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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Mannigfaltigkeit der Bestimmungen von selbst zeigt, daß alle Zweige des staat¬
lichen Lebens von ihnen betroffen werden.

Art. I schafft ein deutsches Neichsbürgerrecht, sichert die Freiheit der Nieder¬
lassung und des Gewerbebetriebs, sowie der Auswanderung und schreibt gleich¬
mäßige rechtliche Behandlung der Deutschen in allen Staaten vor. Die schon
von der Bundesacte verbotene Erhebung der Abzugsgelder wird wieder untersagt
und die Strafe des bürgerlichen Todes aufgehoben.

Art. II spricht unter Aufhebung des Adels die Gleichheit der Stände aus,
beseitigt alle nicht mit einem Amte verbundenen Titel, verbietet die Annahme
fremder Orden, erklärt die allgemeine Berechtigung zu den öffentlichen Aemtern
und führt die allgemeine Wehrpflicht ein.

Art. III sichert die persönliche Freiheit, bestimmt die Formen und Voraus¬
setzungen für Verhaftungen und Haussuchungen, hebt die Todesstrafe, Pranger.
Brandmarkung und körperliche Züchtigung auf und gewährleistet das Brief¬
geheimniß.

In Art. IV wird die Preßfreiheit ausgesprochen und die Aburtheilung der
Preßvergehen den Schwurgerichten überwiesen.

Art. ^ erklärt die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und der Religions¬
gesellschaften, schafft die Staatskirchen ab, untersagt den Zwang zu kirchlichen
Handlungen, vereinfacht die Eidesformel, führt die bürgerliche Ehe ein, hebt das
Eheverbot zwischen Christen und Nichtchristen auf und überträgt die Führung
der Standesbücher an die bürgerlichen Behörden.

Durch Art. VI wird Lern- und Lehrfreiheit verkündet, die-Schule der
Aufsicht des Staats unterstellt und nur bezüglich des Religionsunterrichts der
Kirche ein Aufsichtsrecht gelassen. Den öffentlichen Lehrern werden die Rechte
der Staatsdiener beigelegt, die Anstellung der Lehrer gebt unter Wahrung der
Betheiligung der Gemeinden auf den Staat über. Das Schulgeld wird für
Volks- und niedere Gewerbeschulen aufgehoben, für Unbemittelte der kostenfreie
Unterricht an allen öffentlichen Lehranstalten angeordnet.. Der Schulzwang be¬
steht fort; die Freiheit der Berufswahl und -Bildung wird anerkannt.

Art. VII gewährleistet das Bitt- und Beschwerderecht und gestattet die ge¬
richtliche Verfolgung öffentlicher Beamten wegen amtlicher Handlungen ohne
vorgängige Genehmigung der Behörden.

Art. VIII sichert das Vereins- und Versammlungsrecht.

Art. IX erklärt die Unverletzlichkeit des Eigenthums unter Vorbehalt des
Rechts der Enteignung, schützt das geistige Eigenthum, spricht die Veräußerlich-
keit und Theilbarkeit des Grundeigenthums aus. hebt die Untertänigkeit auf,
schafft die Patrimonialgerichtsbarkeit, gutsherrliche Polizei und alle hieraus
fließenden Leistungen und Gegenleistungen ab, befreit das Grundeigenthum von
Zehnten und Abgaben unablösbarer Art, giebt das Jagdrecht dem Eigen-


Mannigfaltigkeit der Bestimmungen von selbst zeigt, daß alle Zweige des staat¬
lichen Lebens von ihnen betroffen werden.

Art. I schafft ein deutsches Neichsbürgerrecht, sichert die Freiheit der Nieder¬
lassung und des Gewerbebetriebs, sowie der Auswanderung und schreibt gleich¬
mäßige rechtliche Behandlung der Deutschen in allen Staaten vor. Die schon
von der Bundesacte verbotene Erhebung der Abzugsgelder wird wieder untersagt
und die Strafe des bürgerlichen Todes aufgehoben.

Art. II spricht unter Aufhebung des Adels die Gleichheit der Stände aus,
beseitigt alle nicht mit einem Amte verbundenen Titel, verbietet die Annahme
fremder Orden, erklärt die allgemeine Berechtigung zu den öffentlichen Aemtern
und führt die allgemeine Wehrpflicht ein.

Art. III sichert die persönliche Freiheit, bestimmt die Formen und Voraus¬
setzungen für Verhaftungen und Haussuchungen, hebt die Todesstrafe, Pranger.
Brandmarkung und körperliche Züchtigung auf und gewährleistet das Brief¬
geheimniß.

In Art. IV wird die Preßfreiheit ausgesprochen und die Aburtheilung der
Preßvergehen den Schwurgerichten überwiesen.

Art. ^ erklärt die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und der Religions¬
gesellschaften, schafft die Staatskirchen ab, untersagt den Zwang zu kirchlichen
Handlungen, vereinfacht die Eidesformel, führt die bürgerliche Ehe ein, hebt das
Eheverbot zwischen Christen und Nichtchristen auf und überträgt die Führung
der Standesbücher an die bürgerlichen Behörden.

