Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sich in die Zeit, hält die Wuth des Wetters aus und wenn man es überhaupt
übersteht, so sieht man zu, ob sich nicht auch dem gefürchteten, nun wirklich
gewordnen Zustand der Dinge eine brauchbare Seite, eine Möglichkeit der fried¬
lichen Ausnutzung seiner abgewinnen lasse, ob er nicht grade den Boden um¬
wühlend bereitet habe für eine künftige Ernte von Friedensfrüchten, doppelt so
reich, wie die sonst auf ihm gesammelten.

Am schlimmsten und verhängnißvollsten scheint der Ausbruch jedes Krieges
den schönen Künsten und unter diesen wieder den bildenden zu werden. Zwar
vom Verlust, oder der zeitweiligen Entziehung der in ihnen thätigen "Arme"
wird sie weit weniger betroffen als Gewerbe, Handel und Ackerbau, selbst im
Lande der allgemeinen Wehrpflicht. In der Kunst sind es immer nur die
Wenigen und ist es nicht die Masse, welche das Bedeutende ins Leben ruft;
und die Wenigsten dieser Wenigen -- so war es diesmal in Preußen -- auf
welchen die Würde unserer Kunst ruht, Pflegen eine solche Stellung bereits in
einem Alter erreicht zu haben, welches ihnen die kriegerische Dienstpflicht unab-
weislich macht. Abe? der Lärm der großen und blutigen Ereignisse zerstört
gründlich die Ruhe und Sammlung des schaffenden Künstlergeistes, das Inter¬
esse des Beschauers an dem, was er bieten kann, und am gründlichsten das
Verlangen und Streben nach dem Besitz des von ihm Erzeugten. Der Verkauf
von Gemälden und Sculpturen hört vor dem Grollen des ersten Schusses schon
auf. Sie erscheinen sofort als diejenigen unter den sonst gewohnten Lebens¬
annehmlichkeiten, auf welche auch der Reichste am leichtesten und schmerzlosesten
verzichtet. Der Staat geht den privaten Liebhabern darin mit gutem Beispiel
voran: öffentliche Aufträge werden rückgängig gemacht, oder ist das nicht mehr
möglich, sisiirt; anch er hat dann all seine Mittel und sein Interesse auf andre
ernste und reale Dinge zu concentriren. An die Kunst und die Künstler tritt
immer mehr die bedenkliche Frage: Was nun? ,

Die Antwort dürste nicht grade trostreich gelautet haben, wenn der so über¬
raschend und überwältigend schnelle Gang der Dinge diesmal nicht jene Frage
so schnell wieder abgeschnitten hätte, nachdem sie kaum aufgestiegen war. Nur
ein kurzes Bangen hatten die Künstler zu überdauern. Wenige Monate genügten,
und die Welt ist zu ihren alten friedlichen Beschäftigungen und Neigungen
zurückgekehrt. Aber ohne Spur konnte das, was jene Monate erfüllte, das ge¬
waltige geschichtliche Drama, das sich im Vaterlande mit dieser wirbelnden
Schnelligkeit abrollte, auch auf die bildende Kunst nicht bleiben. Auch sie hat
sich zum Kriege in ein gewisses Verhältniß setzen müssen; er, der ihr Verderben
drohte, ist vielfach belebend für sie geworden; und die neuen Segnungen, welche
in ihm für das Vaterland errungen sind, werden auch für sie nicht verloren sein.

Mehr als drei Jahrzehnte waren seit den Freiheitskriegen dahingegangen,
während welcher das wirkliche geschichtliche Leben Deutschlands seinen Malern


sich in die Zeit, hält die Wuth des Wetters aus und wenn man es überhaupt
übersteht, so sieht man zu, ob sich nicht auch dem gefürchteten, nun wirklich
gewordnen Zustand der Dinge eine brauchbare Seite, eine Möglichkeit der fried¬
lichen Ausnutzung seiner abgewinnen lasse, ob er nicht grade den Boden um¬
wühlend bereitet habe für eine künftige Ernte von Friedensfrüchten, doppelt so
reich, wie die sonst auf ihm gesammelten.

