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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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vvlkerungsverhältnissc Böhmens in national"' Beziehung", "Karl des Vierten
Ordnung der Nachfolge im Reiche", "Böhmen'vor Einwanderung der Czechen
bis zur Unterwerfung durch Karl den Großen", "Das böhmische Königthum".

I" jüngster Zeit hat ein gewisses Aufsehen eine Reihe höchst interessanter
Abhandlungen von Dr. Schlesinger erregt: "Die Dcutschböhmen und
die przemyslidische Regierung", welche auch besonders die eigenthüm¬
liche und viel zu wenig gewürdigte Erscheinung in der böhmischen Geschichte
betont, de>h grade durch die einzige dem czcchischcn Volke entsprossene Dynastie
das Deutschthum in Böhmen mit außerordentlichen Freiheiten privilegirt und
als wahres Schoßkind der Regierung mit der liebreichsten Sorgfalt gehegt und
gepflegt wurde.

Diese Abhandlungen gaben nun Veranlassung zu den schmählichsten Ver¬
dächtigungen der Tendenzen des deutschen Gcschichtsvcreines, welcher den Czechen
stets ein Stein des Anstoßes ist. Um zu zeigen, mit welchen Waffen die Feinde
deutschen Wesens in Böhmen kämpfen, glauben nur den Inhalt der Schmäh¬
artikel reproduciren zu dürfen, welche anläßlich jener Abhandlungen gegen den
Verein geschleudert wurden.

Das in deutscher Sprache erscheinende Organ der czcchischcn Partei sagt
nämlich unter anderem: "Es existirt hier bekanntlich ein Verein, der sich der
Verein der Geschichte der Deutschen in Böhmen nennt, wobei er also schon
durch seinen Namen ostensiv andeutet, daß er nichts von Dentschböhmcn, son¬
dern eben nur von solchen Eingewanderten wissen will, welche Böhmen für
eine gute Prise, für das Land reicher Ausbeute halten. Wir zweifeln nicht,
daß freilich sehr viele, die diesem Vereine beigetreten sind, ihm aus ehrlichen,
guten Absichten beitraten, ohne an das Ominöse der Wahl seines Titels zu
denken. Wir zweifeln nicht, daß diese ehrenwerthen Elemente erröthen werden,
wenn sie sich darüber klar werden, was man ihnen von gewisser Seite bereits
zu bieten, zu imputircn wagt." Im weiteren Verlause jener Schmähartikel
wird der Abhandlung des Dr. Schlesinger ein "wahrhaft hochverräterischer In¬
halt" vorgeworfen und den Dcutschböhmen die Mahnung zugerufen, das Geld
aus ihrer Tasche nicht dazu herzugeben, nur "in den Mittheilungen des Vereins
für Geschichte der Deutschen in Böhmen eine noch dazu sehr ungeschickte Preu¬
ßische Propaganda zu bezahlen."

Fragt man aber, wie solches Wuthgeschrei über Hochverrath durch jene
Abhandlung begründet werde, so muß man über die Bcrdrehungskünste der
czechischen Organe staunen. Der deutsche GeschichtSvcrcin hätte jeizt. so schreit
das Czechenblatt. gar nichts in die Zeitschrift aufnehmen sollen, was des ersten
Einfalles der Brandenburger in Böhmen gedenkt und "ihn sogar in ein civili-
satorischcs Licht zu stellen sucht". Am meisten entsetzt nud in seinem czcchischcn
Patriotcnstolze gekränkt stellt sich das nationale Org.-in, über folgenden Passus


vvlkerungsverhältnissc Böhmens in national«' Beziehung", „Karl des Vierten
Ordnung der Nachfolge im Reiche", „Böhmen'vor Einwanderung der Czechen
bis zur Unterwerfung durch Karl den Großen", „Das böhmische Königthum".

I» jüngster Zeit hat ein gewisses Aufsehen eine Reihe höchst interessanter
Abhandlungen von Dr. Schlesinger erregt: „Die Dcutschböhmen und
die przemyslidische Regierung", welche auch besonders die eigenthüm¬
liche und viel zu wenig gewürdigte Erscheinung in der böhmischen Geschichte
betont, de>h grade durch die einzige dem czcchischcn Volke entsprossene Dynastie
das Deutschthum in Böhmen mit außerordentlichen Freiheiten privilegirt und
als wahres Schoßkind der Regierung mit der liebreichsten Sorgfalt gehegt und
gepflegt wurde.

Diese Abhandlungen gaben nun Veranlassung zu den schmählichsten Ver¬
dächtigungen der Tendenzen des deutschen Gcschichtsvcreines, welcher den Czechen
stets ein Stein des Anstoßes ist. Um zu zeigen, mit welchen Waffen die Feinde
deutschen Wesens in Böhmen kämpfen, glauben nur den Inhalt der Schmäh¬
artikel reproduciren zu dürfen, welche anläßlich jener Abhandlungen gegen den
Verein geschleudert wurden.

Das in deutscher Sprache erscheinende Organ der czcchischcn Partei sagt
nämlich unter anderem: „Es existirt hier bekanntlich ein Verein, der sich der
Verein der Geschichte der Deutschen in Böhmen nennt, wobei er also schon
durch seinen Namen ostensiv andeutet, daß er nichts von Dentschböhmcn, son¬
dern eben nur von solchen Eingewanderten wissen will, welche Böhmen für
eine gute Prise, für das Land reicher Ausbeute halten. Wir zweifeln nicht,
daß freilich sehr viele, die diesem Vereine beigetreten sind, ihm aus ehrlichen,
guten Absichten beitraten, ohne an das Ominöse der Wahl seines Titels zu
denken. Wir zweifeln nicht, daß diese ehrenwerthen Elemente erröthen werden,
wenn sie sich darüber klar werden, was man ihnen von gewisser Seite bereits
zu bieten, zu imputircn wagt." Im weiteren Verlause jener Schmähartikel
wird der Abhandlung des Dr. Schlesinger ein „wahrhaft hochverräterischer In¬
halt" vorgeworfen und den Dcutschböhmen die Mahnung zugerufen, das Geld
aus ihrer Tasche nicht dazu herzugeben, nur „in den Mittheilungen des Vereins
für Geschichte der Deutschen in Böhmen eine noch dazu sehr ungeschickte Preu¬
ßische Propaganda zu bezahlen."

Fragt man aber, wie solches Wuthgeschrei über Hochverrath durch jene
Abhandlung begründet werde, so muß man über die Bcrdrehungskünste der
czechischen Organe staunen. Der deutsche GeschichtSvcrcin hätte jeizt. so schreit
das Czechenblatt. gar nichts in die Zeitschrift aufnehmen sollen, was des ersten
Einfalles der Brandenburger in Böhmen gedenkt und „ihn sogar in ein civili-
satorischcs Licht zu stellen sucht". Am meisten entsetzt nud in seinem czcchischcn
Patriotcnstolze gekränkt stellt sich das nationale Org.-in, über folgenden Passus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/220>, abgerufen am 28.09.2024.