Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.Staates bilden. Welchen Grund haben wir, auf Herrn v. Hoverbeck weniger Wenn wir jetzt der Tüchtigkeit des preußischen Abgeordnetenhauses uns Wohl vermag der Reichstag Beginn eines großartigen politischen Lebens zu 1^
Staates bilden. Welchen Grund haben wir, auf Herrn v. Hoverbeck weniger Wenn wir jetzt der Tüchtigkeit des preußischen Abgeordnetenhauses uns Wohl vermag der Reichstag Beginn eines großartigen politischen Lebens zu 1^
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0013" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190172"/> <p xml:id="ID_10" prev="#ID_9"> Staates bilden. Welchen Grund haben wir, auf Herrn v. Hoverbeck weniger<lb/> Hoffnung zu setzen als auf irgendeinen preußischen Politiker, der in der letzten<lb/> Generation heraufgekommen ist? Wir alle erinnern uns des Jahres, in welchem<lb/> ein andrer Preuße Junker in des Wortes verwegenster Bedeutung war und<lb/> verspotteter Sprecher der Partei, welche die großen Städte als unleidliche Ver-<lb/> bildungen einer schlechten Zeit ansah; und derselbe Preuße hat jetzt eine so<lb/> hohe Stellung über den Parteien gewonnen, wie selten der Staatsmann eines<lb/> Volkes und in seinen letzten öffentlichen Erklärungen auch alten Gegnern die<lb/> Bewunderung abgenöthigt, welche kluge Rede, die in den meisten Sätzen den<lb/> Nagel auf den Kopf trifft, sich verdient. Wir sind alle noch in junger Lehrzeit;<lb/> der erste Minister Preußens ist jetzt sehr verschieden von dem Mann, der im<lb/> Jahr 1863 unwillig war, eine andere Politik einzuschlagen, als die Herr<lb/> v. Scheel-Plessen rieth; ebenso sind auch die preußischen Abgeordneten im Winter<lb/> 1866 bessere Politiker als in den Wochen, wo Herr Tochter mit Herrn v. Roon<lb/> in persönlichen Conflict gerieth.</p><lb/> <p xml:id="ID_11"> Wenn wir jetzt der Tüchtigkeit des preußischen Abgeordnetenhauses uns<lb/> freuen, und der guten Aussichten, welche viele Männer desselben für Deutsch¬<lb/> lands politische Zukunft eröffnen, so ist es auch unvermeidlich, an die Kata¬<lb/> strophe zu denken, welche dem preußischen Verfassüngsleben durch den Reichstag<lb/> des norddeutschen Bundes bereitet wird. Diese Verfassung ist nach der un¬<lb/> genügenden Kunde, welche uns bis jetzt davon geworden, von allen politischen<lb/> Improvisationen des Jahres 1866 die kühnste und großartigste. Sie erweckt in<lb/> der That die Hoffnung, daß ihr in kurzen Jahren gelingen kann, alle deutschen<lb/> Länder und Staaten in sich aufzunehmen. Daß aber ein preußischer Landtag,<lb/> wie er bis jetzt war, neben ihr nicht bestehen darf, begreift jedermann, und es<lb/> wird hier wiederholt, die Preußen sind es, welche für diesen Fortschritt am<lb/> meisten aufopfern müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_12" next="#ID_13"> Wohl vermag der Reichstag Beginn eines großartigen politischen Lebens zu<lb/> werden. Die allgemeinen Wahlen, in welche sich die Deutsche» bis zur näch¬<lb/> sten Versammlung kaum hineinfinden werden, geben den kleineren Kreisen der<lb/> Bevölkerung und der Masse der Wähler einen so entscheidenden Einfluß auf die<lb/> Politik, daß wir vor den größten Veränderungen in der Tagespresse und in der<lb/> Organisation der Parteien stehen. Wir werden fortan große Volksversamm¬<lb/> lungen, Aufzüge, Massendemonstrationen, Anregen und Gewinnen der Menge<lb/> erhalten, wie es in Deutschland seit 1848 unerhört ist. Bei dreijähriger Wahl¬<lb/> periode wird sich diese Bewegung so oft wiederholen, daß ihr schnell eine Praxis<lb/> und eine gewisse Organisation der Massen, folgen muß. Von dem aufgeregten<lb/> Meere der Zukunft wird mancher Politiker sehnsüchtig auf den stillen Binnensee<lb/> der Dreiclassenwahl zurückblicken, und die Candidaten werden sich entschließen<lb/> müssen, die stolze Bescheidenheit, mit welcher sie jetzt den Wählern gegenüber-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 1^</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