Durch Art. VI wird Lern- und Lehrfreiheit verkündet, die-Schule der
Aufsicht des Staats unterstellt und nur bezüglich des Religionsunterrichts der
Kirche ein Aufsichtsrecht gelassen. Den öffentlichen Lehrern werden die Rechte
der Staatsdiener beigelegt, die Anstellung der Lehrer gebt unter Wahrung der
Betheiligung der Gemeinden auf den Staat über. Das Schulgeld wird für
Volks- und niedere Gewerbeschulen aufgehoben, für Unbemittelte der kostenfreie
Unterricht an allen öffentlichen Lehranstalten angeordnet.. Der Schulzwang be¬
steht fort; die Freiheit der Berufswahl und -Bildung wird anerkannt.

Art. VII gewährleistet das Bitt- und Beschwerderecht und gestattet die ge¬
richtliche Verfolgung öffentlicher Beamten wegen amtlicher Handlungen ohne
vorgängige Genehmigung der Behörden.

Art. VIII sichert das Vereins- und Versammlungsrecht.

Art. IX erklärt die Unverletzlichkeit des Eigenthums unter Vorbehalt des
Rechts der Enteignung, schützt das geistige Eigenthum, spricht die Veräußerlich-
keit und Theilbarkeit des Grundeigenthums aus. hebt die Untertänigkeit auf,
schafft die Patrimonialgerichtsbarkeit, gutsherrliche Polizei und alle hieraus
fließenden Leistungen und Gegenleistungen ab, befreit das Grundeigenthum von
Zehnten und Abgaben unablösbarer Art, giebt das Jagdrecht dem Eigen-


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[0082] Mannigfaltigkeit der Bestimmungen von selbst zeigt, daß alle Zweige des staat¬ lichen Lebens von ihnen betroffen werden. Art. I schafft ein deutsches Neichsbürgerrecht, sichert die Freiheit der Nieder¬ lassung und des Gewerbebetriebs, sowie der Auswanderung und schreibt gleich¬ mäßige rechtliche Behandlung der Deutschen in allen Staaten vor. Die schon von der Bundesacte verbotene Erhebung der Abzugsgelder wird wieder untersagt und die Strafe des bürgerlichen Todes aufgehoben. Art. II spricht unter Aufhebung des Adels die Gleichheit der Stände aus, beseitigt alle nicht mit einem Amte verbundenen Titel, verbietet die Annahme fremder Orden, erklärt die allgemeine Berechtigung zu den öffentlichen Aemtern und führt die allgemeine Wehrpflicht ein. Art. III sichert die persönliche Freiheit, bestimmt die Formen und Voraus¬ setzungen für Verhaftungen und Haussuchungen, hebt die Todesstrafe, Pranger. Brandmarkung und körperliche Züchtigung auf und gewährleistet das Brief¬ geheimniß. In Art. IV wird die Preßfreiheit ausgesprochen und die Aburtheilung der Preßvergehen den Schwurgerichten überwiesen. Art. ^ erklärt die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und der Religions¬ gesellschaften, schafft die Staatskirchen ab, untersagt den Zwang zu kirchlichen Handlungen, vereinfacht die Eidesformel, führt die bürgerliche Ehe ein, hebt das Eheverbot zwischen Christen und Nichtchristen auf und überträgt die Führung der Standesbücher an die bürgerlichen Behörden. Durch Art. VI wird Lern- und Lehrfreiheit verkündet, die-Schule der Aufsicht des Staats unterstellt und nur bezüglich des Religionsunterrichts der Kirche ein Aufsichtsrecht gelassen. Den öffentlichen Lehrern werden die Rechte der Staatsdiener beigelegt, die Anstellung der Lehrer gebt unter Wahrung der Betheiligung der Gemeinden auf den Staat über. Das Schulgeld wird für Volks- und niedere Gewerbeschulen aufgehoben, für Unbemittelte der kostenfreie Unterricht an allen öffentlichen Lehranstalten angeordnet.. Der Schulzwang be¬ steht fort; die Freiheit der Berufswahl und -Bildung wird anerkannt. Art. VII gewährleistet das Bitt- und Beschwerderecht und gestattet die ge¬ richtliche Verfolgung öffentlicher Beamten wegen amtlicher Handlungen ohne vorgängige Genehmigung der Behörden. Art. VIII sichert das Vereins- und Versammlungsrecht. Art. IX erklärt die Unverletzlichkeit des Eigenthums unter Vorbehalt des Rechts der Enteignung, schützt das geistige Eigenthum, spricht die Veräußerlich- keit und Theilbarkeit des Grundeigenthums aus. hebt die Untertänigkeit auf, schafft die Patrimonialgerichtsbarkeit, gutsherrliche Polizei und alle hieraus fließenden Leistungen und Gegenleistungen ab, befreit das Grundeigenthum von Zehnten und Abgaben unablösbarer Art, giebt das Jagdrecht dem Eigen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/82>, abgerufen am 02.07.2024.