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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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ein umgekehrter Saturn, seine widerwilligen Väter verschlingen könnte. In
dieser Stellung, welche wir nicht näher ausmalen wollen, war es nicht oppor¬
tun, einen Conflict aufzusuchen, dem man ausweichen konnte. Denn hinter der
Landesverfassung geht in der nächsten Zukunft vielleicht die Reichsverfassung
eines deutschen Einheitsstaates oder wenigstens die Unionsverfassung eines deut¬
schen Bundesstaats auf.

Gewiß, der Staatsschatz birgt in sich konstitutionelle Bedenken und Gefahren.
Aber die Frage ist: Werden diese Gefahren durch die Verweigerung der Wieder-
anfüllung vermindert oder nicht vielmehr vermehrt?

Gewiß, der Staatsschatz bedarf einer legislativen Regelung. Aber die Früge
ist: Ist der gegenwärtige Augenblick der geeignete hierzu?

Der Staatsschatz war gefüllt. Der Krieg hat ihn geleert. Es gilt, ihn
wieder zu füllen. Der König hat den Krieg begonnen gegen den Willen der
Landesvertretung. Allein das Volk giebt in diesem Falle, wie es scheint, jetzt
dem König Recht und jauchzt dem. was durch den Krieg erreicht worden ist,
seinen, Vcisall zu. Und alles das wäre nicht erreicht, oder wenigstens nicht so
schnell und nicht so glänzend erreicht worden ohne den Staatsschatz. Der
Staatsschatz ist daher im Augenblick -- trotz alledem und alledem -- eine po¬
puläre Institution.' Dazu ist er aber auch eine bestehende Institution, welche
der eine legislative Facior nicht beseitigen kann ohne die Zustimmung der bei¬
den andern. Endlich aber haben von dem EinheUswert'e erst zwei Acte gespielt,
der dritte steht, wie oben dargethan, noch bevor. Ob er mit oder ohne Krieg
ausgeführt wird, wissen wir nicht. Deshalb müssen wir auch im liberalen
Interesse, an Mannschaft und Geld einen höheren oder mindestens denselben
Grad von Schlagferngkcit erhalten, welchen wir vorher hatten, ja selbst auf
die Gefahr hin, daß sür einige Zeit die freiheitliche Entwickelung hinter die
Macht- und Einheitsfrage ein wenig zurücktritt. Denn ein jedes Ding hat
seine Zeit.

Deshalb Beibehaltung des Staatsschatzes, so lange bis der Staat seine
Einheitsmisston erfüllt und jeder der gesetzgebenden Factoren die Ueberzeugung
von der Entbehrlichkeit dieser bis jetzt unentbehrlichen Stütze der nationalen
Poulet gewonnen hat.


Dr. Br.


ein umgekehrter Saturn, seine widerwilligen Väter verschlingen könnte. In
dieser Stellung, welche wir nicht näher ausmalen wollen, war es nicht oppor¬
tun, einen Conflict aufzusuchen, dem man ausweichen konnte. Denn hinter der
Landesverfassung geht in der nächsten Zukunft vielleicht die Reichsverfassung
eines deutschen Einheitsstaates oder wenigstens die Unionsverfassung eines deut¬
schen Bundesstaats auf.

Gewiß, der Staatsschatz birgt in sich konstitutionelle Bedenken und Gefahren.
Aber die Frage ist: Werden diese Gefahren durch die Verweigerung der Wieder-
anfüllung vermindert oder nicht vielmehr vermehrt?

Gewiß, der Staatsschatz bedarf einer legislativen Regelung. Aber die Früge
ist: Ist der gegenwärtige Augenblick der geeignete hierzu?

Der Staatsschatz war gefüllt. Der Krieg hat ihn geleert. Es gilt, ihn
wieder zu füllen. Der König hat den Krieg begonnen gegen den Willen der
Landesvertretung. Allein das Volk giebt in diesem Falle, wie es scheint, jetzt
dem König Recht und jauchzt dem. was durch den Krieg erreicht worden ist,
seinen, Vcisall zu. Und alles das wäre nicht erreicht, oder wenigstens nicht so
schnell und nicht so glänzend erreicht worden ohne den Staatsschatz. Der
Staatsschatz ist daher im Augenblick — trotz alledem und alledem — eine po¬
puläre Institution.' Dazu ist er aber auch eine bestehende Institution, welche
der eine legislative Facior nicht beseitigen kann ohne die Zustimmung der bei¬
den andern. Endlich aber haben von dem EinheUswert'e erst zwei Acte gespielt,
der dritte steht, wie oben dargethan, noch bevor. Ob er mit oder ohne Krieg
ausgeführt wird, wissen wir nicht. Deshalb müssen wir auch im liberalen
Interesse, an Mannschaft und Geld einen höheren oder mindestens denselben
Grad von Schlagferngkcit erhalten, welchen wir vorher hatten, ja selbst auf
die Gefahr hin, daß sür einige Zeit die freiheitliche Entwickelung hinter die
Macht- und Einheitsfrage ein wenig zurücktritt. Denn ein jedes Ding hat
seine Zeit.

Deshalb Beibehaltung des Staatsschatzes, so lange bis der Staat seine
Einheitsmisston erfüllt und jeder der gesetzgebenden Factoren die Ueberzeugung
von der Entbehrlichkeit dieser bis jetzt unentbehrlichen Stütze der nationalen
Poulet gewonnen hat.


Dr. Br.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/60>, abgerufen am 02.07.2024.