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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Meine Berechtigung, über den preußischen Staatsschatz mitzureden, leite
ich auch nicht blos daraus her. daß wir nun Preußen und also beim Wohl
und Wehe des preußischen Staats -- des einzigen wirklichen Staats in
Deutschland, denn weder das noch ungeordnete Conglomerat. welches sich Oest¬
reich nennt, noch eines der deutschen Territorien, mag es einen noch so stolzen
Titel führen, ist ein wirklicher moderner Staat-- so direct interessirt sind, wie
irgendjemand sonst, und daß wir an dem Nutzen und dem Schaden, den Vor¬
theilen und den Lasten, welche ein gefüllter Schatz für Preußen im Gefolge
führt, unsern vollen Antheil haben werden. Ich stütze sie vielmehr auf die
Behauptung, daß eine Frage nur dadurch reif und klar wird, daß man sie von
den verschiedensten Seiten aus beleuchtet; und der Standpunkt jemandes, der
ein halbes Menschenalter hindurch von liberaler und nationaler Seite her gegen
die Zwergstaaterei und deren Uebelstände einen ununterbrochenen, beharrlichen
und nicht ganz erfolglosen Krieg geführt hat, und der sich nun freut, nach
Kräften einem wirklichen Großstaat, welcher bereits national ist und sicherlich
liberal werden wird, zu dienen -- nun, das ist am Ende doch auch ein Stand¬
punkt, der durch die große örtliche Entfernung, weiche mich von Berlin trennt,
vielleicht nicht einmal an Bedeutung verliert. Denn zuweilen gewährt eine
weite Distanz eine größere Perspective und bessere Uebersicht als die unmittel¬
bare Nähe; und wenn ich hinsichtlich der bisherigen preußischen Lerfassungs-
kämpfe, welcher^ ich indeß stets bis in das Detail mit der größten Aufmerksamkeit
gefolgt bin -- denn es waren deutsche Kämpfe, und sie werden früher oder
später ihre Flüchte für Deutschland tragen -- nicht so genau informire bin,
wie ein langjähriges Mitglied des Abgeordnetenhauses, so bin ich dafür andrer¬
seits völlig frei von den Nachwirkungen einer früher eingenommenen Position.
Dergleichen Nachwirkungen aber dauern in der Regel länger -- sie sollten es
freilich nicht -- als die erregenden Voraussetzungen. Zumal die Gemüths-
affectionen, welche durch lange Streitigkeiten erzeugt werden, und in der Regel
länger dauern als der Streitgegenstand selbst und der darüber geführte Partei¬
kampf. Wir sehen dies z. B. jetzt in dem Abgeordnetenhaus, wo zwar conser-
vative wie liberale Mitglieder zuweilen einträchtig für eine Regierungsvorlage
stimmen, aber dann unter einander, ihre beiderseitigen Motive zu verdächtigen
bestrebt sind. -- So viel zur Legitimation meiner Person.

Was die Sache anlangt, so fasse ich das Jahr 1866 auf als eine ver¬
besserte und vermehrte Auflage des Jahres 1813. Jedes dieser Jahre ist eine
große deutsch-nationale That. Jedes hat uns von einer Fremdherrschaft befreit;
das Jahr 1813 von der französischen, das Jahr 1866 von der östreichischen.
Dadurch, daß Oestreich 1813 später noch in die Allianz gegen Frankreich ein¬
trat, wurde die.Unterwerfung der durch Napoleon den Ersten souverän gemachten
Rheinbundsfürsten und sonstigen Territorialherrn unter das unitarische deutsche


Meine Berechtigung, über den preußischen Staatsschatz mitzureden, leite
ich auch nicht blos daraus her. daß wir nun Preußen und also beim Wohl
und Wehe des preußischen Staats — des einzigen wirklichen Staats in
Deutschland, denn weder das noch ungeordnete Conglomerat. welches sich Oest¬
reich nennt, noch eines der deutschen Territorien, mag es einen noch so stolzen
Titel führen, ist ein wirklicher moderner Staat— so direct interessirt sind, wie
irgendjemand sonst, und daß wir an dem Nutzen und dem Schaden, den Vor¬
theilen und den Lasten, welche ein gefüllter Schatz für Preußen im Gefolge
führt, unsern vollen Antheil haben werden. Ich stütze sie vielmehr auf die
Behauptung, daß eine Frage nur dadurch reif und klar wird, daß man sie von
den verschiedensten Seiten aus beleuchtet; und der Standpunkt jemandes, der
ein halbes Menschenalter hindurch von liberaler und nationaler Seite her gegen
die Zwergstaaterei und deren Uebelstände einen ununterbrochenen, beharrlichen
und nicht ganz erfolglosen Krieg geführt hat, und der sich nun freut, nach
Kräften einem wirklichen Großstaat, welcher bereits national ist und sicherlich
liberal werden wird, zu dienen — nun, das ist am Ende doch auch ein Stand¬
punkt, der durch die große örtliche Entfernung, weiche mich von Berlin trennt,
vielleicht nicht einmal an Bedeutung verliert. Denn zuweilen gewährt eine
weite Distanz eine größere Perspective und bessere Uebersicht als die unmittel¬
bare Nähe; und wenn ich hinsichtlich der bisherigen preußischen Lerfassungs-
kämpfe, welcher^ ich indeß stets bis in das Detail mit der größten Aufmerksamkeit
gefolgt bin — denn es waren deutsche Kämpfe, und sie werden früher oder
später ihre Flüchte für Deutschland tragen — nicht so genau informire bin,
wie ein langjähriges Mitglied des Abgeordnetenhauses, so bin ich dafür andrer¬
seits völlig frei von den Nachwirkungen einer früher eingenommenen Position.
Dergleichen Nachwirkungen aber dauern in der Regel länger — sie sollten es
freilich nicht — als die erregenden Voraussetzungen. Zumal die Gemüths-
affectionen, welche durch lange Streitigkeiten erzeugt werden, und in der Regel
länger dauern als der Streitgegenstand selbst und der darüber geführte Partei¬
kampf. Wir sehen dies z. B. jetzt in dem Abgeordnetenhaus, wo zwar conser-
vative wie liberale Mitglieder zuweilen einträchtig für eine Regierungsvorlage
stimmen, aber dann unter einander, ihre beiderseitigen Motive zu verdächtigen
bestrebt sind. — So viel zur Legitimation meiner Person.

