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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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höchsten Kritiker aller Poeten und deren Producte hingewiesen, weil nämlich in
dessen dritter Idylle als Schiedsrichter des Wechselgesangs ein benachbarter Hirt,
Namens Palämon, auftritt!

Diese Selbstüberhebung bildete jedoch noch nicht die schlimmste seiner Eigen¬
schaften. Alle grobsinünchcn Neigungen der herabgewürdigten, sittlich erniedrigten
Menschenclasse, welcher er ursprünglich angehörte, suchten in ihrer ganzen Ge¬
meinheit Befriedigung, sobald der Erfolg in seiner Berufsthätigkeit die Mittel
dazu bot. Er ergab sich allen Vergnügungen und Ausschweifungen, an denen
das hauptstädtische Leben so widerlich reich war. An Unkeuschheit wetteiferte
er mit den berüchtigtsten Non6s, so daß wir das, was Sueton darüber berichtet,
nicht wiederzugeben vermögen. Als besonderes Zeichen seiner Ueppigkeit und
Verschwendung erwähnt derselbe Autor nur, daß er mehre Male am Tag sich
zu baden Pflegte, während hierzu eigentlich nur die Stunde nach der Siesta be¬
stimmt war. Es bekommt diese Notiz erst ihr rechtes Licht, wenn man bedenkt,
daß die zu jener Zeit mit der luxuriösesten Pracht ausgestatteten Thermen Orte
der unsinnigsten Schwelgerei und Vergnügungssucht waren. Das warme, bei
zu häufiger Wiederholung entnervende Bad selbst war eigentlich nur Neben¬
sache. Am meisten kosteten die theuren Salben, die Zechgelage, die Rendezvous,
und schon im Trinumus des Plautus legt der rechnende Sklave el" Haupt¬
gewicht darauf, was wurde "verschmaust, vertrunken, versalbt, verwaschen in
den Bädern". Kurz, wir müssen es dem Sueton glauben, daß Palämon nicht
im Staube war, mit seinen Einnahmen aus der Schule seinen Aufwand zu
bestreiten. Aber er wußte sich zu helfen, indem er sein industriell-Speculatives
Talent zu Rathe zog. Zunächst verwerthete er die in seiner Jugend erworbenen
Kenntnisse im Webersache. Hatte seine Herrin in Vicenza, wie alle wohlhabenden
Leute für den Hausbedarf spinnen und weben lassen, so errichtete er für weniger
bemittelte Personen, die ihre Bedürfnisse kaufen mußten, eine Fabrik von Stoffen
und fertigen Kleidern, die dann in mehren Magazinen in der Stadt zum
Verkaufe standen. Doch damit begnügte er sich nicht. Wie mancher Präceptor
suchte sich schon einen oft Von der Concurrenz angefeindeten Nebenverdienst zu
verschaffen, indem er die Lieferung des nöthigen Schrcibmatcrialö für seine
Schüler übernahm! Dies wäre für Palämon zu kleinlich gewesen; auch be¬
malte ja meist die Jugend nur die Rückseiten schon beschriebener Blätter! Er
legte, wenn auch nicht eine Papierfabrik, so doch eine Appreturanstalt an, in
welcher er eine bisher in einer Fabrik neben dem Amphitheater zu Alczandria
in Aegypten gefertigte und danach benannte Papiersorte einer Umarbeitung nach
eigener Erfindung unterwerfen ließ, wodurch das Papier aus einem Fabrikat
vierten Ranges zur vorzüglichsten unter allen Sorten emporstieg. Plinius der
Aeltere schreibt hleiüocr: "Der nächste Name. Amphitheaterpapier, stammt von
dem Orte der Bereitung her. Dieses übernahm zu Rom die scharfsinnige


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höchsten Kritiker aller Poeten und deren Producte hingewiesen, weil nämlich in
dessen dritter Idylle als Schiedsrichter des Wechselgesangs ein benachbarter Hirt,
Namens Palämon, auftritt!

