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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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fühvt wird, für das übrige Deutschland ebenso wichtig wie für die Ncichst-
bethciligten. i

Ein Geplänkel in der Presse ging dem förmlichen Ausbruch des Krieges
vorauf. Von den drei großen Blättern der Stadt nahmen dabei die Hamburger
Nachrichten für den Eintritt, in die Zolllinie Partei, die Börsenhalle und der
Hamburger Korrespondent gegen Denselben. Gleichzeitig erlich; das Commerz-
colleg, jetzige Handelskammer, ein Rundschreiben an zahlreiche bedeutende Häuser
aller Handelszweige, um deren Gutachten über die Frage zu erlangen. Diese
Gutachten sielen überwiegend zu Gunsten der bisherigen Freihasenstellung aus.
Die Hamburger Nachrichten ihrerseits schienen das Feuer bald einzustellen.
Allein wie 18S3 in Bremen, so bildete sich nun auch in Hamburg, nur viel
öffentlicher auftretend, ein förmlicher Verein für die Aufnahme der Stadt Ham¬
burg sammt ihrem Hafen in die allgemeine deutsche Zolllinie.' Diesem Verein
gegenüber erklärte der weit überwiegende Theil der Börse durch Unterschrift, er
halte an der Nothwendigkeit der Freihafenstellung fest.*) Die Auswahl der Pcir-
lamentecandidaten der Börsenparlei und des mit ihr gehenden Theils der demo¬
kratischen entsprach diesem Giaubcnsvckcnntniß in der augenblicklich brennend¬
sten Tagesfrage, während die Gegenpartei ebenfalls Männer ihrer Richtung als
Candidaten aufstellte. Bevor diese Zeilen zum Drucke gelangen, wird die Mehr¬
heitsprobe zwischen beiden Parteien entschieden haben. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß die große Mehrzahl des Handelsstandes im Augenblicke noch un¬
bedingt gegen den Eintritt in die Zolllinie ist. Auf der anderen Seite freilich
verräth Professor Aegidis Aufstellung durch die Anschlußsrcunde, daß unter den
letzteren recht einsichtsvolle, unbefangene und wohlgesinnte Gelehrte sind; ja
sogar noch eigentlichere Sachkenner als der genannte vortreffliche Mann be¬
urtheilen die Gefahren des Eintritts viel minder ungünstig, als die Börse im
Allgemeinen thut. Aber noch hallen diese vor allen berufenen Stimmen ihr
Urtheil vorsichtig zurück.'

Ganz das alte negative Verhältniß scheint übrigens niemand mehr auf¬
rechterhalten zu wollen. Das Ideal der Freihafcnmänner ist ein Vertrag, wie
er in Bremen nun seit Jahren zur Zufriedenheit aller ober jedenfalls beinahe
aller Interessenten besteht. Ohne ein Hauptzvllamt, eine zollfreie Niederlage
und ein Declarationsburcau glauben auch diejenigen, welche den Zollverein wie
einen Feind anzusehen gewohnt sind, nicht länger auskommen zu können. Da¬
nach würde denn auch Hamburg ein Freihafen des Zollvereins werden, wie es
Bremen bereits ist; aber freilich nicht, wie Bremen bis jetzt, kraft eines nur
auf bestimmte Zeit geschlossenen völkerrechtlichen Vertrages, sondern, wie Bremen
ebenfalls in Zukunft, kraft einer gesetzlichen Feststellung des norddeutschen Bundes,



") Das Flugblatt enthält gegen 1400 Namen.
Grenzboten I. 1867.4K

fühvt wird, für das übrige Deutschland ebenso wichtig wie für die Ncichst-
bethciligten. i

Ein Geplänkel in der Presse ging dem förmlichen Ausbruch des Krieges
vorauf. Von den drei großen Blättern der Stadt nahmen dabei die Hamburger
Nachrichten für den Eintritt, in die Zolllinie Partei, die Börsenhalle und der
Hamburger Korrespondent gegen Denselben. Gleichzeitig erlich; das Commerz-
colleg, jetzige Handelskammer, ein Rundschreiben an zahlreiche bedeutende Häuser
aller Handelszweige, um deren Gutachten über die Frage zu erlangen. Diese
Gutachten sielen überwiegend zu Gunsten der bisherigen Freihasenstellung aus.
Die Hamburger Nachrichten ihrerseits schienen das Feuer bald einzustellen.
Allein wie 18S3 in Bremen, so bildete sich nun auch in Hamburg, nur viel
öffentlicher auftretend, ein förmlicher Verein für die Aufnahme der Stadt Ham¬
burg sammt ihrem Hafen in die allgemeine deutsche Zolllinie.' Diesem Verein
gegenüber erklärte der weit überwiegende Theil der Börse durch Unterschrift, er
halte an der Nothwendigkeit der Freihafenstellung fest.*) Die Auswahl der Pcir-
lamentecandidaten der Börsenparlei und des mit ihr gehenden Theils der demo¬
kratischen entsprach diesem Giaubcnsvckcnntniß in der augenblicklich brennend¬
sten Tagesfrage, während die Gegenpartei ebenfalls Männer ihrer Richtung als
Candidaten aufstellte. Bevor diese Zeilen zum Drucke gelangen, wird die Mehr¬
heitsprobe zwischen beiden Parteien entschieden haben. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß die große Mehrzahl des Handelsstandes im Augenblicke noch un¬
bedingt gegen den Eintritt in die Zolllinie ist. Auf der anderen Seite freilich
verräth Professor Aegidis Aufstellung durch die Anschlußsrcunde, daß unter den
letzteren recht einsichtsvolle, unbefangene und wohlgesinnte Gelehrte sind; ja
sogar noch eigentlichere Sachkenner als der genannte vortreffliche Mann be¬
urtheilen die Gefahren des Eintritts viel minder ungünstig, als die Börse im
Allgemeinen thut. Aber noch hallen diese vor allen berufenen Stimmen ihr
Urtheil vorsichtig zurück.'

Ganz das alte negative Verhältniß scheint übrigens niemand mehr auf¬
rechterhalten zu wollen. Das Ideal der Freihafcnmänner ist ein Vertrag, wie
er in Bremen nun seit Jahren zur Zufriedenheit aller ober jedenfalls beinahe
aller Interessenten besteht. Ohne ein Hauptzvllamt, eine zollfreie Niederlage
und ein Declarationsburcau glauben auch diejenigen, welche den Zollverein wie
einen Feind anzusehen gewohnt sind, nicht länger auskommen zu können. Da¬
nach würde denn auch Hamburg ein Freihafen des Zollvereins werden, wie es
Bremen bereits ist; aber freilich nicht, wie Bremen bis jetzt, kraft eines nur
auf bestimmte Zeit geschlossenen völkerrechtlichen Vertrages, sondern, wie Bremen
ebenfalls in Zukunft, kraft einer gesetzlichen Feststellung des norddeutschen Bundes,



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/371>, abgerufen am 04.07.2024.