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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Czechen alliirten Partei so vergrößert, daß sie den Nerfassungsfreundlichen im-
ponirend entgegentrat und auch wirklich den Sieg davontrug. Durchweg
wurden, wenn auch nur mit geringer Stimmenmehrheit, die feudalen Kandi¬
daten durchgebracht. Unter diesen befinden sich nebst den beiden Hauptrepräsen-
tanten der feudalen Aristokratie Oestreichs, den Grafen Clam-Martinitz und Leo
Thun, die Fürsten Lobkowitz. Schwarzenberg. Fürstenberg, Thurm-Taxi?, die
Grafen Thun. Wratislcnv. Wolkenstein, Harrach, Nostiz. Kinsky u, in. A. Im
Ganzen sitzen nnn nicht weniger als 64 Adelige im böhmischen Landtage, denen
sich 13 Vertreter des geistlichen Standes gesellen, eine ultraconservative und zu¬
gleich czechische Phalanx, welche zu durchbrechen es mehr als eines Winkelrieds
bedürfen wird.

Aber eine erfreuliche Erscheinung haben wir bei den letzten Mahlgängen
doch zu registriren. deren Bedeutung nur nicht unterschätzein die feste Organisi-
ning der deutschen Partei im ganzen Lande. Die vom Centralcvmitv in
Prag, a" dessen Spitze Prof. Herbst steht, vorgeschlagenen Candidaten wurden
in den deutschen Bezirken überall gewählt, selbst in Orten, wo aus localen Rück¬
sichten diese Vorschläge nicbt genehm waren, entschied doch die Parteidisciplin
dafür. Sogar in den kleinsten Landbczirken zeigten die Bauer" so viel Beweise
ihres deutschen Bewußtseins, daß man nicht verkennen konnte, die trüben Er¬
eignisse der letzten Zeit haben in dieser Richtung läuternd gewirkt. Von deut¬
schem Bürgerstvlze zeigt es auch, daß Graf Franz Thun, der frühere Abgeordnete
von Tetschen, daselbst nicht wieder gewählt wurde, obwohl sein Vater, der Be¬
sitzer von Tetschen, die verzweifeltesten Anstrengungen machte, das Mandat seiner
"Unterthanen" zu erhalten. Graf Franz Thun hatte in der letzten Landtags¬
session mir den Eichen gestimmt und das verzieh ihm sein deutscher Wahlbezirk
nicht. Ebenso glänzend fiel in einem andern deutschen Wahlbezirke der Negic-
rungscandidat Baron Hesert, eine Hauptstütze der Feudalen und Klerikale" der
Residenz, d"res. Ueberhaupt waren die deutschen Wähler diesmal betreffs der
Wahl von Beamten sehr zurückhaltend und gaben nur jenen Wenige" ihre
Stimme, welche ans dem letzten Landtage trotz des SistirungSministeriuins tren
zur deutschen Sache gestanden hatten.

Neben den Deutschen hielten sich aber auch die Jsraeliten der Hauptstadt
recht wacker. Der von ihnen fast auss.'bließlieb bewohnte Bezirk Prags hat
nämlich zwei Landtagsabgeordnete zu wählen, und da rst leicht begreiflich, daß
die Czechen alle Hebel ni-Bewegung setzten, um die Jsraeliten für die "natio¬
nale Sache" zu gewinnen. Da Versprechungen nichts halfen, nahmen ihre
Organe zu Drohungen ihre Zuflucht und stellten für den Fall, daß im Ghetto
deutsch ge'wählt würde, neue Variationen der religiösen Toleranz in Aussicht,
welches bekanntlich zu den "historischen Individualitäten" Prags gehört. End.
>>es wollte man sich czcchischcrseits zu einem Kompromiß verständigen. Die


Czechen alliirten Partei so vergrößert, daß sie den Nerfassungsfreundlichen im-
ponirend entgegentrat und auch wirklich den Sieg davontrug. Durchweg
wurden, wenn auch nur mit geringer Stimmenmehrheit, die feudalen Kandi¬
daten durchgebracht. Unter diesen befinden sich nebst den beiden Hauptrepräsen-
tanten der feudalen Aristokratie Oestreichs, den Grafen Clam-Martinitz und Leo
Thun, die Fürsten Lobkowitz. Schwarzenberg. Fürstenberg, Thurm-Taxi?, die
Grafen Thun. Wratislcnv. Wolkenstein, Harrach, Nostiz. Kinsky u, in. A. Im
Ganzen sitzen nnn nicht weniger als 64 Adelige im böhmischen Landtage, denen
sich 13 Vertreter des geistlichen Standes gesellen, eine ultraconservative und zu¬
gleich czechische Phalanx, welche zu durchbrechen es mehr als eines Winkelrieds
bedürfen wird.

