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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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heit der Monarchie Friedrichs des Großen Muth zu machen. -- Die ernsten
Warnungsstimmen Steins und der Wenigen, die gleich ihm klar zu sehen den
Muth hatten, wurden als unpatriotische Verkleinerungen der Macht und Größe
des Vaterlandes ärgerlich überhört und nur ihrer bevorzugten Stellung hatten
jene Patrioten es zu danken, daß ihre Zweifel an der Unfehlbarkeit der Re¬
gierungsweisheit straflos blieben.

Die Geschichte jener traurigen Zeit ist ihren Hauptzügen nach längst bekannt,
die Lehre, die man aus ihr gezogen, eine so folgenreiche gewesen, daß der
Mangel freudigen Zusammengehens von Volk und Regierung auch unter sonst
grundverschiedenen Verhältnissen zu Warnungen vor einem zweiten politischen
Bankerott des preußischen Staats führen konnte. Jener gedankenlose Optimismus,
der zu den charakteristischsten Merkmalen des aueier" r6Ziu<z wie verkommener
Regierungen und Völker überhaupt gehört, dieses Mal war er nicht im preu¬
ßischen Lager, sondern bei denen zu Hause, die es "im deutschen Interesse" für
nothwendig hielten, dem mächtigsten und lebenskräftigsten der deutschen Staaten
ein zweites Jena zu bereiten! Immerhin wird man auch in Preußen wohl
daran thun, die Erinnerung an die Zeiten der Haugwitz und Lombard als
warnendes Exempel im Gedächtniß zu behalten und die großen Erfolge des
Sommers 1866 davor zu bewahren, den preußischen Staatsmännern eine Quelle
ähnlicher Selbstverblendung zu werden, wie sie der siebenjährige Krieg den Mi¬
nistern Friedrich Wilhelm des Dritten war. Die Befangenheit in dem Gedanken, daß
eine von einer starken Armee gestützte Regierung an sich selbst genug habe, daß
große Traditionen dazu hinreichten, den patriotischen Sinn des Volks wach zu
erhalten, daß es nicht darauf ankomme, die Beziehungen zu demselben durch
ununterbrochene Kenntnißnahme und Berücksichtigung der nationalen Wünsche
wach zu erhalten. -- sie beschränkte sich in der Blüthezeit des alten Systems
keineswegs auf exklusive Hof- und Militärkreise, sie war auch bei Männern zu
finden, deren Patriotismus außer Zweifel stand, die sich wohl rühmen dursten,
Erben der altpreußischen Tüchtigkeit, Berufstreue und Thatkraft zu sein. Einen
redenden Beweis dafür glauben wir in dem Actenstücke zu besitzen, das die
Veranlassung zu den vorstehenden Bemerkungen bietet.

In der Reihe der Männer, die Friedrich Wilhelm der Dritte um seinen Thron
versammelt hatte, um das Werk der Neugestaltung des unter seinem Vorgänger
verkümmerten Staatslebens durchzuführen, nimmt der Cabinetsrath, spätere
Justizminister und Großkanzler Beyme einen ehrenvollen Platz ein. Es ist be¬
kannt, daß die Berufung Steins von Beyme lebhaft unterstützt wurde und daß
dieser Mann, auch als er später zu dem großen Reorganisator Preußens in
entschiedenen Gegensatz trat, aufgeklärt und patriotisch genug war, diesem das
Feld zu räumen und seine Stellung im königlichen Cabinet mit einem höheren
Justizamt zu vertauschen, das ihn um den politischen Einfluß brachte, dessen er


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heit der Monarchie Friedrichs des Großen Muth zu machen. — Die ernsten
Warnungsstimmen Steins und der Wenigen, die gleich ihm klar zu sehen den
Muth hatten, wurden als unpatriotische Verkleinerungen der Macht und Größe
des Vaterlandes ärgerlich überhört und nur ihrer bevorzugten Stellung hatten
jene Patrioten es zu danken, daß ihre Zweifel an der Unfehlbarkeit der Re¬
gierungsweisheit straflos blieben.

Die Geschichte jener traurigen Zeit ist ihren Hauptzügen nach längst bekannt,
die Lehre, die man aus ihr gezogen, eine so folgenreiche gewesen, daß der
Mangel freudigen Zusammengehens von Volk und Regierung auch unter sonst
grundverschiedenen Verhältnissen zu Warnungen vor einem zweiten politischen
Bankerott des preußischen Staats führen konnte. Jener gedankenlose Optimismus,
der zu den charakteristischsten Merkmalen des aueier» r6Ziu<z wie verkommener
Regierungen und Völker überhaupt gehört, dieses Mal war er nicht im preu¬
ßischen Lager, sondern bei denen zu Hause, die es „im deutschen Interesse" für
nothwendig hielten, dem mächtigsten und lebenskräftigsten der deutschen Staaten
ein zweites Jena zu bereiten! Immerhin wird man auch in Preußen wohl
daran thun, die Erinnerung an die Zeiten der Haugwitz und Lombard als
warnendes Exempel im Gedächtniß zu behalten und die großen Erfolge des
Sommers 1866 davor zu bewahren, den preußischen Staatsmännern eine Quelle
ähnlicher Selbstverblendung zu werden, wie sie der siebenjährige Krieg den Mi¬
nistern Friedrich Wilhelm des Dritten war. Die Befangenheit in dem Gedanken, daß
eine von einer starken Armee gestützte Regierung an sich selbst genug habe, daß
große Traditionen dazu hinreichten, den patriotischen Sinn des Volks wach zu
erhalten, daß es nicht darauf ankomme, die Beziehungen zu demselben durch
ununterbrochene Kenntnißnahme und Berücksichtigung der nationalen Wünsche
wach zu erhalten. — sie beschränkte sich in der Blüthezeit des alten Systems
keineswegs auf exklusive Hof- und Militärkreise, sie war auch bei Männern zu
finden, deren Patriotismus außer Zweifel stand, die sich wohl rühmen dursten,
Erben der altpreußischen Tüchtigkeit, Berufstreue und Thatkraft zu sein. Einen
redenden Beweis dafür glauben wir in dem Actenstücke zu besitzen, das die
Veranlassung zu den vorstehenden Bemerkungen bietet.

In der Reihe der Männer, die Friedrich Wilhelm der Dritte um seinen Thron
versammelt hatte, um das Werk der Neugestaltung des unter seinem Vorgänger
verkümmerten Staatslebens durchzuführen, nimmt der Cabinetsrath, spätere
Justizminister und Großkanzler Beyme einen ehrenvollen Platz ein. Es ist be¬
kannt, daß die Berufung Steins von Beyme lebhaft unterstützt wurde und daß
dieser Mann, auch als er später zu dem großen Reorganisator Preußens in
entschiedenen Gegensatz trat, aufgeklärt und patriotisch genug war, diesem das
Feld zu räumen und seine Stellung im königlichen Cabinet mit einem höheren
Justizamt zu vertauschen, das ihn um den politischen Einfluß brachte, dessen er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/29>, abgerufen am 26.08.2024.