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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Nun geht die obige Abhandlung gründlich auf das Wesen der Ferdinandtischen
Landesordnung ein und vernichtet mit unbarmherziger Hand alle an sie ge¬
knüpfte Illusionen. Das "historische Recht", worauf die Czechen ewig pochen,
ist darnach weiter nichts als Anspruch auf eine Ständeversammlung, die fast
ausschließlich aus Adeligen und Kirchenfürsten besteht und die sich zwei Jahr¬
hunderte hindurch als einen Hort reactionärer Anschauung erwiesen hat; nach
jener Landesordnung ist das jus leßis tsrenäae, das Recht Gesetze zu geben
und die Landesordnung abzuändern, ausdrücklich dem Könige vorbehalten, nach
der Ferdinandeischen Landesordnung war der Bauer unterthänig, der Grund¬
herr übte aber das Recht der erblichen Gerichtsbarkeit, das Jagdrecht, daS Holz,
schlagsrecht, das Propinationsrecht aus. Wie man an ein solches "historisches Recht"
von czechischer Seite wieder anknüpfen, was man aus demselben entwickeln will, ist
völlig unbegreiflich und die einzige Möglichkeit, aus dem mittelalterlichen Wirrsal.
wie es vor dem Jahre 1848 in Böhmen herrschte, herauszukommen, war die,
daß der Kaiser von Oestreich als König von Böhmen sein historisches Recht,
die Landesordnung selbständig abzuändern, zum letzten Male anwandte, um die
ständische Verfassung zu beseitigen und die Februarverfaflung an ihre Stelle zu
setzen. Alle die pomphaften Proteste der Czechen gegen diese Verfassung find
darum auch nichtig. Bestehen sie in ungebührlicher Copiruug der Ungarn auf
ihrem Scheine, fit würden bald einsehen -- oder wenn nicht einsehen, doch
fühlen --, welche" Danaergeschenk sie sich herbeigewünscht. Sehr verdienstlich
war, daß bei Beantwortung der kurzweiligen Frage: .Haben die Deutschen eine
Geschichte in Böhmen?" -- die recht deutlich die kindische Verachtung der Czechen
gegen ihre Nebensassen charakterisirt -- mit einem Hinweis darauf geantwortet
wurde, was das deutsche Element den übermüthigen Stiefgeschwistern geschicht¬
lich bedeutet. Der Verfasser jener unter obigem Titel im Vereinsorgan erschie¬
nenen Abhandlung läßt sichs nicht verdrießen, dem von czechischer Seite den
Deutschböhmen gemachten Vorwurfe geschichtlicher Sterilität mit dem erneuten
Nachweise zu begegnen, daß die Deutschen in Böhmen den Ausschwung de"
Städtewesens gefördert, zum Sturze des Feudalsystem" wesentlich beigetragen
und den Boden für eine freiheitliche Neugestaltung geebnet haben, daß sie den
beträchtlichsten Theil der materiellen und geistigen Güter, die Böhmen besitzt,
hervorbringen und endlich durch ihre Großindustrie daS Material zu einem
künftigen Umbau der socialen Welt mit herbeischaffen. An solche Verdienste
des Bruders und Genossen erst erinnert werden zu müssen, sollte schamroth
machen.

Wir erwähnen nur noch von größeren Arbeiten des Vereins, welche auch
in weiteren Kreisen historisch.politisches Interesse bieten: "Das deutsche Städte¬
wesen und sein politischer und socialer Einfluß auf Land und Volk in Böhmen
und seinen Nebenländcrn", "Bemerkungen über die allmälige Gestaltung der Be-


BltNjbottn I. 1867. 27

Nun geht die obige Abhandlung gründlich auf das Wesen der Ferdinandtischen
Landesordnung ein und vernichtet mit unbarmherziger Hand alle an sie ge¬
knüpfte Illusionen. Das „historische Recht", worauf die Czechen ewig pochen,
ist darnach weiter nichts als Anspruch auf eine Ständeversammlung, die fast
ausschließlich aus Adeligen und Kirchenfürsten besteht und die sich zwei Jahr¬
hunderte hindurch als einen Hort reactionärer Anschauung erwiesen hat; nach
jener Landesordnung ist das jus leßis tsrenäae, das Recht Gesetze zu geben
und die Landesordnung abzuändern, ausdrücklich dem Könige vorbehalten, nach
der Ferdinandeischen Landesordnung war der Bauer unterthänig, der Grund¬
herr übte aber das Recht der erblichen Gerichtsbarkeit, das Jagdrecht, daS Holz,
schlagsrecht, das Propinationsrecht aus. Wie man an ein solches „historisches Recht"
von czechischer Seite wieder anknüpfen, was man aus demselben entwickeln will, ist
völlig unbegreiflich und die einzige Möglichkeit, aus dem mittelalterlichen Wirrsal.
wie es vor dem Jahre 1848 in Böhmen herrschte, herauszukommen, war die,
daß der Kaiser von Oestreich als König von Böhmen sein historisches Recht,
die Landesordnung selbständig abzuändern, zum letzten Male anwandte, um die
ständische Verfassung zu beseitigen und die Februarverfaflung an ihre Stelle zu
setzen. Alle die pomphaften Proteste der Czechen gegen diese Verfassung find
darum auch nichtig. Bestehen sie in ungebührlicher Copiruug der Ungarn auf
ihrem Scheine, fit würden bald einsehen — oder wenn nicht einsehen, doch
fühlen —, welche» Danaergeschenk sie sich herbeigewünscht. Sehr verdienstlich
war, daß bei Beantwortung der kurzweiligen Frage: .Haben die Deutschen eine
Geschichte in Böhmen?" — die recht deutlich die kindische Verachtung der Czechen
gegen ihre Nebensassen charakterisirt — mit einem Hinweis darauf geantwortet
wurde, was das deutsche Element den übermüthigen Stiefgeschwistern geschicht¬
lich bedeutet. Der Verfasser jener unter obigem Titel im Vereinsorgan erschie¬
nenen Abhandlung läßt sichs nicht verdrießen, dem von czechischer Seite den
Deutschböhmen gemachten Vorwurfe geschichtlicher Sterilität mit dem erneuten
Nachweise zu begegnen, daß die Deutschen in Böhmen den Ausschwung de«
Städtewesens gefördert, zum Sturze des Feudalsystem» wesentlich beigetragen
und den Boden für eine freiheitliche Neugestaltung geebnet haben, daß sie den
beträchtlichsten Theil der materiellen und geistigen Güter, die Böhmen besitzt,
hervorbringen und endlich durch ihre Großindustrie daS Material zu einem
künftigen Umbau der socialen Welt mit herbeischaffen. An solche Verdienste
des Bruders und Genossen erst erinnert werden zu müssen, sollte schamroth
machen.

