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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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zu einem Werk ihrer Kunst "auch nicht den mindesten Stoff", nicht die geringste
Anregung gab. Sie mußten von der Vergangenheit zehren, was die Gegen¬
stände anbetrifft, wenn ihre Neigung und Absicht auf diese Darstellungskreise
gerichtet war; und für die Form sahen sie sich in Ermangelung der selbst zu
beobachtenden Wirklichkeit auf das Beispiel ihrer aus der Gegenwart heraus
malenden französischen Genossen gewiesen, wo es sich um Bilder der realen
Erscheinung solcher Vorgänge und nicht um willkürliche Phantasiegebilde der¬
selben handelte. Die Ereignisse des Jahres 1848, speciell des damaligen schleswig¬
holsteinischen Krieges änderten zum ersten Mal einigermaßen diese Lage der
Dinge. Unsere bildende Kunst aber stand ihnen damals noch zu unbeholfen
gegenüber, sie hat nichts Rechtes daraus zu machen gewußt. Zu bedeutenderen
künstlerischen Leistungen begeisterte sich nur des jugendlichen Georg Bleibtreu
Talent an jenen fruchtlosen Kämpfen um die deutschen Nordmarken. Die revo¬
lutionären Ereignisse und Thaten in Jnnerdeutschland aber wurden zu schnell
zu sehr unliebsamen Erinnerungen. Kein Maler mochte sich viel mit ihrer
Belebung im Bilde zu thun machen: nicht einer der anfangs entstandnen Ent¬
würfe zu Ncvolutionsgemälden, so wenig als zu Revolutionsdenkmalen, ist je
zur wirklichen Ausführung gekommen.

Erst sechszehn Jahre später sollte es der zeitgeschichtlichen, specieller der
kriegerischen Malerei in Deutschland besser werden. Der neue Krieg um
Schleswig-Holstein, der die ganze Nation im Tiefsten erregte, führte jener die
so lange mangelnden echt volkstümlichen Gegenstände zu und bot zum ersten
Mal den Künstlern volle Gelegenheit, derartige Ereignisse vor der Wirklichkeit
selbst zu studiren. Ich habe damals in diesen Blättern erzählt, wie sich zunächst
die Illustration der Vortheile zu bemächtigen bestrebt war, welche so günstige
Umstände der zeichnenden Kunst boten. Diese leichte künstlerische Truppe be¬
reitete nur die Wege für die schwerer bewegliche große Malerei. Aber auch sie
sollte keineswegs leer ausgehen. Die neuen kriegerischen Thaten und Siege der
preußischen Heeresmacht hatten den königlichen Gebieter derselben -- dessen
Sinnesart von der zärtlichen Neigung für die bildende Kunst sehr weit entfernt
ist, welche seinen verewigten Bruder beseelte -- mit einer stolzen Freude erfüllt,
die sich nicht genug thun konnte in ehrenvollen Dankesbezeigungen gegen seine
Truppen, in der Anerkennung und Verherrlichung ihrer Leistungen. Die zahl¬
reichen neuen Ordens-, Kreuz-, Medaillenstiftungen waren der nächste Ausdruck
dafür; die Aufträge zu Bildern der vollbrachten Thaten und zu großartigen
Plastischen Monumenten für diese und ihre Helden entsprangen derselben Em¬
pfindung. Alle unsere kriegerischen Geschichtsmaler wurden zur Bewerbung um
die Ausführung jener malerischen Aufgaben aufgerufen, alle hervorragenderen
Bildhauer brüteten über Projekten zu Düppel- und Alsendenkmalen. Den Archi¬
tekten machte man es am bequemsten: man taufte bereits fertige Schöpfungen


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zu einem Werk ihrer Kunst „auch nicht den mindesten Stoff", nicht die geringste
Anregung gab. Sie mußten von der Vergangenheit zehren, was die Gegen¬
stände anbetrifft, wenn ihre Neigung und Absicht auf diese Darstellungskreise
gerichtet war; und für die Form sahen sie sich in Ermangelung der selbst zu
beobachtenden Wirklichkeit auf das Beispiel ihrer aus der Gegenwart heraus
malenden französischen Genossen gewiesen, wo es sich um Bilder der realen
Erscheinung solcher Vorgänge und nicht um willkürliche Phantasiegebilde der¬
selben handelte. Die Ereignisse des Jahres 1848, speciell des damaligen schleswig¬
holsteinischen Krieges änderten zum ersten Mal einigermaßen diese Lage der
Dinge. Unsere bildende Kunst aber stand ihnen damals noch zu unbeholfen
gegenüber, sie hat nichts Rechtes daraus zu machen gewußt. Zu bedeutenderen
künstlerischen Leistungen begeisterte sich nur des jugendlichen Georg Bleibtreu
Talent an jenen fruchtlosen Kämpfen um die deutschen Nordmarken. Die revo¬
lutionären Ereignisse und Thaten in Jnnerdeutschland aber wurden zu schnell
zu sehr unliebsamen Erinnerungen. Kein Maler mochte sich viel mit ihrer
Belebung im Bilde zu thun machen: nicht einer der anfangs entstandnen Ent¬
würfe zu Ncvolutionsgemälden, so wenig als zu Revolutionsdenkmalen, ist je
zur wirklichen Ausführung gekommen.

