Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.Palämons Schule zu denken. "Ich weiß," sagte er, "daß eine recht nützliche Wie man aber noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts bei uns oft Es scheint, als ob der literarische und pädagogische Ruf unserem Palämon Palämons Schule zu denken. „Ich weiß," sagte er, „daß eine recht nützliche Wie man aber noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts bei uns oft Es scheint, als ob der literarische und pädagogische Ruf unserem Palämon <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190275"/> <p xml:id="ID_344" prev="#ID_343"> Palämons Schule zu denken. „Ich weiß," sagte er, „daß eine recht nützliche<lb/> Sitte von meinen Lehrern beobachtet wurde, indem sie uns Knaben in Classen<lb/> getheilt hatten und nun nach den Kräften des Geistes die Reihe des Vertrags<lb/> bestimmten; so declamirte jeder an einem höheren Platze, je nachdem seine<lb/> Fortschritte zuzunehmen schienen. Darüber wurden Urtheile ausgetheilt und es<lb/> herrschte unter uns ein außerordentlicher Wetteifer um den Preis; Oberster der<lb/> Classe zu sein, war das Herrlichste. Jedoch wurde der Beschluß nicht nur ein¬<lb/> mal gefaßt; der dreißigste Tag gab es dem Besiegten in die Hand, den Kampf<lb/> zu erneuern. So wurde der Höhere durch den Erfolg nicht lässig und den<lb/> Besiegten reizte der Schmerz, die Schmach von sich abzuwenden. So weit ich<lb/> dem Urtheile meines Geistes traue, möchte ich behaupten, daß jene Maßregel<lb/> einen kräftigeren Sporn für unseren wissenschaftlichen Eifer abgegeben hat als<lb/> die Ermahnungen der Lehrer, die Aufsicht der Hofmeister, die Wünsche der<lb/> Aeltern." Palämon hatte es um so nöthiger, seine Schüler nach Classen zu<lb/> sonder», als er ungemein großen Zulauf gehabt zu haben scheint. Nach Sueton<lb/> brachte ihm seine Schule jährlich 400,000 Sestertien oder 29,000 Thaler ein.<lb/> Diese Summe ergiebt aber schon 200 Schüler, wenn man das von Juvenal<lb/> genannte Honorar der Rhetoren für diesen Fall gelten lassen will; so hoch<lb/> (2,000 Sestertien jährlich) darf man aber schwerlich greifen und man kann da¬<lb/> her getrost seine Schülerzahl aus 300 stellen. Wir denken nur bei den Classen<lb/> sogleich an getrennte Schulzimmer und ebenso viele Unterlehrer als Classen.</p><lb/> <p xml:id="ID_345"> Wie man aber noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts bei uns oft<lb/> mehre Schulclassen in einem Auditorium gleichzeitig unterrichtete, findet sich<lb/> für jene Zeit keine Spur von geschiedenen Räumen; ja auch die Unterlehrer,<lb/> welche allerdings erwähnt werden, erinnern mehr an die aus reiferen Schülern<lb/> gebildeten Monitoren der lankasterschen Methode als an College» des Directors.</p><lb/> <p xml:id="ID_346" next="#ID_347"> Es scheint, als ob der literarische und pädagogische Ruf unserem Palämon<lb/> über den Kopf gewachsen sei. Er bekam allmälig einen so hohen Begriff von<lb/> seinem Werthe, daß endlich seine Einbildung die zeitgenössischen Gelehrten mehr<lb/> ergötzt als geärgert haben mag. Sueton hat uns einige Proben seiner thörichten<lb/> Arroganz aufbewahrt. So soll er geprahlt haben, daß die Wissenschaften mit<lb/> ihm auf die Welt gekommen seien und mit ihm auch untergehen würden!<lb/> Auch rühmte er sich, daß ihn einst Straßenräuber nur um der Berühmtheit<lb/> seines Namens willen verschont hätten (vielleicht glaubten sie eher, bei einem<lb/> auf einer Ferienreise begriffenen Schulmeister sei nicht viel zu holen). Teren-<lb/> tius Varro, den fleißigsten und gelehrtesten Römer (er soll 620 Bücher verav-<lb/> faßt haben!), welchen er wahrscheinlich wegen seiner Systemlosigkeit und seines<lb/> altfränkischen Festhaltens am nationalen Römerthum haßte, wagte er gradezu<lb/> mit dem Ehrennamen „Schwein" zu belegen. Endlich äußerte er — vielleicht<lb/> doch nur in halbem Scherze! — schon Virgil habe auf ihn als den einstigen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0116]
