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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Unerschöpflich waren beide i" den effektvollsten, brillantesten Bildern von deren
kühnen, gefahrvollen Märschen über unwegsame Gebirge, von den verwegnen
Stürmen gegen Felsboden und toddräuende Schanzen, von den Feldwächter,
den Lagern in herrlichster Landschaft, den Flußübergängen, den ciberteuerlichen
Handstreichen, den wilden Scharmützeln, den gewaltigen Feldschlachten. Die
Phantasie dieser Zeichner nahm es mit der j.'tes officiellen östreichischen Tele¬
graphisten Von der Nordarmee auf an Reichthum der Erfindungskraft. Aber
die Bilder waren prächtig, wie es bei dem Geschick der Künstler, der Meister¬
schaft der Holzschneider, den pitoresk'en Trachten und der Größe und Schönheit
des landschaftlichen Charakters von Welschtirol und dem angrenzenden Ober-
italien kein Wunder ist.

Spät noch, nachdem bereits über den Waffenstillstand verhandelt wurde,
entschloß sich Adolph Menzel den Heeren zu folgen und wenigstens die Spuren
zu studire", welche der Krieg in den Gegenden, die er durchzogen, hinterlassen
hatte. Für einen Charaktenstiker dieses Schlages, für einen so gründlichen
Kenner der Wnklichkeit. dessen scharfem Blick keine Erscheinung derselben ent¬
geht, keine unwesentlich oder der künstlerischen Darstellung unwerth ist, war
noch immer genügend ausreichende Beute zu finden. In wenigen Wochen
und mit FälnlichkeiKu aller Art kämpfend, ha! er, was eben noch zu finden
war, auch wirklich gefunden und gezeichnet. Eine durch Menge und Gehalt
gleich erstaunliche Sammlung von Studien hat er als Frucht seiner Expedition,
als unschätzbares Material späterer künstlerischer Verarbeitung zu größern Zwecken
mit heim gebracht. Die von den Ereignissen geweihten Terrains, die zerstampften
Felder, die halbzerstörten Dörfer und Gehöfte, und dazu die Lazarethe mit ihrem
grausigen Inhalt, mit ihren Scenen des Jammers und der erhebenden Menschen¬
liebe waren die Hauptgegenstände für seine Zeichnung; und was er davon sehn
läßt, beweist wieder, wie dieses Meisters Blick in der Wesen Tiefe zu dringen
und den Kern der Erscheinungen zu elfassen versteht.

Professor Otto Heyden fand die Armee des Kronprinzen unmittelbar nach
dem Tage von Königsgrätz und begleitete ihr Hauptquartier bis zum Marchfclde.
In einem, bei dem Künstler von dem hohen Führer selbst bestellten größeren Bilde,
welches dessen Zusammentreffen mit seinem Vetter Friedrich Karl schildern soll,
werden wir demnächst erkennen können, von welchem Einfluß die Anschauung
so großer Dinge auf des Malers Phantasie und Darstellungsvermögen ge¬
wesen sei.

Man kann nicht grade behaupten, daß die daheim gebliebenen bedeuten¬
deren Künstler sich während der Dauer des Kriegs sehr beeifert und beeilt
hätten, des Publikums Schaubegicide durch erträgliche Phantasieschilderungen zu
befriedigen. Sie schienen leider jenen ruppiner Bilderbogen und den illustnrten
Blättern völlig das Feld zu überlassen. Und, nicht zu vergessen, -- den Pho-


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Unerschöpflich waren beide i» den effektvollsten, brillantesten Bildern von deren
kühnen, gefahrvollen Märschen über unwegsame Gebirge, von den verwegnen
Stürmen gegen Felsboden und toddräuende Schanzen, von den Feldwächter,
den Lagern in herrlichster Landschaft, den Flußübergängen, den ciberteuerlichen
Handstreichen, den wilden Scharmützeln, den gewaltigen Feldschlachten. Die
Phantasie dieser Zeichner nahm es mit der j.'tes officiellen östreichischen Tele¬
graphisten Von der Nordarmee auf an Reichthum der Erfindungskraft. Aber
die Bilder waren prächtig, wie es bei dem Geschick der Künstler, der Meister¬
schaft der Holzschneider, den pitoresk'en Trachten und der Größe und Schönheit
des landschaftlichen Charakters von Welschtirol und dem angrenzenden Ober-
italien kein Wunder ist.

Spät noch, nachdem bereits über den Waffenstillstand verhandelt wurde,
entschloß sich Adolph Menzel den Heeren zu folgen und wenigstens die Spuren
zu studire», welche der Krieg in den Gegenden, die er durchzogen, hinterlassen
hatte. Für einen Charaktenstiker dieses Schlages, für einen so gründlichen
Kenner der Wnklichkeit. dessen scharfem Blick keine Erscheinung derselben ent¬
geht, keine unwesentlich oder der künstlerischen Darstellung unwerth ist, war
noch immer genügend ausreichende Beute zu finden. In wenigen Wochen
und mit FälnlichkeiKu aller Art kämpfend, ha! er, was eben noch zu finden
war, auch wirklich gefunden und gezeichnet. Eine durch Menge und Gehalt
gleich erstaunliche Sammlung von Studien hat er als Frucht seiner Expedition,
als unschätzbares Material späterer künstlerischer Verarbeitung zu größern Zwecken
mit heim gebracht. Die von den Ereignissen geweihten Terrains, die zerstampften
Felder, die halbzerstörten Dörfer und Gehöfte, und dazu die Lazarethe mit ihrem
grausigen Inhalt, mit ihren Scenen des Jammers und der erhebenden Menschen¬
liebe waren die Hauptgegenstände für seine Zeichnung; und was er davon sehn
läßt, beweist wieder, wie dieses Meisters Blick in der Wesen Tiefe zu dringen
und den Kern der Erscheinungen zu elfassen versteht.