Erst sechszehn Jahre später sollte es der zeitgeschichtlichen, specieller der
kriegerischen Malerei in Deutschland besser werden. Der neue Krieg um
Schleswig-Holstein, der die ganze Nation im Tiefsten erregte, führte jener die
so lange mangelnden echt volkstümlichen Gegenstände zu und bot zum ersten
Mal den Künstlern volle Gelegenheit, derartige Ereignisse vor der Wirklichkeit
selbst zu studiren. Ich habe damals in diesen Blättern erzählt, wie sich zunächst
die Illustration der Vortheile zu bemächtigen bestrebt war, welche so günstige
Umstände der zeichnenden Kunst boten. Diese leichte künstlerische Truppe be¬
reitete nur die Wege für die schwerer bewegliche große Malerei. Aber auch sie
sollte keineswegs leer ausgehen. Die neuen kriegerischen Thaten und Siege der
preußischen Heeresmacht hatten den königlichen Gebieter derselben — dessen
Sinnesart von der zärtlichen Neigung für die bildende Kunst sehr weit entfernt
ist, welche seinen verewigten Bruder beseelte — mit einer stolzen Freude erfüllt,
die sich nicht genug thun konnte in ehrenvollen Dankesbezeigungen gegen seine
Truppen, in der Anerkennung und Verherrlichung ihrer Leistungen. Die zahl¬
reichen neuen Ordens-, Kreuz-, Medaillenstiftungen waren der nächste Ausdruck
dafür; die Aufträge zu Bildern der vollbrachten Thaten und zu großartigen
Plastischen Monumenten für diese und ihre Helden entsprangen derselben Em¬
pfindung. Alle unsere kriegerischen Geschichtsmaler wurden zur Bewerbung um
die Ausführung jener malerischen Aufgaben aufgerufen, alle hervorragenderen
Bildhauer brüteten über Projekten zu Düppel- und Alsendenkmalen. Den Archi¬
tekten machte man es am bequemsten: man taufte bereits fertige Schöpfungen


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[0525] zu einem Werk ihrer Kunst „auch nicht den mindesten Stoff", nicht die geringste Anregung gab. Sie mußten von der Vergangenheit zehren, was die Gegen¬ stände anbetrifft, wenn ihre Neigung und Absicht auf diese Darstellungskreise gerichtet war; und für die Form sahen sie sich in Ermangelung der selbst zu beobachtenden Wirklichkeit auf das Beispiel ihrer aus der Gegenwart heraus malenden französischen Genossen gewiesen, wo es sich um Bilder der realen Erscheinung solcher Vorgänge und nicht um willkürliche Phantasiegebilde der¬ selben handelte. Die Ereignisse des Jahres 1848, speciell des damaligen schleswig¬ holsteinischen Krieges änderten zum ersten Mal einigermaßen diese Lage der Dinge. Unsere bildende Kunst aber stand ihnen damals noch zu unbeholfen gegenüber, sie hat nichts Rechtes daraus zu machen gewußt. Zu bedeutenderen künstlerischen Leistungen begeisterte sich nur des jugendlichen Georg Bleibtreu Talent an jenen fruchtlosen Kämpfen um die deutschen Nordmarken. Die revo¬ lutionären Ereignisse und Thaten in Jnnerdeutschland aber wurden zu schnell zu sehr unliebsamen Erinnerungen. Kein Maler mochte sich viel mit ihrer Belebung im Bilde zu thun machen: nicht einer der anfangs entstandnen Ent¬ würfe zu Ncvolutionsgemälden, so wenig als zu Revolutionsdenkmalen, ist je zur wirklichen Ausführung gekommen. Erst sechszehn Jahre später sollte es der zeitgeschichtlichen, specieller der kriegerischen Malerei in Deutschland besser werden. Der neue Krieg um Schleswig-Holstein, der die ganze Nation im Tiefsten erregte, führte jener die so lange mangelnden echt volkstümlichen Gegenstände zu und bot zum ersten Mal den Künstlern volle Gelegenheit, derartige Ereignisse vor der Wirklichkeit selbst zu studiren. Ich habe damals in diesen Blättern erzählt, wie sich zunächst die Illustration der Vortheile zu bemächtigen bestrebt war, welche so günstige Umstände der zeichnenden Kunst boten. Diese leichte künstlerische Truppe be¬ reitete nur die Wege für die schwerer bewegliche große Malerei. Aber auch sie sollte keineswegs leer ausgehen. Die neuen kriegerischen Thaten und Siege der preußischen Heeresmacht hatten den königlichen Gebieter derselben — dessen Sinnesart von der zärtlichen Neigung für die bildende Kunst sehr weit entfernt ist, welche seinen verewigten Bruder beseelte — mit einer stolzen Freude erfüllt, die sich nicht genug thun konnte in ehrenvollen Dankesbezeigungen gegen seine Truppen, in der Anerkennung und Verherrlichung ihrer Leistungen. Die zahl¬ reichen neuen Ordens-, Kreuz-, Medaillenstiftungen waren der nächste Ausdruck dafür; die Aufträge zu Bildern der vollbrachten Thaten und zu großartigen Plastischen Monumenten für diese und ihre Helden entsprangen derselben Em¬ pfindung. Alle unsere kriegerischen Geschichtsmaler wurden zur Bewerbung um die Ausführung jener malerischen Aufgaben aufgerufen, alle hervorragenderen Bildhauer brüteten über Projekten zu Düppel- und Alsendenkmalen. Den Archi¬ tekten machte man es am bequemsten: man taufte bereits fertige Schöpfungen 62*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/525>, abgerufen am 02.07.2024.