Am schlimmsten und verhängnißvollsten scheint der Ausbruch jedes Krieges
den schönen Künsten und unter diesen wieder den bildenden zu werden. Zwar
vom Verlust, oder der zeitweiligen Entziehung der in ihnen thätigen „Arme"
wird sie weit weniger betroffen als Gewerbe, Handel und Ackerbau, selbst im
Lande der allgemeinen Wehrpflicht. In der Kunst sind es immer nur die
Wenigen und ist es nicht die Masse, welche das Bedeutende ins Leben ruft;
und die Wenigsten dieser Wenigen — so war es diesmal in Preußen — auf
welchen die Würde unserer Kunst ruht, Pflegen eine solche Stellung bereits in
einem Alter erreicht zu haben, welches ihnen die kriegerische Dienstpflicht unab-
weislich macht. Abe? der Lärm der großen und blutigen Ereignisse zerstört
gründlich die Ruhe und Sammlung des schaffenden Künstlergeistes, das Inter¬
esse des Beschauers an dem, was er bieten kann, und am gründlichsten das
Verlangen und Streben nach dem Besitz des von ihm Erzeugten. Der Verkauf
von Gemälden und Sculpturen hört vor dem Grollen des ersten Schusses schon
auf. Sie erscheinen sofort als diejenigen unter den sonst gewohnten Lebens¬
annehmlichkeiten, auf welche auch der Reichste am leichtesten und schmerzlosesten
verzichtet. Der Staat geht den privaten Liebhabern darin mit gutem Beispiel
voran: öffentliche Aufträge werden rückgängig gemacht, oder ist das nicht mehr
möglich, sisiirt; anch er hat dann all seine Mittel und sein Interesse auf andre
ernste und reale Dinge zu concentriren. An die Kunst und die Künstler tritt
immer mehr die bedenkliche Frage: Was nun? ,

Die Antwort dürste nicht grade trostreich gelautet haben, wenn der so über¬
raschend und überwältigend schnelle Gang der Dinge diesmal nicht jene Frage
so schnell wieder abgeschnitten hätte, nachdem sie kaum aufgestiegen war. Nur
ein kurzes Bangen hatten die Künstler zu überdauern. Wenige Monate genügten,
und die Welt ist zu ihren alten friedlichen Beschäftigungen und Neigungen
zurückgekehrt. Aber ohne Spur konnte das, was jene Monate erfüllte, das ge¬
waltige geschichtliche Drama, das sich im Vaterlande mit dieser wirbelnden
Schnelligkeit abrollte, auch auf die bildende Kunst nicht bleiben. Auch sie hat
sich zum Kriege in ein gewisses Verhältniß setzen müssen; er, der ihr Verderben
drohte, ist vielfach belebend für sie geworden; und die neuen Segnungen, welche
in ihm für das Vaterland errungen sind, werden auch für sie nicht verloren sein.

Mehr als drei Jahrzehnte waren seit den Freiheitskriegen dahingegangen,
während welcher das wirkliche geschichtliche Leben Deutschlands seinen Malern


