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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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geglichen werden mußte, hat man sich genöthigt gesehen, den einen der beiden
ritterschaftlichen Wahlkreise mit jenem Überschuß aus der Domanialbevölkerung
zu verbinden. Jede Ortschaft bildet einen Wahlbezirk und jede Ortsobrigkeit
leitet an ihrem Orte die Wahlen. Das Recht, Wahlvereine zu bilden, ist nicht
gewahrt. Der Minister wird es voraussichtlich nur den ihn darum angehenden
Particularisten als besondere Vergünstigung gewähren, nimmermehr aber der
nationalen Partei. Das Recht zu öffentlichen Wahlversammlungen wird gleich¬
falls den Wahlberechtigten vorenthalten. Statt dessen wird nur den Orts¬
obrigkeiten die Befugniß ertheilt, für einen kurzen Zeitraum, von der Aus¬
schreibung des Wahltermins bis zur Vollziehung der Wahlen, auf geschehenen
Antrag dergleichen Versammlungen zu gestatten, eine Befugniß, welche in ge¬
wöhnlichen Zeiten ausschließlich der Minister des Innern hat. Die Liberalität
der Regierung rücksichtlich der Gewährung öffentlicher Wahlversammlungen be¬
steht also darin, daß sie für einige Wochen deren Gestattung gestattet.
In welcher Weise die Ortsobrigkeiten dieses Recht üben werden, bedarf kaum
einer Andeutung. In ihren Händen liegt es, die Petenten abschlägig zu be¬
scheiden, ihnen Bedingungen zu stellen, sie mit der Antwort bis zu einem Zeit¬
punkt hinzuhalten, wo es zu spät ist, die Einladung zu erlassen. Dazu kommt,
daß die Ausführungsverordnung die Sonn- und Festtage als Versammlungs¬
tage ausscheidet, wodurch den Arbeitern die Theilnahme an Wahlversammlungen
aufs äußerste erschwert und auf den ritterschaftlichen Gütern ohne Zustimmung
der Gutsherrschaft, da sie an Werktagen ihre Arbeit nicht versäumen dürfen,
überhaupt unmöglich gemacht wird. Endlich W auch noch durch die Bestim¬
mung, daß die Versammlungen der Wahlberechtigten mit sonstigen, der bevor¬
stehenden Wahl fremden politischen Zwecken sich nicht beschäftigen sollen, widrigen-
falls sie als unerlaubte Versammlungen gelten und gegen die Theilnehmer nach
den bestehenden Gesetzen eingeschritten wird, für einen Fallstrick gesorgt, mit
dessen Hilfe jede Versammlung gesprengt und jede Aeußerung in derselben mit
Strafe belegt werden kann.

Nach dem Allen ist kein Zweifel darüber möglich, wie Regierung und
Stände über das Unternehmen denken, an welchem mitzuwirken sie sich haben
entschließen müssen. Auch das Verhalten des Großherzogs Friedrich Franz bietet
kein Merkmal dar, daß er für seine Person den preußischen Absichten näher
stände als seine Minister. Wenn er an dem Feldzuge Preußens gegen die süd¬
deutschen Staaten sich activ, als Führer eines preußischen Armeecorps, betheiligt
hat, so lag der Beweggrund nicht in Begeisterung für die preußische Politik.
Vielfache Zeichen lassen darüber keine Ungewißheit bestehen, daß er in diese
Politik keineswegs mit Freudigkeit eingegangen ist, und daß der Begriff des
Müssens bei seinen Entschließungen sehr stark mitgewirkt hat. Die Uebernahme
eines preußischen Commandos Seitens des Großherzogs Friedrich Franz bezeugt


geglichen werden mußte, hat man sich genöthigt gesehen, den einen der beiden
ritterschaftlichen Wahlkreise mit jenem Überschuß aus der Domanialbevölkerung
zu verbinden. Jede Ortschaft bildet einen Wahlbezirk und jede Ortsobrigkeit
leitet an ihrem Orte die Wahlen. Das Recht, Wahlvereine zu bilden, ist nicht
gewahrt. Der Minister wird es voraussichtlich nur den ihn darum angehenden
Particularisten als besondere Vergünstigung gewähren, nimmermehr aber der
nationalen Partei. Das Recht zu öffentlichen Wahlversammlungen wird gleich¬
falls den Wahlberechtigten vorenthalten. Statt dessen wird nur den Orts¬
obrigkeiten die Befugniß ertheilt, für einen kurzen Zeitraum, von der Aus¬
schreibung des Wahltermins bis zur Vollziehung der Wahlen, auf geschehenen
Antrag dergleichen Versammlungen zu gestatten, eine Befugniß, welche in ge¬
wöhnlichen Zeiten ausschließlich der Minister des Innern hat. Die Liberalität
der Regierung rücksichtlich der Gewährung öffentlicher Wahlversammlungen be¬
steht also darin, daß sie für einige Wochen deren Gestattung gestattet.
In welcher Weise die Ortsobrigkeiten dieses Recht üben werden, bedarf kaum
einer Andeutung. In ihren Händen liegt es, die Petenten abschlägig zu be¬
scheiden, ihnen Bedingungen zu stellen, sie mit der Antwort bis zu einem Zeit¬
punkt hinzuhalten, wo es zu spät ist, die Einladung zu erlassen. Dazu kommt,
daß die Ausführungsverordnung die Sonn- und Festtage als Versammlungs¬
tage ausscheidet, wodurch den Arbeitern die Theilnahme an Wahlversammlungen
aufs äußerste erschwert und auf den ritterschaftlichen Gütern ohne Zustimmung
der Gutsherrschaft, da sie an Werktagen ihre Arbeit nicht versäumen dürfen,
überhaupt unmöglich gemacht wird. Endlich W auch noch durch die Bestim¬
mung, daß die Versammlungen der Wahlberechtigten mit sonstigen, der bevor¬
stehenden Wahl fremden politischen Zwecken sich nicht beschäftigen sollen, widrigen-
falls sie als unerlaubte Versammlungen gelten und gegen die Theilnehmer nach
den bestehenden Gesetzen eingeschritten wird, für einen Fallstrick gesorgt, mit
dessen Hilfe jede Versammlung gesprengt und jede Aeußerung in derselben mit
Strafe belegt werden kann.

Nach dem Allen ist kein Zweifel darüber möglich, wie Regierung und
Stände über das Unternehmen denken, an welchem mitzuwirken sie sich haben
entschließen müssen. Auch das Verhalten des Großherzogs Friedrich Franz bietet
kein Merkmal dar, daß er für seine Person den preußischen Absichten näher
stände als seine Minister. Wenn er an dem Feldzuge Preußens gegen die süd¬
deutschen Staaten sich activ, als Führer eines preußischen Armeecorps, betheiligt
hat, so lag der Beweggrund nicht in Begeisterung für die preußische Politik.
Vielfache Zeichen lassen darüber keine Ungewißheit bestehen, daß er in diese
Politik keineswegs mit Freudigkeit eingegangen ist, und daß der Begriff des
Müssens bei seinen Entschließungen sehr stark mitgewirkt hat. Die Uebernahme
eines preußischen Commandos Seitens des Großherzogs Friedrich Franz bezeugt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/520>, abgerufen am 04.07.2024.