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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Werkstätte des Famulus, verdünnte es durch eine sorgfältige Zurichtung, nack'te
es aus einer geringeren Sorte zum feinsten Papier und gab ihm den Namen
(es hieß "das fannische"). Was eben nicht so umgearbeitet ward, blieb nach
wie zuvor Amphitheaterpapier." Dieses Unternehmen mag ihm großen Nutzen
gebracht haben; denn erst unter Claudius kam ein nach dem Kaiser benanntes
Papier auf. welches nicht blos glatt und dünn war, sondern das fannische auch
an Dichtigkeit übertraf.

Doch den besten Wurf that er vermöge seines praktischen Blickes durch
eine ökonomische Speculation. Die Ländereien in der Nähe der Stadt standen
damals niedrig im Preise und viele von ihnen waren auch durch Nachlässigkeit
in der Cultur zurückgekommen. Nun hatte aber grade ein gewisser Acilius
Sthenelus, ein Mensch von niedriger Herkunft, aber ein tüchtiger Landwirth,
auf dem ungefähr fünf Stunden von Rom entlegenen Gebiet von Nomentum.
wo eine treffliche Weinsorte wuchs, ein Landstück von sechzig Morgen durch
sorgfältige Cultur so emporgebracht, daß er es für 29,000 Thaler wieder ver¬
kaufte. Palämon folgte diesem Beispiel und erwarb ein Landstück um 43,000
Thaler, worauf er nach der Theorie des Sthenelus den Weinbau begann. Wenn
Plinius der Aeltere. dem wir auch diese Nachricht verdanken, meint, Palämon
habe das Unternehmen aus reiner Prahlerei und nicht aus kühner Entschieden"
seit angegriffen, so irrt er wohl darin, daß er die bei Palämon im Dienste des
Egoismus stehende Energie unterschätzt. Der Erfolg war kein Zufall, sondern
das Resultat kluger Berechnung. Genau den Sthenelus nachahmend im öfteren
Umgraben des Bodens und Behacken der Pflanzen erzielte er von Jahr zu
Jahr reichlichere Ernten und im achten Jahre verkaufte er die Weinlese, wie sie
an den Reben hing, für 29,000 Thaler, also zwei Dritttheile des Gutspreises!
Die Leute strömten zusammen, um die Unmasse der Trauben zu'sehen -- nach
Sueton trug ein einziger Weinstock deren 3KS! -- während die benachbarten
Oekonomen ihrer eigenen Faulheit nichts vergehend die Erfolge des Palämon
seinen gelehrten Kenntnissen zuschrieben, vielleicht sogar von geheimen Zauber-
mittelu munkelten! Zuletzt wurde der reiche Philosoph Annäus Seneka so
lüstern nach dem Besitze des Grundstückes, daß er seinen tiefen Widerwillen
gegen Palämon und den Aerger darüber, daß er demselben einen Triumph auch
auf diesem Gebiete einräumen mußte, überwand, mit ihm über den Kauf in
Unterhandlung trat und endlich 174,000 Thaler, also das Vierfache des ursprüng¬
lichen Kaufgeldes dafür bezahlte!

Daß Palämon zu der Zeit, wo Seneca als Gelehrter und Hofmann auf
dem Gipfel seines Ansehens stand, noch lebte, beweist wenigstens, daß er sein
Leben über fünfzig Jahre brachte. So alt wie Orvilius wird er seiner Lebens-
weise nach schwerlich geworden sein und, wäre es geschehen, so hätte er wohl
nicht in einer Dachstube geendigt. Palämon paßte zu allem mehr als zum


Werkstätte des Famulus, verdünnte es durch eine sorgfältige Zurichtung, nack'te
es aus einer geringeren Sorte zum feinsten Papier und gab ihm den Namen
(es hieß „das fannische"). Was eben nicht so umgearbeitet ward, blieb nach
wie zuvor Amphitheaterpapier." Dieses Unternehmen mag ihm großen Nutzen
gebracht haben; denn erst unter Claudius kam ein nach dem Kaiser benanntes
Papier auf. welches nicht blos glatt und dünn war, sondern das fannische auch
an Dichtigkeit übertraf.

Doch den besten Wurf that er vermöge seines praktischen Blickes durch
eine ökonomische Speculation. Die Ländereien in der Nähe der Stadt standen
damals niedrig im Preise und viele von ihnen waren auch durch Nachlässigkeit
in der Cultur zurückgekommen. Nun hatte aber grade ein gewisser Acilius
Sthenelus, ein Mensch von niedriger Herkunft, aber ein tüchtiger Landwirth,
auf dem ungefähr fünf Stunden von Rom entlegenen Gebiet von Nomentum.
wo eine treffliche Weinsorte wuchs, ein Landstück von sechzig Morgen durch
sorgfältige Cultur so emporgebracht, daß er es für 29,000 Thaler wieder ver¬
kaufte. Palämon folgte diesem Beispiel und erwarb ein Landstück um 43,000
Thaler, worauf er nach der Theorie des Sthenelus den Weinbau begann. Wenn
Plinius der Aeltere. dem wir auch diese Nachricht verdanken, meint, Palämon
habe das Unternehmen aus reiner Prahlerei und nicht aus kühner Entschieden«
seit angegriffen, so irrt er wohl darin, daß er die bei Palämon im Dienste des
Egoismus stehende Energie unterschätzt. Der Erfolg war kein Zufall, sondern
das Resultat kluger Berechnung. Genau den Sthenelus nachahmend im öfteren
Umgraben des Bodens und Behacken der Pflanzen erzielte er von Jahr zu
Jahr reichlichere Ernten und im achten Jahre verkaufte er die Weinlese, wie sie
an den Reben hing, für 29,000 Thaler, also zwei Dritttheile des Gutspreises!
Die Leute strömten zusammen, um die Unmasse der Trauben zu'sehen — nach
Sueton trug ein einziger Weinstock deren 3KS! — während die benachbarten
Oekonomen ihrer eigenen Faulheit nichts vergehend die Erfolge des Palämon
seinen gelehrten Kenntnissen zuschrieben, vielleicht sogar von geheimen Zauber-
mittelu munkelten! Zuletzt wurde der reiche Philosoph Annäus Seneka so
lüstern nach dem Besitze des Grundstückes, daß er seinen tiefen Widerwillen
gegen Palämon und den Aerger darüber, daß er demselben einen Triumph auch
auf diesem Gebiete einräumen mußte, überwand, mit ihm über den Kauf in
Unterhandlung trat und endlich 174,000 Thaler, also das Vierfache des ursprüng¬
lichen Kaufgeldes dafür bezahlte!

Daß Palämon zu der Zeit, wo Seneca als Gelehrter und Hofmann auf
dem Gipfel seines Ansehens stand, noch lebte, beweist wenigstens, daß er sein
Leben über fünfzig Jahre brachte. So alt wie Orvilius wird er seiner Lebens-
weise nach schwerlich geworden sein und, wäre es geschehen, so hätte er wohl
nicht in einer Dachstube geendigt. Palämon paßte zu allem mehr als zum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/118>, abgerufen am 22.12.2024.