausdehnen könne, öffent¬ liche Versammlungen zu verbieten. Ein-c Inconsequenz ließ sich so wenig nach¬ weisen als eine Vcrfassnngsverletzung; giicasoli war derselbe, der er immer gewesen. Wenn er seht unterlag, so heilte das eben nur datin seinen Grund, daß sein Verhältniß zu dieser Kanuner schon lange ein gespanntes, unmögliches geworden war. Schon die Tatsache, daß die Kammcrmrhrheit, die in einer politischen Frage ersten Ranges aufgefordert war, über das Ministerium zu ent¬ scheiden, diese Gelegenheit' ablehnte und dagegen einen vechältnißnräßig unbe¬ deutenden Zwischenfall dazu benutzte, beweist schlagend, daß dieses Ministerium und diese Kammer nicht länger zusammengehe» konnten; es war im Grund gleichgiltig, bei welcher einzelnen Veranlassung die unvermeidliche Krisis ausbrach. Sie war unvermeidlich, daif man wohl sage», seitdem diese Kammer über¬ haupt bestand, und sie wäre ohne Zweifel längst ausgebrochen, wen» nicht der Krieg des vorigen Sommers die parlamentarischen Arbeitn», für längere Zeit suspendirt hätte. Seitdem das Wablresultat von, On.ober 1865 be¬ kannt war, konnte man sich ernster Besorgr.löse für die parlamentarische Zukunft des jungen Staats nicht erwehren. Man erinnert sich noch, welche allgemeine Ueberraschung dieses Resultat hervorrief. Die Regierung hatte sich jeder Ein¬ wirkung enthalten, sie hatte ihren Gegnern freies Feld gelassen, und so waren dir Wahlen überall unter dem Ruf! hinaus mit der Consorteria-d. h. hinaus mit den Resten der alten cavourschcn Mehrheit erfolgt. Eine Reihe von Ca-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/378>, abgerufen am 24.07.2024.