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0524" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286672"/>
          <p xml:id="ID_1548" prev="#ID_1547"> sich in die Zeit, hält die Wuth des Wetters aus und wenn man es überhaupt<lb/>
übersteht, so sieht man zu, ob sich nicht auch dem gefürchteten, nun wirklich<lb/>
gewordnen Zustand der Dinge eine brauchbare Seite, eine Möglichkeit der fried¬<lb/>
lichen Ausnutzung seiner abgewinnen lasse, ob er nicht grade den Boden um¬<lb/>
wühlend bereitet habe für eine künftige Ernte von Friedensfrüchten, doppelt so<lb/>
reich, wie die sonst auf ihm gesammelten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1549"> Am schlimmsten und verhängnißvollsten scheint der Ausbruch jedes Krieges<lb/>
den schönen Künsten und unter diesen wieder den bildenden zu werden. Zwar<lb/>
vom Verlust, oder der zeitweiligen Entziehung der in ihnen thätigen &#x201E;Arme"<lb/>
wird sie weit weniger betroffen als Gewerbe, Handel und Ackerbau, selbst im<lb/>
Lande der allgemeinen Wehrpflicht. In der Kunst sind es immer nur die<lb/>
Wenigen und ist es nicht die Masse, welche das Bedeutende ins Leben ruft;<lb/>
und die Wenigsten dieser Wenigen &#x2014; so war es diesmal in Preußen &#x2014; auf<lb/>
welchen die Würde unserer Kunst ruht, Pflegen eine solche Stellung bereits in<lb/>
einem Alter erreicht zu haben, welches ihnen die kriegerische Dienstpflicht unab-<lb/>
weislich macht. Abe? der Lärm der großen und blutigen Ereignisse zerstört<lb/>
gründlich die Ruhe und Sammlung des schaffenden Künstlergeistes, das Inter¬<lb/>
esse des Beschauers an dem, was er bieten kann, und am gründlichsten das<lb/>
Verlangen und Streben nach dem Besitz des von ihm Erzeugten. Der Verkauf<lb/>
von Gemälden und Sculpturen hört vor dem Grollen des ersten Schusses schon<lb/>
auf. Sie erscheinen sofort als diejenigen unter den sonst gewohnten Lebens¬<lb/>
annehmlichkeiten, auf welche auch der Reichste am leichtesten und schmerzlosesten<lb/>
verzichtet. Der Staat geht den privaten Liebhabern darin mit gutem Beispiel<lb/>
voran: öffentliche Aufträge werden rückgängig gemacht, oder ist das nicht mehr<lb/>
möglich, sisiirt; anch er hat dann all seine Mittel und sein Interesse auf andre<lb/>
ernste und reale Dinge zu concentriren. An die Kunst und die Künstler tritt<lb/>
immer mehr die bedenkliche Frage: Was nun? ,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1550"> Die Antwort dürste nicht grade trostreich gelautet haben, wenn der so über¬<lb/>
raschend und überwältigend schnelle Gang der Dinge diesmal nicht jene Frage<lb/>
so schnell wieder abgeschnitten hätte, nachdem sie kaum aufgestiegen war. Nur<lb/>
ein kurzes Bangen hatten die Künstler zu überdauern. Wenige Monate genügten,<lb/>
und die Welt ist zu ihren alten friedlichen Beschäftigungen und Neigungen<lb/>
zurückgekehrt. Aber ohne Spur konnte das, was jene Monate erfüllte, das ge¬<lb/>
waltige geschichtliche Drama, das sich im Vaterlande mit dieser wirbelnden<lb/>
Schnelligkeit abrollte, auch auf die bildende Kunst nicht bleiben. Auch sie hat<lb/>
sich zum Kriege in ein gewisses Verhältniß setzen müssen; er, der ihr Verderben<lb/>
drohte, ist vielfach belebend für sie geworden; und die neuen Segnungen, welche<lb/>
in ihm für das Vaterland errungen sind, werden auch für sie nicht verloren sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1551" next="#ID_1552"> Mehr als drei Jahrzehnte waren seit den Freiheitskriegen dahingegangen,<lb/>
während welcher das wirkliche geschichtliche Leben Deutschlands seinen Malern</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0524] sich in die Zeit, hält die Wuth des Wetters aus und wenn man es überhaupt übersteht, so sieht man zu, ob sich nicht auch dem gefürchteten, nun wirklich gewordnen Zustand der Dinge eine brauchbare Seite, eine Möglichkeit der fried¬ lichen Ausnutzung seiner abgewinnen lasse, ob er nicht grade den Boden um¬ wühlend bereitet habe für eine künftige Ernte von Friedensfrüchten, doppelt so reich, wie die sonst auf ihm gesammelten. Am schlimmsten und verhängnißvollsten scheint der Ausbruch jedes Krieges den schönen Künsten und unter diesen wieder den bildenden zu werden. Zwar vom Verlust, oder der zeitweiligen Entziehung der in ihnen thätigen „Arme" wird sie weit weniger betroffen als Gewerbe, Handel und Ackerbau, selbst im Lande der allgemeinen Wehrpflicht. In der Kunst sind es immer nur die Wenigen und ist es nicht die Masse, welche das Bedeutende ins Leben ruft; und die Wenigsten dieser Wenigen — so war es diesmal in Preußen — auf welchen die Würde unserer Kunst ruht, Pflegen eine solche Stellung bereits in einem Alter erreicht zu haben, welches ihnen die kriegerische Dienstpflicht unab- weislich macht. Abe? der Lärm der großen und blutigen Ereignisse zerstört gründlich die Ruhe und Sammlung des schaffenden Künstlergeistes, das Inter¬ esse des Beschauers an dem, was er bieten kann, und am gründlichsten das Verlangen und Streben nach dem Besitz des von ihm Erzeugten. Der Verkauf von Gemälden und Sculpturen hört vor dem Grollen des ersten Schusses schon auf. Sie erscheinen sofort als diejenigen unter den sonst gewohnten Lebens¬ annehmlichkeiten, auf welche auch der Reichste am leichtesten und schmerzlosesten verzichtet. Der Staat geht den privaten Liebhabern darin mit gutem Beispiel voran: öffentliche Aufträge werden rückgängig gemacht, oder ist das nicht mehr möglich, sisiirt; anch er hat dann all seine Mittel und sein Interesse auf andre ernste und reale Dinge zu concentriren. An die Kunst und die Künstler tritt immer mehr die bedenkliche Frage: Was nun? , Die Antwort dürste nicht grade trostreich gelautet haben, wenn der so über¬ raschend und überwältigend schnelle Gang der Dinge diesmal nicht jene Frage so schnell wieder abgeschnitten hätte, nachdem sie kaum aufgestiegen war. Nur ein kurzes Bangen hatten die Künstler zu überdauern. Wenige Monate genügten, und die Welt ist zu ihren alten friedlichen Beschäftigungen und Neigungen zurückgekehrt. Aber ohne Spur konnte das, was jene Monate erfüllte, das ge¬ waltige geschichtliche Drama, das sich im Vaterlande mit dieser wirbelnden Schnelligkeit abrollte, auch auf die bildende Kunst nicht bleiben. Auch sie hat sich zum Kriege in ein gewisses Verhältniß setzen müssen; er, der ihr Verderben drohte, ist vielfach belebend für sie geworden; und die neuen Segnungen, welche in ihm für das Vaterland errungen sind, werden auch für sie nicht verloren sein. Mehr als drei Jahrzehnte waren seit den Freiheitskriegen dahingegangen, während welcher das wirkliche geschichtliche Leben Deutschlands seinen Malern

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/524
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/524>, abgerufen am 30.06.2024.