Staates bilden. Welchen Grund haben wir, auf Herrn v. Hoverbeck weniger
Hoffnung zu setzen als auf irgendeinen preußischen Politiker, der in der letzten
Generation heraufgekommen ist? Wir alle erinnern uns des Jahres, in welchem
ein andrer Preuße Junker in des Wortes verwegenster Bedeutung war und
verspotteter Sprecher der Partei, welche die großen Städte als unleidliche Ver-
bildungen einer schlechten Zeit ansah; und derselbe Preuße hat jetzt eine so
hohe Stellung über den Parteien gewonnen, wie selten der Staatsmann eines
Volkes und in seinen letzten öffentlichen Erklärungen auch alten Gegnern die
Bewunderung abgenöthigt, welche kluge Rede, die in den meisten Sätzen den
Nagel auf den Kopf trifft, sich verdient. Wir sind alle noch in junger Lehrzeit;
der erste Minister Preußens ist jetzt sehr verschieden von dem Mann, der im
Jahr 1863 unwillig war, eine andere Politik einzuschlagen, als die Herr
v. Scheel-Plessen rieth; ebenso sind auch die preußischen Abgeordneten im Winter
1866 bessere Politiker als in den Wochen, wo Herr Tochter mit Herrn v. Roon
in persönlichen Conflict gerieth.
Wenn wir jetzt der Tüchtigkeit des preußischen Abgeordnetenhauses uns
freuen, und der guten Aussichten, welche viele Männer desselben für Deutsch¬
lands politische Zukunft eröffnen, so ist es auch unvermeidlich, an die Kata¬
strophe zu denken, welche dem preußischen Verfassüngsleben durch den Reichstag
des norddeutschen Bundes bereitet wird. Diese Verfassung ist nach der un¬
genügenden Kunde, welche uns bis jetzt davon geworden, von allen politischen
Improvisationen des Jahres 1866 die kühnste und großartigste. Sie erweckt in
der That die Hoffnung, daß ihr in kurzen Jahren gelingen kann, alle deutschen
Länder und Staaten in sich aufzunehmen. Daß aber ein preußischer Landtag,
wie er bis jetzt war, neben ihr nicht bestehen darf, begreift jedermann, und es
wird hier wiederholt, die Preußen sind es, welche für diesen Fortschritt am
meisten aufopfern müssen.
Wohl vermag der Reichstag Beginn eines großartigen politischen Lebens zu
werden. Die allgemeinen Wahlen, in welche sich die Deutsche» bis zur näch¬
sten Versammlung kaum hineinfinden werden, geben den kleineren Kreisen der
Bevölkerung und der Masse der Wähler einen so entscheidenden Einfluß auf die
Politik, daß wir vor den größten Veränderungen in der Tagespresse und in der
Organisation der Parteien stehen. Wir werden fortan große Volksversamm¬
lungen, Aufzüge, Massendemonstrationen, Anregen und Gewinnen der Menge
erhalten, wie es in Deutschland seit 1848 unerhört ist. Bei dreijähriger Wahl¬
periode wird sich diese Bewegung so oft wiederholen, daß ihr schnell eine Praxis
und eine gewisse Organisation der Massen, folgen muß. Von dem aufgeregten
Meere der Zukunft wird mancher Politiker sehnsüchtig auf den stillen Binnensee
der Dreiclassenwahl zurückblicken, und die Candidaten werden sich entschließen
müssen, die stolze Bescheidenheit, mit welcher sie jetzt den Wählern gegenüber-
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