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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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denn er lernte nichts umsonst in seinem Leben, dieser Egoist. Da geschah es
aber, daß das Söhnlein des Hauses soweit heranwuchs, daß er zur Schule
wandern mühte, und Palämon wurde seines Dienstes entKoben und dem Knaben
zucommandirt. um diesem, der sich nach dem guten Ton nicht mit dem großen
Pennäle, das Bücherrollen, Schreibmaterialien u. tgi, enthielt, befassen durfte,
als Träger desselben zu diene". Als literarischer Handlanger seines Herrn be¬
kam Palämon auch das Recht, unentgeltlich in dessen Unterrichtsstunden zu hos-
pitiren. Hier ging ihm eine neue Welt auf und kein Schulmeister von Vicenza
wird wohl einen wisscnsourstigere" Zuhörer gehabt haben, als der Schnurrant
Palämon war! Wir wollen dem eigentlichen Nhemmius Famulus nicht Unrecht
thun; aber wir glauben doch dann nicht zu irren, daß er weniger lernte als
sein Famulus. Dieser wurde ülmgens einige Zeit später, vielleicht durch
Testament seiner Herrin, freigelassen (wobei er den Familiennamen seiner Herr¬
schaft der Sitte nach zwischen den Stlavennamen Palämon und den neu ge¬
wählten Vornamen Quintus setzte) und widmete sich ganz der Philologie. Nach¬
dem er sich vielleicht schon in Oberitalien im Lehramte geübt hatte, zog er
unter Tiverius nach Rom. Hier gewann er bald pädagogischen und wissen¬
schaftlichen Ruf und galt endlich für den ersten Grammatiker der Residenz. Eine
ungemeine Gewandtheit im Sprechen und ein großes Sachgedächtniß fesselte
die Leute. Er war wohl im Stande, den unverschämten Anforderungen an die
Gelehrsamkeit der Lehrer, welche Juvenal in seiner pikanten Satire aufzählt,
entsprechen zu können. Außerdem verfertigte er aber auch Gedichte aus dem
Stegreife und schrieb in verschiedenen künstlichen Strophenarten. In der
Grammatik war er scharfsinnig und seine Eintheilung der Nedctheile, wie seine
Definition der Pronomina, Conjunctionen und Präpositionen wurden von spä¬
teren Grammatikern adoptirt. Auch scheint er der Erste gewesen zu sein, der
die Jnterjection als besonderen Redeiheil erkannt hat. Kurz, er galt als eine
Autorität in seinem Fache. Als solche bezeichnet ihn auch Quintilian, indem
er ihn neben dem berühmten Aristarch nennt, und Juvenal, indem er den Namen
Palämon figürlich für die ganze Grammatikerzunft setzt und an einer Stelle
von den überbildcten Frauen sagt: ,


"Ich hasse auch jene,
Welche mir immer von neuem die Kunst des Palämon abhaspelt,
Stets beachtend den Brauch und die regelnde Satzung der Sprache,
Als Altforschcrin mir unerkundete Verse bereit hält,
Und Ausdrücke, von uns überhört, der altfränkischen Freundin
Tadelt. Dem Ehhcrrn soll Sprachschnitzer zu machen erlaubt sein."

Zu seinen Schülern zählte der Satiriker Persius und der edle Quintilian.
Wenn dieser in seiner Anweisung zur Redekunst von einigen Schuleinrichtungen
seiner früheren Lehrer spricht, so hat man volles Recht, dabei vorzüglich an


Grenjbvtm I. 18V7. 14

denn er lernte nichts umsonst in seinem Leben, dieser Egoist. Da geschah es
aber, daß das Söhnlein des Hauses soweit heranwuchs, daß er zur Schule
wandern mühte, und Palämon wurde seines Dienstes entKoben und dem Knaben
zucommandirt. um diesem, der sich nach dem guten Ton nicht mit dem großen
Pennäle, das Bücherrollen, Schreibmaterialien u. tgi, enthielt, befassen durfte,
als Träger desselben zu diene». Als literarischer Handlanger seines Herrn be¬
kam Palämon auch das Recht, unentgeltlich in dessen Unterrichtsstunden zu hos-
pitiren. Hier ging ihm eine neue Welt auf und kein Schulmeister von Vicenza
wird wohl einen wisscnsourstigere» Zuhörer gehabt haben, als der Schnurrant
Palämon war! Wir wollen dem eigentlichen Nhemmius Famulus nicht Unrecht
thun; aber wir glauben doch dann nicht zu irren, daß er weniger lernte als
sein Famulus. Dieser wurde ülmgens einige Zeit später, vielleicht durch
Testament seiner Herrin, freigelassen (wobei er den Familiennamen seiner Herr¬
schaft der Sitte nach zwischen den Stlavennamen Palämon und den neu ge¬
wählten Vornamen Quintus setzte) und widmete sich ganz der Philologie. Nach¬
dem er sich vielleicht schon in Oberitalien im Lehramte geübt hatte, zog er
unter Tiverius nach Rom. Hier gewann er bald pädagogischen und wissen¬
schaftlichen Ruf und galt endlich für den ersten Grammatiker der Residenz. Eine
ungemeine Gewandtheit im Sprechen und ein großes Sachgedächtniß fesselte
die Leute. Er war wohl im Stande, den unverschämten Anforderungen an die
Gelehrsamkeit der Lehrer, welche Juvenal in seiner pikanten Satire aufzählt,
entsprechen zu können. Außerdem verfertigte er aber auch Gedichte aus dem
Stegreife und schrieb in verschiedenen künstlichen Strophenarten. In der
Grammatik war er scharfsinnig und seine Eintheilung der Nedctheile, wie seine
Definition der Pronomina, Conjunctionen und Präpositionen wurden von spä¬
teren Grammatikern adoptirt. Auch scheint er der Erste gewesen zu sein, der
die Jnterjection als besonderen Redeiheil erkannt hat. Kurz, er galt als eine
Autorität in seinem Fache. Als solche bezeichnet ihn auch Quintilian, indem
er ihn neben dem berühmten Aristarch nennt, und Juvenal, indem er den Namen
Palämon figürlich für die ganze Grammatikerzunft setzt und an einer Stelle
von den überbildcten Frauen sagt: ,


