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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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nichts weiter als seinen sehr ausgeprägten Sinn für praktische Strategie und
kriegerische Ehren, welcher freilich infolge der Ungunst der Verhältnisse in dem
ihm und seinem Armeecorps zugefallenen Antheil an den Thaten dieses Som¬
mers nur eine mäßige Befriedigung gefunden haben kann.

Ihre weitere Stütze findet die particularistische Richtung der Regierung
und der Stände in dem Beamtenthum, in der Geistlichkeit und dem zünftlerisch
gesinnten Theile des Handwerkerstandes. Die Beamten und die Geistlichen aus
der Schule Kliesoths haben überhaupt eine Abneigung gegen den Rechtsstaat
und besonders die letzteren laboriren an einem überaus großen Mangel an
Klarheit über politische Dinge. Den Zünftlern aber kommt es auf die Politik
nur so weit an, als sich dieselbe um die Erhaltung ihrer Zunftordnung dreht.
Mehr als daß er sie hierbei schütze, verlangen sie vom Staate nicht.

Diesen verschiedenen Classen von Particularisten steht diejenige Partei
gegenüber, welche die Einheit und Freiheit Deutschlands will und in dem
norddeutschen Bunde den Anfang einer Verwirklichung derselben erkennt, welche
auch dem politischen und wirthschaftlichen Elend Mecklenburgs das ersehnte
Ende bereiten wird. Zwar fehlt es auch unter den mecklenburgischen Liberalen
nicht an einzelnen Elementen, welche zu dem norddeutschen Bunde kein Ver¬
trauen haben und von der Preußischen Initiative und Hegemonie sich für
Deutschland nichts Gutes versprechen. Indessen bilden diese, vereinzelt wie sie
ohnehin sind, kaum eine entgegenwirkende Kraft; in der Bekämpfung des feu¬
dalen Particularismus mit den Anhängern des Bundesstaats unter preußischer
Führung einig, begnügen sie sich mit der Rolle neutraler Zuschauer oder mür¬
rischer Unglückspropheten.

Die bundesstaatliche Partei hat ihre Hauptstärke in den Städten und ihren
Centralpunkt in Rostock. Außer einer großen Anzahl von Bürgern aller Stände
zählt sie zu ihren Genossen einzelne bürgerliche Mitglieder der Ritterschaft und,
so weit in diesen Kreisen überhaupt unter dem vieljährigen Drucke noch ein
Sinn für öffentliche Angelegenheiten sich erhalten hat, die Hauptmasse der
mittleren und niederen Landbevölkerung, Erbpächter, Bauern, Büdner, Tage¬
löhner u. s. w. Es ist freilich nicht zu läugnen, daß das Verständniß für die
Aufgabe und das Ziel, eben infolge des über unserem politischen Leben seit
langer Zeit lastenden polizeilichen Druckes und der mangelnden Gelegenheit zur
Belehrung, in einem nicht unbedeutenden Theile der Bevölkerung noch wenig
vorgeschritten, in einem andern erst zu wecken ist. Dazu kommt, daß es in der
ganzen Landbevölkerung außer den Rittergütern keinen freien Grundbesitz giebt
und daß die Lage des Bauern und des Tagelöhners eine in hohem Grade ab¬
hängige ist. Auf den Rittergütern hat der Gutsherr, im Domanium der gro߬
herzogliche Beamte eine weitreichende Macht, mit welcher keiner, dem dieselbe
Schaden zufügen kann, gern in Conflict geräth. Diese Abhängigkeit ist selbst


nichts weiter als seinen sehr ausgeprägten Sinn für praktische Strategie und
kriegerische Ehren, welcher freilich infolge der Ungunst der Verhältnisse in dem
ihm und seinem Armeecorps zugefallenen Antheil an den Thaten dieses Som¬
mers nur eine mäßige Befriedigung gefunden haben kann.

Ihre weitere Stütze findet die particularistische Richtung der Regierung
und der Stände in dem Beamtenthum, in der Geistlichkeit und dem zünftlerisch
gesinnten Theile des Handwerkerstandes. Die Beamten und die Geistlichen aus
der Schule Kliesoths haben überhaupt eine Abneigung gegen den Rechtsstaat
und besonders die letzteren laboriren an einem überaus großen Mangel an
Klarheit über politische Dinge. Den Zünftlern aber kommt es auf die Politik
nur so weit an, als sich dieselbe um die Erhaltung ihrer Zunftordnung dreht.
Mehr als daß er sie hierbei schütze, verlangen sie vom Staate nicht.

Diesen verschiedenen Classen von Particularisten steht diejenige Partei
gegenüber, welche die Einheit und Freiheit Deutschlands will und in dem
norddeutschen Bunde den Anfang einer Verwirklichung derselben erkennt, welche
auch dem politischen und wirthschaftlichen Elend Mecklenburgs das ersehnte
Ende bereiten wird. Zwar fehlt es auch unter den mecklenburgischen Liberalen
nicht an einzelnen Elementen, welche zu dem norddeutschen Bunde kein Ver¬
trauen haben und von der Preußischen Initiative und Hegemonie sich für
Deutschland nichts Gutes versprechen. Indessen bilden diese, vereinzelt wie sie
ohnehin sind, kaum eine entgegenwirkende Kraft; in der Bekämpfung des feu¬
dalen Particularismus mit den Anhängern des Bundesstaats unter preußischer
Führung einig, begnügen sie sich mit der Rolle neutraler Zuschauer oder mür¬
rischer Unglückspropheten.

Die bundesstaatliche Partei hat ihre Hauptstärke in den Städten und ihren
Centralpunkt in Rostock. Außer einer großen Anzahl von Bürgern aller Stände
zählt sie zu ihren Genossen einzelne bürgerliche Mitglieder der Ritterschaft und,
so weit in diesen Kreisen überhaupt unter dem vieljährigen Drucke noch ein
Sinn für öffentliche Angelegenheiten sich erhalten hat, die Hauptmasse der
mittleren und niederen Landbevölkerung, Erbpächter, Bauern, Büdner, Tage¬
löhner u. s. w. Es ist freilich nicht zu läugnen, daß das Verständniß für die
Aufgabe und das Ziel, eben infolge des über unserem politischen Leben seit
langer Zeit lastenden polizeilichen Druckes und der mangelnden Gelegenheit zur
Belehrung, in einem nicht unbedeutenden Theile der Bevölkerung noch wenig
vorgeschritten, in einem andern erst zu wecken ist. Dazu kommt, daß es in der
ganzen Landbevölkerung außer den Rittergütern keinen freien Grundbesitz giebt
und daß die Lage des Bauern und des Tagelöhners eine in hohem Grade ab¬
hängige ist. Auf den Rittergütern hat der Gutsherr, im Domanium der gro߬
herzogliche Beamte eine weitreichende Macht, mit welcher keiner, dem dieselbe
Schaden zufügen kann, gern in Conflict geräth. Diese Abhängigkeit ist selbst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/521>, abgerufen am 02.07.2024.