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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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sich bis dahin erfreut hatte. Während der ersten Regierungsjahre des Königs-
galt er -- und mit Recht -- für einen der redlichsten und patriotischesten Rath¬
geber des Monarchen, für einen unerschrockenen Gegner der haugwitzschen
Politik, für einen Mann der Volkspartei, der ein offenes Ohr für die
Wünsche und Nöthe der Classen hatte, die systematisch von aller Theilnahme
und allen Vortheilen des staatlichen Lebens ausgeschlossen waren. An diesen
Mann wandte sich im November 1803, ein Jahr vor der Schlacht bei Jena, ein
berliner Schriftsteller, den man heute nur noch als Verlästerer Goethes und
der Romantiker kennt, der aber zu den wenigen gehörte, die einen klaren Einblick
in die damalige Lage der Dinge hatten, -- Garlieb Merkel, der Redacteur
des "Freimüthigen," -- um von der Regierung Mittel zur Begründung eines
Volksblattes zu erbitten, dessen leitender Gedanke die Wiedererweckung eines
kriegerisch-patriotischen Sinnes, die Vorbereitung eines Volkskrieges gegen die
Franzosen sein sollte.

Die enge Grenze, welche diesen Blättern gesteckt ist, verbietet uns, auf die
Persönlichkeit und die damalige Wirksamkeit Merkels einzugehen.') Für unsern
Zweck genügt die Bemerkung, daß der Freymüthige zu den verbreitetsten Jour¬
nalen der damaligen Zeit gehörte. Er zerfiel in zwei Theile, einen literarischen,
der die Bekämpfung Goethes und der Romantiker und die Anpreisung der
"alten Schule" zu seiner traurigen Aufgabe gemacht hatte und einen politischen,
der den wunderlichen Titel ..Unpolitische Zeitung" führte und die Bekämpfung
Napoleons und der französischen Politik mit seltener Zähigkeit und einem da¬
mals unerhörten Muth verfolgte. Jenes Blatt war das erste deutsche Organ,
das eine umständliche Veröffentlichung über die Ermordung Palus gewagt und
mit einem flammenden Aufruf zur Erhebung aller Deutschen gegen den fran¬
zösischen Unterdrücker begleitet hatte, jede Nummer desselben enthielt boshafte
Ausfälle auf die Franzosen und die Nheinbundfürstcn, Reminiscenzen an die
alte Herrlichkeit Preußens, patriotische Lieder und Gedichte zur Belebung des
Nationalgefühls. Neben dem mehr berüchtigten als berühmten Kohcbue zählten
Alexander v. Humboldt, Johannes v. Müller, Böttiger u. a. zu seinen Mitarbei¬
tern. Einfluß und Wirkung des Freimüthigen wird am besten durch die An¬
führung der Thatsachen bezeichnet, daß der Herausgeber desselben auf das aus¬
drückliche Verlangen Schulenburgs Berlin an dem Tage nach der jenaer Schlacht
verlassen mußte und noch sieben Jahren später von den nach Rußland einge-
drungenen Franzosen verfolgt wurde.

Der Hauptgedanke, den Merkel in seiner publicistischen Thätigkeit (insoweit
dieselbe nicht rein literarischer Natur war) verfolgte, war die Herbeiführung einer



") Man vergleiche über diesen Gegenstand- "York und Paulucci. Actenstücke und
Beiträge zur Geschichte der Convention von T-mroggcn. Aus dem Nachlaß Gcirlicb
Merkels herausgegeben und bevorwortet von Julius Eckardt." (Leipzig bei Veit u. Comp.)

sich bis dahin erfreut hatte. Während der ersten Regierungsjahre des Königs-
galt er — und mit Recht — für einen der redlichsten und patriotischesten Rath¬
geber des Monarchen, für einen unerschrockenen Gegner der haugwitzschen
Politik, für einen Mann der Volkspartei, der ein offenes Ohr für die
Wünsche und Nöthe der Classen hatte, die systematisch von aller Theilnahme
und allen Vortheilen des staatlichen Lebens ausgeschlossen waren. An diesen
Mann wandte sich im November 1803, ein Jahr vor der Schlacht bei Jena, ein
berliner Schriftsteller, den man heute nur noch als Verlästerer Goethes und
der Romantiker kennt, der aber zu den wenigen gehörte, die einen klaren Einblick
in die damalige Lage der Dinge hatten, — Garlieb Merkel, der Redacteur
des „Freimüthigen," — um von der Regierung Mittel zur Begründung eines
Volksblattes zu erbitten, dessen leitender Gedanke die Wiedererweckung eines
kriegerisch-patriotischen Sinnes, die Vorbereitung eines Volkskrieges gegen die
Franzosen sein sollte.

Die enge Grenze, welche diesen Blättern gesteckt ist, verbietet uns, auf die
Persönlichkeit und die damalige Wirksamkeit Merkels einzugehen.') Für unsern
Zweck genügt die Bemerkung, daß der Freymüthige zu den verbreitetsten Jour¬
nalen der damaligen Zeit gehörte. Er zerfiel in zwei Theile, einen literarischen,
der die Bekämpfung Goethes und der Romantiker und die Anpreisung der
„alten Schule" zu seiner traurigen Aufgabe gemacht hatte und einen politischen,
der den wunderlichen Titel ..Unpolitische Zeitung" führte und die Bekämpfung
Napoleons und der französischen Politik mit seltener Zähigkeit und einem da¬
mals unerhörten Muth verfolgte. Jenes Blatt war das erste deutsche Organ,
das eine umständliche Veröffentlichung über die Ermordung Palus gewagt und
mit einem flammenden Aufruf zur Erhebung aller Deutschen gegen den fran¬
zösischen Unterdrücker begleitet hatte, jede Nummer desselben enthielt boshafte
Ausfälle auf die Franzosen und die Nheinbundfürstcn, Reminiscenzen an die
alte Herrlichkeit Preußens, patriotische Lieder und Gedichte zur Belebung des
Nationalgefühls. Neben dem mehr berüchtigten als berühmten Kohcbue zählten
Alexander v. Humboldt, Johannes v. Müller, Böttiger u. a. zu seinen Mitarbei¬
tern. Einfluß und Wirkung des Freimüthigen wird am besten durch die An¬
führung der Thatsachen bezeichnet, daß der Herausgeber desselben auf das aus¬
drückliche Verlangen Schulenburgs Berlin an dem Tage nach der jenaer Schlacht
verlassen mußte und noch sieben Jahren später von den nach Rußland einge-
drungenen Franzosen verfolgt wurde.

Der Hauptgedanke, den Merkel in seiner publicistischen Thätigkeit (insoweit
dieselbe nicht rein literarischer Natur war) verfolgte, war die Herbeiführung einer



") Man vergleiche über diesen Gegenstand- „York und Paulucci. Actenstücke und
Beiträge zur Geschichte der Convention von T-mroggcn. Aus dem Nachlaß Gcirlicb
Merkels herausgegeben und bevorwortet von Julius Eckardt." (Leipzig bei Veit u. Comp.)
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/30>, abgerufen am 26.08.2024.