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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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spondenz gestern versicherte, die Rücksichten auf die europäische Stellung Preu¬
ßens und auf Sicherung des Weltfriedens hätten eine Abmachung mit Sachsen
in die größte Nähe gerückt, so versichert morgen wieder ein Korrespondent, der
sein Ohr einem andern officiellen Charakter genähert hat, es sei daran gar
nicht zu denken. Es wird gut sein, auf alle diese Nachrichten wenig zu geben;
zumal so lange Graf Bismarck fern von den Geschäften lebt, wird schwerlich
etwas entschieden werden. Wenn die Verhandlungen einmal dem Abschluß nahe
waren, so ist diese Situation vorbei, und wir werden uns in Sachsen darein
finden müssen, daß der Friede noch weit entfernt ist und daß namentlich in der
Militärconvention die Differenz zwischen den preußischen Forderungen und den
sächsischen Zugeständnissen noch sehr groß ist.

Was die preußische Negierung in dem Lande thun wird, wenn die Friedens¬
verhandlungen abgebrochen werden müßten, darüber wissen wir nichts. Aber
offenbar hält sie für nicht zeitgemäß, in dem bisher tolerirtcn Gange der Re¬
gierung etwas zu ändern, so lange die Verhandlungen schweben.

Die Hindernisse, welche der Militärconvention entgegenstehen, kommen im
letzten Grunde daher, daß Preußen in seinem und des Bundesstaats Interesse
etwas fordern muß, was nach der Anschauung aller Höfe einer Mediatisirung
des sächsischen Königshauses gleichkommt. Und der dahinter liegende größere
Uebelstand ist der, daß selbst durch eine Militäreonvention. welche in Wahrheit
das sächsische Heer unter Preußen stellt, immer etwas Ungenügendes geschaffen
wird, wenn das sächsische Königshaus daneben restituirt wird. Denn welche
Fälle sind hier möglich? Der erste ist, daß das gesammte sächsische Heer durch
Fahneneid an den Bundeskriegsherrn, also den König von Preußen, gebunden
und in seiner ganzen Organisation preußisch wird. Also preußische Aushebungs¬
commission, Militärgesetz, Exercitium und Bewaffnung, ein Offiziercorps, welches
ganz aus Preußen zusammengesetzt wird.

Bei solcher Heeresverfassung würde allerdings im Laufe der Jahre das
sächsische Volk preußisch werden, nur ist für ein Königthum von Sachsen da¬
neben offenbar kein Raum im Lande. Und Preußen seinerseits würde während
der nächsten Jahre mit widerspenstiger Mannschaft zu thun haben, und das
sächsische Offiziercorps würde in der preußischen Armee schwer untergebracht
werden können. Denn wenn dasselbe bei den sächsischen Regimentern die Ma¬
jorität hätte, so würde die Stellung der dazu commandirten preußischen Offi¬
ziere eine äußerst unbehagliche sein, nicht besser die der sächsischen Offiziere in
preußischen Garnisonen. Es ist sehr wohl möglich, daß Militärs, die vor
Kurzem gegen einander gekämpft haben, gute Kriegskameraden werden, aber
nach allem, was diesem Kriege vorausgegangen und gefolgt ist, ist man nicht
zu der Annahme berechtigt, daß zwischen den Gegnern von Königsgrätz an
demselben Offizierstisch ein gutes kameradschaftliches Verhältniß durchgesetzt


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spondenz gestern versicherte, die Rücksichten auf die europäische Stellung Preu¬
ßens und auf Sicherung des Weltfriedens hätten eine Abmachung mit Sachsen
in die größte Nähe gerückt, so versichert morgen wieder ein Korrespondent, der
sein Ohr einem andern officiellen Charakter genähert hat, es sei daran gar
nicht zu denken. Es wird gut sein, auf alle diese Nachrichten wenig zu geben;
zumal so lange Graf Bismarck fern von den Geschäften lebt, wird schwerlich
etwas entschieden werden. Wenn die Verhandlungen einmal dem Abschluß nahe
waren, so ist diese Situation vorbei, und wir werden uns in Sachsen darein
finden müssen, daß der Friede noch weit entfernt ist und daß namentlich in der
Militärconvention die Differenz zwischen den preußischen Forderungen und den
sächsischen Zugeständnissen noch sehr groß ist.

Was die preußische Negierung in dem Lande thun wird, wenn die Friedens¬
verhandlungen abgebrochen werden müßten, darüber wissen wir nichts. Aber
offenbar hält sie für nicht zeitgemäß, in dem bisher tolerirtcn Gange der Re¬
gierung etwas zu ändern, so lange die Verhandlungen schweben.

Die Hindernisse, welche der Militärconvention entgegenstehen, kommen im
letzten Grunde daher, daß Preußen in seinem und des Bundesstaats Interesse
etwas fordern muß, was nach der Anschauung aller Höfe einer Mediatisirung
des sächsischen Königshauses gleichkommt. Und der dahinter liegende größere
Uebelstand ist der, daß selbst durch eine Militäreonvention. welche in Wahrheit
das sächsische Heer unter Preußen stellt, immer etwas Ungenügendes geschaffen
wird, wenn das sächsische Königshaus daneben restituirt wird. Denn welche
Fälle sind hier möglich? Der erste ist, daß das gesammte sächsische Heer durch
Fahneneid an den Bundeskriegsherrn, also den König von Preußen, gebunden
und in seiner ganzen Organisation preußisch wird. Also preußische Aushebungs¬
commission, Militärgesetz, Exercitium und Bewaffnung, ein Offiziercorps, welches
ganz aus Preußen zusammengesetzt wird.

Bei solcher Heeresverfassung würde allerdings im Laufe der Jahre das
sächsische Volk preußisch werden, nur ist für ein Königthum von Sachsen da¬
neben offenbar kein Raum im Lande. Und Preußen seinerseits würde während
der nächsten Jahre mit widerspenstiger Mannschaft zu thun haben, und das
sächsische Offiziercorps würde in der preußischen Armee schwer untergebracht
werden können. Denn wenn dasselbe bei den sächsischen Regimentern die Ma¬
jorität hätte, so würde die Stellung der dazu commandirten preußischen Offi¬
ziere eine äußerst unbehagliche sein, nicht besser die der sächsischen Offiziere in
preußischen Garnisonen. Es ist sehr wohl möglich, daß Militärs, die vor
Kurzem gegen einander gekämpft haben, gute Kriegskameraden werden, aber
nach allem, was diesem Kriege vorausgegangen und gefolgt ist, ist man nicht
zu der Annahme berechtigt, daß zwischen den Gegnern von Königsgrätz an
demselben Offizierstisch ein gutes kameradschaftliches Verhältniß durchgesetzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/97>, abgerufen am 02.07.2024.