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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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werden könnte. Die sächsischen Offiziere würden in der großen Mehrzahl als
unzufriedene Pensionirte im Lande leben, und Preußen würde für ein ganzes
Armeecorps Offiziere, und zwar tüchtige Führer in schwieriger Stellung zu
schaffen haben. Ein anderer Fall ist, daß nur das Offiziercorps, oder gar nur
die oberen Chargen preußisch würden, d. h. dem König von Preußen den Fahnen¬
eid ablegen, daß aber die Mannschaften in ihrem alten Verhältniß zu ihrem
sächsischen Kriegsherrn verbleiben, übrigens nach preußischem Muster organisirt
würden. Es bedarf keiner Ausführung, daß dieses Auskunftsmittel das schlech-
teste von allen ist, es giebt unsichere Soldaten und ein feindliches Verhältniß
zwischen Gemeinen und Offizieren oder zwischen Offizieren und Oberoffizieren.
Der dritte Fall endlich wäre, daß die sächsische Armee erhalten bleibt, und daß
nur ihr Commandeur dem obersten Kriegsherrn eidlich verpflichtet wird. Dieser
Ausweg hat allerdings den Uebelstand, daß die eidlich verpflichtete Persönlichkeit
bei ernstem Conflict der Regierungen von Sachsen leicht entfernt werden kann,
und daß alsdann der dünne Faden abgerissen ist, welcher das sächsische Heer in
Bundespflicht hält. Derselbe Ausweg nimmt aber auf der andern Seite, wie
schon früher hier bemerkt wurde, einer Anfügung des sächsischen Heers an die
Bundesarmee alle militärischen Schwierigkeiten.

Da diese Lösung aus politischen Gründen nicht gewählt werden kann und
von Preußen bereits entschieden zurückgewiesen ist, so bleibt nur der erste: Ein¬
verleibung des sächsischen Heeres in die preußische Armee.

Wenn aber dies durchgesetzt wird, dann ist für gemeinen Menschenverstand
unmöglich zu begreifen, wie das sächsische Königshaus neben einem preußischen
Heere in Sachsen wohnen und regieren soll. Und sollte dies Unverständliche
doch versucht werden, so würde auch Preußen Uebelstände zu tragen haben.
Denn es zieht den sächsischen Mann nur auf wenige Jahre zur preußischen
Fahne, er kommt aus einer Bevölkerung, in welcher der Gegensatz zu preu¬
ßischem Wesen durch ein heimisches erbittertes Regiment in schneidender Schärfe
erhalten wird und er kehrt in das bürgerliche Leben zurück, um die späteren
Jahre seines Lebens unter sächsischer Herrschaft zu verbringen; unter der Fahne
Schwarz-weiß, im Civil Grün-weiß, das kann in der nächsten Generation nicht
gut thun, allmälig freilich, wenn ein solches Verhältniß überhaupt Dauer haben
könnte, würden Soldaten und Bürger trotz alledew Preußisch werden,

Aus diesen Gründen ist man zu dem Schlüsse berechtigt, daß wenn Preußen
auf einer Einverleibung des sächsischen Heeres in das preußische fest stehen bleibt
-- wie jetzt die Absicht ist -- der Friede überhaupt nicht geschlossen wird, und
daß, wenn er doch zu Stande käme, ein solcher Friede nur der Anfang einer
in Kurzem eintretenden neuen Umformung der sächsischen Verhältnisse sein
könnte.

Für die preußische Regierung ist die Lösung der sächsischen Frage abhängig


werden könnte. Die sächsischen Offiziere würden in der großen Mehrzahl als
unzufriedene Pensionirte im Lande leben, und Preußen würde für ein ganzes
Armeecorps Offiziere, und zwar tüchtige Führer in schwieriger Stellung zu
schaffen haben. Ein anderer Fall ist, daß nur das Offiziercorps, oder gar nur
die oberen Chargen preußisch würden, d. h. dem König von Preußen den Fahnen¬
eid ablegen, daß aber die Mannschaften in ihrem alten Verhältniß zu ihrem
sächsischen Kriegsherrn verbleiben, übrigens nach preußischem Muster organisirt
würden. Es bedarf keiner Ausführung, daß dieses Auskunftsmittel das schlech-
teste von allen ist, es giebt unsichere Soldaten und ein feindliches Verhältniß
zwischen Gemeinen und Offizieren oder zwischen Offizieren und Oberoffizieren.
Der dritte Fall endlich wäre, daß die sächsische Armee erhalten bleibt, und daß
nur ihr Commandeur dem obersten Kriegsherrn eidlich verpflichtet wird. Dieser
Ausweg hat allerdings den Uebelstand, daß die eidlich verpflichtete Persönlichkeit
bei ernstem Conflict der Regierungen von Sachsen leicht entfernt werden kann,
und daß alsdann der dünne Faden abgerissen ist, welcher das sächsische Heer in
Bundespflicht hält. Derselbe Ausweg nimmt aber auf der andern Seite, wie
schon früher hier bemerkt wurde, einer Anfügung des sächsischen Heers an die
Bundesarmee alle militärischen Schwierigkeiten.

Da diese Lösung aus politischen Gründen nicht gewählt werden kann und
von Preußen bereits entschieden zurückgewiesen ist, so bleibt nur der erste: Ein¬
verleibung des sächsischen Heeres in die preußische Armee.

Wenn aber dies durchgesetzt wird, dann ist für gemeinen Menschenverstand
unmöglich zu begreifen, wie das sächsische Königshaus neben einem preußischen
Heere in Sachsen wohnen und regieren soll. Und sollte dies Unverständliche
doch versucht werden, so würde auch Preußen Uebelstände zu tragen haben.
Denn es zieht den sächsischen Mann nur auf wenige Jahre zur preußischen
Fahne, er kommt aus einer Bevölkerung, in welcher der Gegensatz zu preu¬
ßischem Wesen durch ein heimisches erbittertes Regiment in schneidender Schärfe
erhalten wird und er kehrt in das bürgerliche Leben zurück, um die späteren
Jahre seines Lebens unter sächsischer Herrschaft zu verbringen; unter der Fahne
Schwarz-weiß, im Civil Grün-weiß, das kann in der nächsten Generation nicht
gut thun, allmälig freilich, wenn ein solches Verhältniß überhaupt Dauer haben
könnte, würden Soldaten und Bürger trotz alledew Preußisch werden,

Aus diesen Gründen ist man zu dem Schlüsse berechtigt, daß wenn Preußen
auf einer Einverleibung des sächsischen Heeres in das preußische fest stehen bleibt
— wie jetzt die Absicht ist — der Friede überhaupt nicht geschlossen wird, und
daß, wenn er doch zu Stande käme, ein solcher Friede nur der Anfang einer
in Kurzem eintretenden neuen Umformung der sächsischen Verhältnisse sein
könnte.

Für die preußische Regierung ist die Lösung der sächsischen Frage abhängig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/98>, abgerufen am 02.07.2024.