Professor Otto Heyden fand die Armee des Kronprinzen unmittelbar nach
dem Tage von Königsgrätz und begleitete ihr Hauptquartier bis zum Marchfclde.
In einem, bei dem Künstler von dem hohen Führer selbst bestellten größeren Bilde,
welches dessen Zusammentreffen mit seinem Vetter Friedrich Karl schildern soll,
werden wir demnächst erkennen können, von welchem Einfluß die Anschauung
so großer Dinge auf des Malers Phantasie und Darstellungsvermögen ge¬
wesen sei.

Man kann nicht grade behaupten, daß die daheim gebliebenen bedeuten¬
deren Künstler sich während der Dauer des Kriegs sehr beeifert und beeilt
hätten, des Publikums Schaubegicide durch erträgliche Phantasieschilderungen zu
befriedigen. Sie schienen leider jenen ruppiner Bilderbogen und den illustnrten
Blättern völlig das Feld zu überlassen. Und, nicht zu vergessen, — den Pho-


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[0531] Unerschöpflich waren beide i» den effektvollsten, brillantesten Bildern von deren kühnen, gefahrvollen Märschen über unwegsame Gebirge, von den verwegnen Stürmen gegen Felsboden und toddräuende Schanzen, von den Feldwächter, den Lagern in herrlichster Landschaft, den Flußübergängen, den ciberteuerlichen Handstreichen, den wilden Scharmützeln, den gewaltigen Feldschlachten. Die Phantasie dieser Zeichner nahm es mit der j.'tes officiellen östreichischen Tele¬ graphisten Von der Nordarmee auf an Reichthum der Erfindungskraft. Aber die Bilder waren prächtig, wie es bei dem Geschick der Künstler, der Meister¬ schaft der Holzschneider, den pitoresk'en Trachten und der Größe und Schönheit des landschaftlichen Charakters von Welschtirol und dem angrenzenden Ober- italien kein Wunder ist. Spät noch, nachdem bereits über den Waffenstillstand verhandelt wurde, entschloß sich Adolph Menzel den Heeren zu folgen und wenigstens die Spuren zu studire», welche der Krieg in den Gegenden, die er durchzogen, hinterlassen hatte. Für einen Charaktenstiker dieses Schlages, für einen so gründlichen Kenner der Wnklichkeit. dessen scharfem Blick keine Erscheinung derselben ent¬ geht, keine unwesentlich oder der künstlerischen Darstellung unwerth ist, war noch immer genügend ausreichende Beute zu finden. In wenigen Wochen und mit FälnlichkeiKu aller Art kämpfend, ha! er, was eben noch zu finden war, auch wirklich gefunden und gezeichnet. Eine durch Menge und Gehalt gleich erstaunliche Sammlung von Studien hat er als Frucht seiner Expedition, als unschätzbares Material späterer künstlerischer Verarbeitung zu größern Zwecken mit heim gebracht. Die von den Ereignissen geweihten Terrains, die zerstampften Felder, die halbzerstörten Dörfer und Gehöfte, und dazu die Lazarethe mit ihrem grausigen Inhalt, mit ihren Scenen des Jammers und der erhebenden Menschen¬ liebe waren die Hauptgegenstände für seine Zeichnung; und was er davon sehn läßt, beweist wieder, wie dieses Meisters Blick in der Wesen Tiefe zu dringen und den Kern der Erscheinungen zu elfassen versteht. Professor Otto Heyden fand die Armee des Kronprinzen unmittelbar nach dem Tage von Königsgrätz und begleitete ihr Hauptquartier bis zum Marchfclde. In einem, bei dem Künstler von dem hohen Führer selbst bestellten größeren Bilde, welches dessen Zusammentreffen mit seinem Vetter Friedrich Karl schildern soll, werden wir demnächst erkennen können, von welchem Einfluß die Anschauung so großer Dinge auf des Malers Phantasie und Darstellungsvermögen ge¬ wesen sei. Man kann nicht grade behaupten, daß die daheim gebliebenen bedeuten¬ deren Künstler sich während der Dauer des Kriegs sehr beeifert und beeilt hätten, des Publikums Schaubegicide durch erträgliche Phantasieschilderungen zu befriedigen. Sie schienen leider jenen ruppiner Bilderbogen und den illustnrten Blättern völlig das Feld zu überlassen. Und, nicht zu vergessen, — den Pho- Grenjlwte» IV. ^66. 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/531>, abgerufen am 01.07.2024.