„Ich hasse auch jene,
Welche mir immer von neuem die Kunst des Palämon abhaspelt,
Stets beachtend den Brauch und die regelnde Satzung der Sprache,
Als Altforschcrin mir unerkundete Verse bereit hält,
Und Ausdrücke, von uns überhört, der altfränkischen Freundin
Tadelt. Dem Ehhcrrn soll Sprachschnitzer zu machen erlaubt sein."

Zu seinen Schülern zählte der Satiriker Persius und der edle Quintilian.
Wenn dieser in seiner Anweisung zur Redekunst von einigen Schuleinrichtungen
seiner früheren Lehrer spricht, so hat man volles Recht, dabei vorzüglich an


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[0115] denn er lernte nichts umsonst in seinem Leben, dieser Egoist. Da geschah es aber, daß das Söhnlein des Hauses soweit heranwuchs, daß er zur Schule wandern mühte, und Palämon wurde seines Dienstes entKoben und dem Knaben zucommandirt. um diesem, der sich nach dem guten Ton nicht mit dem großen Pennäle, das Bücherrollen, Schreibmaterialien u. tgi, enthielt, befassen durfte, als Träger desselben zu diene». Als literarischer Handlanger seines Herrn be¬ kam Palämon auch das Recht, unentgeltlich in dessen Unterrichtsstunden zu hos- pitiren. Hier ging ihm eine neue Welt auf und kein Schulmeister von Vicenza wird wohl einen wisscnsourstigere» Zuhörer gehabt haben, als der Schnurrant Palämon war! Wir wollen dem eigentlichen Nhemmius Famulus nicht Unrecht thun; aber wir glauben doch dann nicht zu irren, daß er weniger lernte als sein Famulus. Dieser wurde ülmgens einige Zeit später, vielleicht durch Testament seiner Herrin, freigelassen (wobei er den Familiennamen seiner Herr¬ schaft der Sitte nach zwischen den Stlavennamen Palämon und den neu ge¬ wählten Vornamen Quintus setzte) und widmete sich ganz der Philologie. Nach¬ dem er sich vielleicht schon in Oberitalien im Lehramte geübt hatte, zog er unter Tiverius nach Rom. Hier gewann er bald pädagogischen und wissen¬ schaftlichen Ruf und galt endlich für den ersten Grammatiker der Residenz. Eine ungemeine Gewandtheit im Sprechen und ein großes Sachgedächtniß fesselte die Leute. Er war wohl im Stande, den unverschämten Anforderungen an die Gelehrsamkeit der Lehrer, welche Juvenal in seiner pikanten Satire aufzählt, entsprechen zu können. Außerdem verfertigte er aber auch Gedichte aus dem Stegreife und schrieb in verschiedenen künstlichen Strophenarten. In der Grammatik war er scharfsinnig und seine Eintheilung der Nedctheile, wie seine Definition der Pronomina, Conjunctionen und Präpositionen wurden von spä¬ teren Grammatikern adoptirt. Auch scheint er der Erste gewesen zu sein, der die Jnterjection als besonderen Redeiheil erkannt hat. Kurz, er galt als eine Autorität in seinem Fache. Als solche bezeichnet ihn auch Quintilian, indem er ihn neben dem berühmten Aristarch nennt, und Juvenal, indem er den Namen Palämon figürlich für die ganze Grammatikerzunft setzt und an einer Stelle von den überbildcten Frauen sagt: , „Ich hasse auch jene, Welche mir immer von neuem die Kunst des Palämon abhaspelt, Stets beachtend den Brauch und die regelnde Satzung der Sprache, Als Altforschcrin mir unerkundete Verse bereit hält, Und Ausdrücke, von uns überhört, der altfränkischen Freundin Tadelt. Dem Ehhcrrn soll Sprachschnitzer zu machen erlaubt sein." Zu seinen Schülern zählte der Satiriker Persius und der edle Quintilian. Wenn dieser in seiner Anweisung zur Redekunst von einigen Schuleinrichtungen seiner früheren Lehrer spricht, so hat man volles Recht, dabei vorzüglich an Grenjbvtm I. 18V7. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/115>, abgerufen am 22.12.2024.