Palämons Schule zu denken. „Ich weiß," sagte er, „daß eine recht nützliche
Sitte von meinen Lehrern beobachtet wurde, indem sie uns Knaben in Classen
getheilt hatten und nun nach den Kräften des Geistes die Reihe des Vertrags
bestimmten; so declamirte jeder an einem höheren Platze, je nachdem seine
Fortschritte zuzunehmen schienen. Darüber wurden Urtheile ausgetheilt und es
herrschte unter uns ein außerordentlicher Wetteifer um den Preis; Oberster der
Classe zu sein, war das Herrlichste. Jedoch wurde der Beschluß nicht nur ein¬
mal gefaßt; der dreißigste Tag gab es dem Besiegten in die Hand, den Kampf
zu erneuern. So wurde der Höhere durch den Erfolg nicht lässig und den
Besiegten reizte der Schmerz, die Schmach von sich abzuwenden. So weit ich
dem Urtheile meines Geistes traue, möchte ich behaupten, daß jene Maßregel
einen kräftigeren Sporn für unseren wissenschaftlichen Eifer abgegeben hat als
die Ermahnungen der Lehrer, die Aufsicht der Hofmeister, die Wünsche der
Aeltern." Palämon hatte es um so nöthiger, seine Schüler nach Classen zu
sonder», als er ungemein großen Zulauf gehabt zu haben scheint. Nach Sueton
brachte ihm seine Schule jährlich 400,000 Sestertien oder 29,000 Thaler ein.
Diese Summe ergiebt aber schon 200 Schüler, wenn man das von Juvenal
genannte Honorar der Rhetoren für diesen Fall gelten lassen will; so hoch
(2,000 Sestertien jährlich) darf man aber schwerlich greifen und man kann da¬
her getrost seine Schülerzahl aus 300 stellen. Wir denken nur bei den Classen
sogleich an getrennte Schulzimmer und ebenso viele Unterlehrer als Classen.
Wie man aber noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts bei uns oft
mehre Schulclassen in einem Auditorium gleichzeitig unterrichtete, findet sich
für jene Zeit keine Spur von geschiedenen Räumen; ja auch die Unterlehrer,
welche allerdings erwähnt werden, erinnern mehr an die aus reiferen Schülern
gebildeten Monitoren der lankasterschen Methode als an College» des Directors.
Es scheint, als ob der literarische und pädagogische Ruf unserem Palämon
über den Kopf gewachsen sei. Er bekam allmälig einen so hohen Begriff von
seinem Werthe, daß endlich seine Einbildung die zeitgenössischen Gelehrten mehr
ergötzt als geärgert haben mag. Sueton hat uns einige Proben seiner thörichten
Arroganz aufbewahrt. So soll er geprahlt haben, daß die Wissenschaften mit
ihm auf die Welt gekommen seien und mit ihm auch untergehen würden!
Auch rühmte er sich, daß ihn einst Straßenräuber nur um der Berühmtheit
seines Namens willen verschont hätten (vielleicht glaubten sie eher, bei einem
auf einer Ferienreise begriffenen Schulmeister sei nicht viel zu holen). Teren-
tius Varro, den fleißigsten und gelehrtesten Römer (er soll 620 Bücher verav-
faßt haben!), welchen er wahrscheinlich wegen seiner Systemlosigkeit und seines
altfränkischen Festhaltens am nationalen Römerthum haßte, wagte er gradezu
mit dem Ehrennamen „Schwein" zu belegen. Endlich äußerte er — vielleicht
doch nur in halbem Scherze! — schon Virgil habe auf ihn als den einstigen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |