Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.Lehrer und Erzieher der Jugend; ja die Kaiser Tiverius und Claudius hatten Zustände und Aussichten in Oestreich. i. Das übliche Nenjahrsgeschenk der östreichischen Regierung für ihre getreuen Zu politischem Grübeln wäre also el" reicher Srvff geboten. Aber nicht Lehrer und Erzieher der Jugend; ja die Kaiser Tiverius und Claudius hatten Zustände und Aussichten in Oestreich. i. Das übliche Nenjahrsgeschenk der östreichischen Regierung für ihre getreuen Zu politischem Grübeln wäre also el» reicher Srvff geboten. Aber nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0119" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190278"/> <p xml:id="ID_352" prev="#ID_351"> Lehrer und Erzieher der Jugend; ja die Kaiser Tiverius und Claudius hatten<lb/> unverhohlen geäußert, er sei der Letzte, dem man Knaben und Jünglinge an¬<lb/> vertrauen dürfe. Aber alles half nichts; die Menge ließ sich durch den Flitter«<lb/> schein seines Wissens blenden und Palämon, wenn er seine Memoiren geschrieben<lb/> hätte, würde wohl nicht den Titel „der Lielgcplagte" gewählt haben, sondern<lb/> vielleicht den passenderen: Nrmäus vult, äscixi!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Zustände und Aussichten in Oestreich.</head><lb/> <div n="2"> <head> i.</head><lb/> <p xml:id="ID_353"> Das übliche Nenjahrsgeschenk der östreichischen Regierung für ihre getreuen<lb/> Völker ist auch diesmal nicht ausgeblieben. Der Minister Bach seligen An¬<lb/> denkens liebte es bekanntlich, mit der Verkündigung neuer Gesetze, ersehnter<lb/> Reformen, mitunter auch unerwünschter Anleihen die Welt zum Jahresschlusse<lb/> zu überraschen. Bei dieser Sitte ist es auch seither geblieben. Die Wiener<lb/> Zeitung vom 31. December und der Moniteur vom 2. Januar, weicher Napo¬<lb/> leons Neujahrsrede mittheilt, spannten regelmäßig die Neugierde aller Politiker<lb/> und das erstere Blatt befriedigte sie auch gewöhnlich. Das Angebinde zu diesem<lb/> Jahre besteht aus dem Wehrgcsetze, welches auch in Oestreich ein Volksheer<lb/> schaffen will, aus der Einberufnag eines außerordentlichen Reichstages zur Re¬<lb/> gelung der Verfassungsfrage und aus dem Finanzberichte des Grafen Larisch,<lb/> welcher in dürren Worten constatirt, daß im Jahre 1866 in „Galizien und<lb/> Bukowina Hungertyphus, in Ungarn allgemeiner Nothstand herrschte, in Steter-<lb/> mark und Kärnthen die Verarmung in bedenklicher Weise zunahm, bei dem Aus-<lb/> bruche des Krieges nur Böhmen, Mähren und Schlesien steuerfähig waren, der<lb/> Steuerausfall in den ersten fünf Monaten sie v ze h n Millionen betrug".</p><lb/> <p xml:id="ID_354" next="#ID_355"> Zu politischem Grübeln wäre also el» reicher Srvff geboten. Aber nicht<lb/> genug daran. Oestreichs Lage ist nachgrade ein Gegenstand europäischer Sorge<lb/> geworden und wenn das Wort vom kranken Manne jemals Sinn hatte, in<lb/> Bezug auf den Kaiserstaat trifft es zu. Der kranke Mann ist nicht fern in der<lb/> Türkei zu suchen, im Herzen Europas hat er sein Schnrerzcnslager aufgeschlagen.<lb/> Wer ehedem in Oestreich lehre, hörte wohl hier und -da selbst von guten<lb/> Patrioten, ja grade von den besten und wohlmeinendsten Männern den Staat</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0119]
Lehrer und Erzieher der Jugend; ja die Kaiser Tiverius und Claudius hatten
unverhohlen geäußert, er sei der Letzte, dem man Knaben und Jünglinge an¬
vertrauen dürfe. Aber alles half nichts; die Menge ließ sich durch den Flitter«
schein seines Wissens blenden und Palämon, wenn er seine Memoiren geschrieben
hätte, würde wohl nicht den Titel „der Lielgcplagte" gewählt haben, sondern
vielleicht den passenderen: Nrmäus vult, äscixi!
Zustände und Aussichten in Oestreich.
i.
Das übliche Nenjahrsgeschenk der östreichischen Regierung für ihre getreuen
Völker ist auch diesmal nicht ausgeblieben. Der Minister Bach seligen An¬
denkens liebte es bekanntlich, mit der Verkündigung neuer Gesetze, ersehnter
Reformen, mitunter auch unerwünschter Anleihen die Welt zum Jahresschlusse
zu überraschen. Bei dieser Sitte ist es auch seither geblieben. Die Wiener
Zeitung vom 31. December und der Moniteur vom 2. Januar, weicher Napo¬
leons Neujahrsrede mittheilt, spannten regelmäßig die Neugierde aller Politiker
und das erstere Blatt befriedigte sie auch gewöhnlich. Das Angebinde zu diesem
Jahre besteht aus dem Wehrgcsetze, welches auch in Oestreich ein Volksheer
schaffen will, aus der Einberufnag eines außerordentlichen Reichstages zur Re¬
gelung der Verfassungsfrage und aus dem Finanzberichte des Grafen Larisch,
welcher in dürren Worten constatirt, daß im Jahre 1866 in „Galizien und
Bukowina Hungertyphus, in Ungarn allgemeiner Nothstand herrschte, in Steter-
mark und Kärnthen die Verarmung in bedenklicher Weise zunahm, bei dem Aus-
bruche des Krieges nur Böhmen, Mähren und Schlesien steuerfähig waren, der
Steuerausfall in den ersten fünf Monaten sie v ze h n Millionen betrug".
Zu politischem Grübeln wäre also el» reicher Srvff geboten. Aber nicht
genug daran. Oestreichs Lage ist nachgrade ein Gegenstand europäischer Sorge
geworden und wenn das Wort vom kranken Manne jemals Sinn hatte, in
Bezug auf den Kaiserstaat trifft es zu. Der kranke Mann ist nicht fern in der
Türkei zu suchen, im Herzen Europas hat er sein Schnrerzcnslager aufgeschlagen.
Wer ehedem in Oestreich lehre, hörte wohl hier und -da selbst von guten
Patrioten, ja grade von den besten und wohlmeinendsten Männern den Staat
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