Was die Sache anlangt, so fasse ich das Jahr 1866 auf als eine ver¬
besserte und vermehrte Auflage des Jahres 1813. Jedes dieser Jahre ist eine
große deutsch-nationale That. Jedes hat uns von einer Fremdherrschaft befreit;
das Jahr 1813 von der französischen, das Jahr 1866 von der östreichischen.
Dadurch, daß Oestreich 1813 später noch in die Allianz gegen Frankreich ein¬
trat, wurde die.Unterwerfung der durch Napoleon den Ersten souverän gemachten
Rheinbundsfürsten und sonstigen Territorialherrn unter das unitarische deutsche


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[0054] Meine Berechtigung, über den preußischen Staatsschatz mitzureden, leite ich auch nicht blos daraus her. daß wir nun Preußen und also beim Wohl und Wehe des preußischen Staats — des einzigen wirklichen Staats in Deutschland, denn weder das noch ungeordnete Conglomerat. welches sich Oest¬ reich nennt, noch eines der deutschen Territorien, mag es einen noch so stolzen Titel führen, ist ein wirklicher moderner Staat— so direct interessirt sind, wie irgendjemand sonst, und daß wir an dem Nutzen und dem Schaden, den Vor¬ theilen und den Lasten, welche ein gefüllter Schatz für Preußen im Gefolge führt, unsern vollen Antheil haben werden. Ich stütze sie vielmehr auf die Behauptung, daß eine Frage nur dadurch reif und klar wird, daß man sie von den verschiedensten Seiten aus beleuchtet; und der Standpunkt jemandes, der ein halbes Menschenalter hindurch von liberaler und nationaler Seite her gegen die Zwergstaaterei und deren Uebelstände einen ununterbrochenen, beharrlichen und nicht ganz erfolglosen Krieg geführt hat, und der sich nun freut, nach Kräften einem wirklichen Großstaat, welcher bereits national ist und sicherlich liberal werden wird, zu dienen — nun, das ist am Ende doch auch ein Stand¬ punkt, der durch die große örtliche Entfernung, weiche mich von Berlin trennt, vielleicht nicht einmal an Bedeutung verliert. Denn zuweilen gewährt eine weite Distanz eine größere Perspective und bessere Uebersicht als die unmittel¬ bare Nähe; und wenn ich hinsichtlich der bisherigen preußischen Lerfassungs- kämpfe, welcher^ ich indeß stets bis in das Detail mit der größten Aufmerksamkeit gefolgt bin — denn es waren deutsche Kämpfe, und sie werden früher oder später ihre Flüchte für Deutschland tragen — nicht so genau informire bin, wie ein langjähriges Mitglied des Abgeordnetenhauses, so bin ich dafür andrer¬ seits völlig frei von den Nachwirkungen einer früher eingenommenen Position. Dergleichen Nachwirkungen aber dauern in der Regel länger — sie sollten es freilich nicht — als die erregenden Voraussetzungen. Zumal die Gemüths- affectionen, welche durch lange Streitigkeiten erzeugt werden, und in der Regel länger dauern als der Streitgegenstand selbst und der darüber geführte Partei¬ kampf. Wir sehen dies z. B. jetzt in dem Abgeordnetenhaus, wo zwar conser- vative wie liberale Mitglieder zuweilen einträchtig für eine Regierungsvorlage stimmen, aber dann unter einander, ihre beiderseitigen Motive zu verdächtigen bestrebt sind. — So viel zur Legitimation meiner Person. Was die Sache anlangt, so fasse ich das Jahr 1866 auf als eine ver¬ besserte und vermehrte Auflage des Jahres 1813. Jedes dieser Jahre ist eine große deutsch-nationale That. Jedes hat uns von einer Fremdherrschaft befreit; das Jahr 1813 von der französischen, das Jahr 1866 von der östreichischen. Dadurch, daß Oestreich 1813 später noch in die Allianz gegen Frankreich ein¬ trat, wurde die.Unterwerfung der durch Napoleon den Ersten souverän gemachten Rheinbundsfürsten und sonstigen Territorialherrn unter das unitarische deutsche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/54>, abgerufen am 02.07.2024.