Diese Selbstüberhebung bildete jedoch noch nicht die schlimmste seiner Eigen¬
schaften. Alle grobsinünchcn Neigungen der herabgewürdigten, sittlich erniedrigten
Menschenclasse, welcher er ursprünglich angehörte, suchten in ihrer ganzen Ge¬
meinheit Befriedigung, sobald der Erfolg in seiner Berufsthätigkeit die Mittel
dazu bot. Er ergab sich allen Vergnügungen und Ausschweifungen, an denen
das hauptstädtische Leben so widerlich reich war. An Unkeuschheit wetteiferte
er mit den berüchtigtsten Non6s, so daß wir das, was Sueton darüber berichtet,
nicht wiederzugeben vermögen. Als besonderes Zeichen seiner Ueppigkeit und
Verschwendung erwähnt derselbe Autor nur, daß er mehre Male am Tag sich
zu baden Pflegte, während hierzu eigentlich nur die Stunde nach der Siesta be¬
stimmt war. Es bekommt diese Notiz erst ihr rechtes Licht, wenn man bedenkt,
daß die zu jener Zeit mit der luxuriösesten Pracht ausgestatteten Thermen Orte
der unsinnigsten Schwelgerei und Vergnügungssucht waren. Das warme, bei
zu häufiger Wiederholung entnervende Bad selbst war eigentlich nur Neben¬
sache. Am meisten kosteten die theuren Salben, die Zechgelage, die Rendezvous,
und schon im Trinumus des Plautus legt der rechnende Sklave el» Haupt¬
gewicht darauf, was wurde „verschmaust, vertrunken, versalbt, verwaschen in
den Bädern". Kurz, wir müssen es dem Sueton glauben, daß Palämon nicht
im Staube war, mit seinen Einnahmen aus der Schule seinen Aufwand zu
bestreiten. Aber er wußte sich zu helfen, indem er sein industriell-Speculatives
Talent zu Rathe zog. Zunächst verwerthete er die in seiner Jugend erworbenen
Kenntnisse im Webersache. Hatte seine Herrin in Vicenza, wie alle wohlhabenden
Leute für den Hausbedarf spinnen und weben lassen, so errichtete er für weniger
bemittelte Personen, die ihre Bedürfnisse kaufen mußten, eine Fabrik von Stoffen
und fertigen Kleidern, die dann in mehren Magazinen in der Stadt zum
Verkaufe standen. Doch damit begnügte er sich nicht. Wie mancher Präceptor
suchte sich schon einen oft Von der Concurrenz angefeindeten Nebenverdienst zu
verschaffen, indem er die Lieferung des nöthigen Schrcibmatcrialö für seine
Schüler übernahm! Dies wäre für Palämon zu kleinlich gewesen; auch be¬
malte ja meist die Jugend nur die Rückseiten schon beschriebener Blätter! Er
legte, wenn auch nicht eine Papierfabrik, so doch eine Appreturanstalt an, in
welcher er eine bisher in einer Fabrik neben dem Amphitheater zu Alczandria
in Aegypten gefertigte und danach benannte Papiersorte einer Umarbeitung nach
eigener Erfindung unterwerfen ließ, wodurch das Papier aus einem Fabrikat
vierten Ranges zur vorzüglichsten unter allen Sorten emporstieg. Plinius der
Aeltere schreibt hleiüocr: „Der nächste Name. Amphitheaterpapier, stammt von
dem Orte der Bereitung her. Dieses übernahm zu Rom die scharfsinnige


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[0117] höchsten Kritiker aller Poeten und deren Producte hingewiesen, weil nämlich in dessen dritter Idylle als Schiedsrichter des Wechselgesangs ein benachbarter Hirt, Namens Palämon, auftritt! Diese Selbstüberhebung bildete jedoch noch nicht die schlimmste seiner Eigen¬ schaften. Alle grobsinünchcn Neigungen der herabgewürdigten, sittlich erniedrigten Menschenclasse, welcher er ursprünglich angehörte, suchten in ihrer ganzen Ge¬ meinheit Befriedigung, sobald der Erfolg in seiner Berufsthätigkeit die Mittel dazu bot. Er ergab sich allen Vergnügungen und Ausschweifungen, an denen das hauptstädtische Leben so widerlich reich war. An Unkeuschheit wetteiferte er mit den berüchtigtsten Non6s, so daß wir das, was Sueton darüber berichtet, nicht wiederzugeben vermögen. Als besonderes Zeichen seiner Ueppigkeit und Verschwendung erwähnt derselbe Autor nur, daß er mehre Male am Tag sich zu baden Pflegte, während hierzu eigentlich nur die Stunde nach der Siesta be¬ stimmt war. Es bekommt diese Notiz erst ihr rechtes Licht, wenn man bedenkt, daß die zu jener Zeit mit der luxuriösesten Pracht ausgestatteten Thermen Orte der unsinnigsten Schwelgerei und Vergnügungssucht waren. Das warme, bei zu häufiger Wiederholung entnervende Bad selbst war eigentlich nur Neben¬ sache. Am meisten kosteten die theuren Salben, die Zechgelage, die Rendezvous, und schon im Trinumus des Plautus legt der rechnende Sklave el» Haupt¬ gewicht darauf, was wurde „verschmaust, vertrunken, versalbt, verwaschen in den Bädern". Kurz, wir müssen es dem Sueton glauben, daß Palämon nicht im Staube war, mit seinen Einnahmen aus der Schule seinen Aufwand zu bestreiten. Aber er wußte sich zu helfen, indem er sein industriell-Speculatives Talent zu Rathe zog. Zunächst verwerthete er die in seiner Jugend erworbenen Kenntnisse im Webersache. Hatte seine Herrin in Vicenza, wie alle wohlhabenden Leute für den Hausbedarf spinnen und weben lassen, so errichtete er für weniger bemittelte Personen, die ihre Bedürfnisse kaufen mußten, eine Fabrik von Stoffen und fertigen Kleidern, die dann in mehren Magazinen in der Stadt zum Verkaufe standen. Doch damit begnügte er sich nicht. Wie mancher Präceptor suchte sich schon einen oft Von der Concurrenz angefeindeten Nebenverdienst zu verschaffen, indem er die Lieferung des nöthigen Schrcibmatcrialö für seine Schüler übernahm! Dies wäre für Palämon zu kleinlich gewesen; auch be¬ malte ja meist die Jugend nur die Rückseiten schon beschriebener Blätter! Er legte, wenn auch nicht eine Papierfabrik, so doch eine Appreturanstalt an, in welcher er eine bisher in einer Fabrik neben dem Amphitheater zu Alczandria in Aegypten gefertigte und danach benannte Papiersorte einer Umarbeitung nach eigener Erfindung unterwerfen ließ, wodurch das Papier aus einem Fabrikat vierten Ranges zur vorzüglichsten unter allen Sorten emporstieg. Plinius der Aeltere schreibt hleiüocr: „Der nächste Name. Amphitheaterpapier, stammt von dem Orte der Bereitung her. Dieses übernahm zu Rom die scharfsinnige 14 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/117>, abgerufen am 22.12.2024.