Aber eine erfreuliche Erscheinung haben wir bei den letzten Mahlgängen
doch zu registriren. deren Bedeutung nur nicht unterschätzein die feste Organisi-
ning der deutschen Partei im ganzen Lande. Die vom Centralcvmitv in
Prag, a» dessen Spitze Prof. Herbst steht, vorgeschlagenen Candidaten wurden
in den deutschen Bezirken überall gewählt, selbst in Orten, wo aus localen Rück¬
sichten diese Vorschläge nicbt genehm waren, entschied doch die Parteidisciplin
dafür. Sogar in den kleinsten Landbczirken zeigten die Bauer» so viel Beweise
ihres deutschen Bewußtseins, daß man nicht verkennen konnte, die trüben Er¬
eignisse der letzten Zeit haben in dieser Richtung läuternd gewirkt. Von deut¬
schem Bürgerstvlze zeigt es auch, daß Graf Franz Thun, der frühere Abgeordnete
von Tetschen, daselbst nicht wieder gewählt wurde, obwohl sein Vater, der Be¬
sitzer von Tetschen, die verzweifeltesten Anstrengungen machte, das Mandat seiner
„Unterthanen" zu erhalten. Graf Franz Thun hatte in der letzten Landtags¬
session mir den Eichen gestimmt und das verzieh ihm sein deutscher Wahlbezirk
nicht. Ebenso glänzend fiel in einem andern deutschen Wahlbezirke der Negic-
rungscandidat Baron Hesert, eine Hauptstütze der Feudalen und Klerikale» der
Residenz, d»res. Ueberhaupt waren die deutschen Wähler diesmal betreffs der
Wahl von Beamten sehr zurückhaltend und gaben nur jenen Wenige» ihre
Stimme, welche ans dem letzten Landtage trotz des SistirungSministeriuins tren
zur deutschen Sache gestanden hatten.

Neben den Deutschen hielten sich aber auch die Jsraeliten der Hauptstadt
recht wacker. Der von ihnen fast auss.'bließlieb bewohnte Bezirk Prags hat
nämlich zwei Landtagsabgeordnete zu wählen, und da rst leicht begreiflich, daß
die Czechen alle Hebel ni-Bewegung setzten, um die Jsraeliten für die „natio¬
nale Sache" zu gewinnen. Da Versprechungen nichts halfen, nahmen ihre
Organe zu Drohungen ihre Zuflucht und stellten für den Fall, daß im Ghetto
deutsch ge'wählt würde, neue Variationen der religiösen Toleranz in Aussicht,
welches bekanntlich zu den „historischen Individualitäten" Prags gehört. End.
>>es wollte man sich czcchischcrseits zu einem Kompromiß verständigen. Die


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[0329] Czechen alliirten Partei so vergrößert, daß sie den Nerfassungsfreundlichen im- ponirend entgegentrat und auch wirklich den Sieg davontrug. Durchweg wurden, wenn auch nur mit geringer Stimmenmehrheit, die feudalen Kandi¬ daten durchgebracht. Unter diesen befinden sich nebst den beiden Hauptrepräsen- tanten der feudalen Aristokratie Oestreichs, den Grafen Clam-Martinitz und Leo Thun, die Fürsten Lobkowitz. Schwarzenberg. Fürstenberg, Thurm-Taxi?, die Grafen Thun. Wratislcnv. Wolkenstein, Harrach, Nostiz. Kinsky u, in. A. Im Ganzen sitzen nnn nicht weniger als 64 Adelige im böhmischen Landtage, denen sich 13 Vertreter des geistlichen Standes gesellen, eine ultraconservative und zu¬ gleich czechische Phalanx, welche zu durchbrechen es mehr als eines Winkelrieds bedürfen wird. Aber eine erfreuliche Erscheinung haben wir bei den letzten Mahlgängen doch zu registriren. deren Bedeutung nur nicht unterschätzein die feste Organisi- ning der deutschen Partei im ganzen Lande. Die vom Centralcvmitv in Prag, a» dessen Spitze Prof. Herbst steht, vorgeschlagenen Candidaten wurden in den deutschen Bezirken überall gewählt, selbst in Orten, wo aus localen Rück¬ sichten diese Vorschläge nicbt genehm waren, entschied doch die Parteidisciplin dafür. Sogar in den kleinsten Landbczirken zeigten die Bauer» so viel Beweise ihres deutschen Bewußtseins, daß man nicht verkennen konnte, die trüben Er¬ eignisse der letzten Zeit haben in dieser Richtung läuternd gewirkt. Von deut¬ schem Bürgerstvlze zeigt es auch, daß Graf Franz Thun, der frühere Abgeordnete von Tetschen, daselbst nicht wieder gewählt wurde, obwohl sein Vater, der Be¬ sitzer von Tetschen, die verzweifeltesten Anstrengungen machte, das Mandat seiner „Unterthanen" zu erhalten. Graf Franz Thun hatte in der letzten Landtags¬ session mir den Eichen gestimmt und das verzieh ihm sein deutscher Wahlbezirk nicht. Ebenso glänzend fiel in einem andern deutschen Wahlbezirke der Negic- rungscandidat Baron Hesert, eine Hauptstütze der Feudalen und Klerikale» der Residenz, d»res. Ueberhaupt waren die deutschen Wähler diesmal betreffs der Wahl von Beamten sehr zurückhaltend und gaben nur jenen Wenige» ihre Stimme, welche ans dem letzten Landtage trotz des SistirungSministeriuins tren zur deutschen Sache gestanden hatten. Neben den Deutschen hielten sich aber auch die Jsraeliten der Hauptstadt recht wacker. Der von ihnen fast auss.'bließlieb bewohnte Bezirk Prags hat nämlich zwei Landtagsabgeordnete zu wählen, und da rst leicht begreiflich, daß die Czechen alle Hebel ni-Bewegung setzten, um die Jsraeliten für die „natio¬ nale Sache" zu gewinnen. Da Versprechungen nichts halfen, nahmen ihre Organe zu Drohungen ihre Zuflucht und stellten für den Fall, daß im Ghetto deutsch ge'wählt würde, neue Variationen der religiösen Toleranz in Aussicht, welches bekanntlich zu den „historischen Individualitäten" Prags gehört. End. >>es wollte man sich czcchischcrseits zu einem Kompromiß verständigen. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/329>, abgerufen am 02.07.2024.