Wir erwähnen nur noch von größeren Arbeiten des Vereins, welche auch
in weiteren Kreisen historisch.politisches Interesse bieten: „Das deutsche Städte¬
wesen und sein politischer und socialer Einfluß auf Land und Volk in Böhmen
und seinen Nebenländcrn", „Bemerkungen über die allmälige Gestaltung der Be-


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[0219] Nun geht die obige Abhandlung gründlich auf das Wesen der Ferdinandtischen Landesordnung ein und vernichtet mit unbarmherziger Hand alle an sie ge¬ knüpfte Illusionen. Das „historische Recht", worauf die Czechen ewig pochen, ist darnach weiter nichts als Anspruch auf eine Ständeversammlung, die fast ausschließlich aus Adeligen und Kirchenfürsten besteht und die sich zwei Jahr¬ hunderte hindurch als einen Hort reactionärer Anschauung erwiesen hat; nach jener Landesordnung ist das jus leßis tsrenäae, das Recht Gesetze zu geben und die Landesordnung abzuändern, ausdrücklich dem Könige vorbehalten, nach der Ferdinandeischen Landesordnung war der Bauer unterthänig, der Grund¬ herr übte aber das Recht der erblichen Gerichtsbarkeit, das Jagdrecht, daS Holz, schlagsrecht, das Propinationsrecht aus. Wie man an ein solches „historisches Recht" von czechischer Seite wieder anknüpfen, was man aus demselben entwickeln will, ist völlig unbegreiflich und die einzige Möglichkeit, aus dem mittelalterlichen Wirrsal. wie es vor dem Jahre 1848 in Böhmen herrschte, herauszukommen, war die, daß der Kaiser von Oestreich als König von Böhmen sein historisches Recht, die Landesordnung selbständig abzuändern, zum letzten Male anwandte, um die ständische Verfassung zu beseitigen und die Februarverfaflung an ihre Stelle zu setzen. Alle die pomphaften Proteste der Czechen gegen diese Verfassung find darum auch nichtig. Bestehen sie in ungebührlicher Copiruug der Ungarn auf ihrem Scheine, fit würden bald einsehen — oder wenn nicht einsehen, doch fühlen —, welche» Danaergeschenk sie sich herbeigewünscht. Sehr verdienstlich war, daß bei Beantwortung der kurzweiligen Frage: .Haben die Deutschen eine Geschichte in Böhmen?" — die recht deutlich die kindische Verachtung der Czechen gegen ihre Nebensassen charakterisirt — mit einem Hinweis darauf geantwortet wurde, was das deutsche Element den übermüthigen Stiefgeschwistern geschicht¬ lich bedeutet. Der Verfasser jener unter obigem Titel im Vereinsorgan erschie¬ nenen Abhandlung läßt sichs nicht verdrießen, dem von czechischer Seite den Deutschböhmen gemachten Vorwurfe geschichtlicher Sterilität mit dem erneuten Nachweise zu begegnen, daß die Deutschen in Böhmen den Ausschwung de« Städtewesens gefördert, zum Sturze des Feudalsystem» wesentlich beigetragen und den Boden für eine freiheitliche Neugestaltung geebnet haben, daß sie den beträchtlichsten Theil der materiellen und geistigen Güter, die Böhmen besitzt, hervorbringen und endlich durch ihre Großindustrie daS Material zu einem künftigen Umbau der socialen Welt mit herbeischaffen. An solche Verdienste des Bruders und Genossen erst erinnert werden zu müssen, sollte schamroth machen. Wir erwähnen nur noch von größeren Arbeiten des Vereins, welche auch in weiteren Kreisen historisch.politisches Interesse bieten: „Das deutsche Städte¬ wesen und sein politischer und socialer Einfluß auf Land und Volk in Böhmen und seinen Nebenländcrn", „Bemerkungen über die allmälige Gestaltung der Be- BltNjbottn I. 1867. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/219>, abgerufen am 22.12.2024.