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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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in den Städten, namentlich in den kleineren zu finden. Kaufleute und Gewerb-
treibende glauben die Gunst der benachbarten Landschaft nicht entbehren zu
können, und allerdings vermögen die Besitzer der umliegenden Güter durch
Entziehung der Kundschaft denselben vielen Schaden zuzufügen, ja es fehlt nicht
an Beispielen in der neueren Geschichte Mecklenburgs, daß die Nachbarschaft
förmliche Bündnisse abgeschlossen hat, um eine Stadt für die freisinnige Haltung
ihrer Bürger durch Abschneidung des Verkehrs zu strafen.

Wer alle Schwierigkeiten erwägt, welche in den Verhältnissen wie in den
Personen der Heilung Mecklenburgs von seinen kranken Zuständen sich entgegen¬
stellen, der wird den Wunsch begreiflich finden, welchen man in der Zeit der
Krisis dieses Jahres nicht selten hören konnte: möchten doch auch die Lenker
unserer Geschicke sich gegen Preußen recht rennend erweisen! Der fromme
Wunsch wiederholte sich noch zur Zeit des außerordentlichen Landtags, als die
Entscheidung Mecklenburgs für oder gegen den Bündnißvertrcig in den Händen
der mecklenburgischen Ritterschaft lag. Der hier vorschwebende Weg der Ge¬
nesung hatte allerdings den Vorzug, rascher und gründlicher zum Ziele zu sühren.
Aber bei nicht erfüllten Wünschen lohnt es nicht zu verweilen.

Die liberal-nationale Partei in Mecklenburg wird vor dem Kampf mit den
entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht zurückschrecken und zunächst alles thun,
was möglich ist, um die Wahlen der sechs Mecklenburg-schwerinschen und des
strelitzschen Abgeordneten zum Reichstage des norddeutschen Bundes zu einem
guten Ziele zu führen. Nachdem schon im Juli d. I. ein Anfang zur Samm¬
lung der Kräfte gemacht war, ist eine festere Einigung für die bevorstehenden
Wahlen durch eine Versammlung angebahnt worden, welche am 1. December in
Rostock abgehalten und von mehr als hundert Männern aus allen Theilen des
Landes besucht war. Man einigte sich hier über ein den preußischen Inten¬
tionen zustimmendes und sie nach der Seite der freiheitlichen Entwicke¬
lung ergänzendes Programm, sowie über eine Anzahl von Candidaten für
die Parlamentswahlen, welche unter der Voraussetzung ihrer Zustimmung
zum Programm zur Auswahl vorgeschlagen wurden. Weitere Schritte, so
weit sie innerhalb der eng gezogenen Grenzen der Gesetze möglich sind, werden
folgen.

Inzwischen hat nun auch die Regierungspartei eine Wahlagitation vor¬
bereitet. Sie schickt sich auch ihrerseits zur Aufstellung einer Kandidatenliste
an, bei welcher, wie das ministerielle Blatt verkündigt, das Hauptaugenmerk
darauf gerichtet werden soll, daß eine Billigung der Vorschläge von Seiten des
'Großherzogs gehofft werden könne, indem von fast allen treuen Mecklenburgern
die Nothwendigkeit empfunden werde, in "Angelegenheiten der deutschen Politik
der Führung unsers verehrten und geliebten Großherzogs vertrauensvoll zu
folgen". Noch einfacher wäre dieses Ziel wohl durch großherzogliche Ernennung


in den Städten, namentlich in den kleineren zu finden. Kaufleute und Gewerb-
treibende glauben die Gunst der benachbarten Landschaft nicht entbehren zu
können, und allerdings vermögen die Besitzer der umliegenden Güter durch
Entziehung der Kundschaft denselben vielen Schaden zuzufügen, ja es fehlt nicht
an Beispielen in der neueren Geschichte Mecklenburgs, daß die Nachbarschaft
förmliche Bündnisse abgeschlossen hat, um eine Stadt für die freisinnige Haltung
ihrer Bürger durch Abschneidung des Verkehrs zu strafen.

Wer alle Schwierigkeiten erwägt, welche in den Verhältnissen wie in den
Personen der Heilung Mecklenburgs von seinen kranken Zuständen sich entgegen¬
stellen, der wird den Wunsch begreiflich finden, welchen man in der Zeit der
Krisis dieses Jahres nicht selten hören konnte: möchten doch auch die Lenker
unserer Geschicke sich gegen Preußen recht rennend erweisen! Der fromme
Wunsch wiederholte sich noch zur Zeit des außerordentlichen Landtags, als die
Entscheidung Mecklenburgs für oder gegen den Bündnißvertrcig in den Händen
der mecklenburgischen Ritterschaft lag. Der hier vorschwebende Weg der Ge¬
nesung hatte allerdings den Vorzug, rascher und gründlicher zum Ziele zu sühren.
Aber bei nicht erfüllten Wünschen lohnt es nicht zu verweilen.

Die liberal-nationale Partei in Mecklenburg wird vor dem Kampf mit den
entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht zurückschrecken und zunächst alles thun,
was möglich ist, um die Wahlen der sechs Mecklenburg-schwerinschen und des
strelitzschen Abgeordneten zum Reichstage des norddeutschen Bundes zu einem
guten Ziele zu führen. Nachdem schon im Juli d. I. ein Anfang zur Samm¬
lung der Kräfte gemacht war, ist eine festere Einigung für die bevorstehenden
Wahlen durch eine Versammlung angebahnt worden, welche am 1. December in
Rostock abgehalten und von mehr als hundert Männern aus allen Theilen des
Landes besucht war. Man einigte sich hier über ein den preußischen Inten¬
tionen zustimmendes und sie nach der Seite der freiheitlichen Entwicke¬
lung ergänzendes Programm, sowie über eine Anzahl von Candidaten für
die Parlamentswahlen, welche unter der Voraussetzung ihrer Zustimmung
zum Programm zur Auswahl vorgeschlagen wurden. Weitere Schritte, so
weit sie innerhalb der eng gezogenen Grenzen der Gesetze möglich sind, werden
folgen.

Inzwischen hat nun auch die Regierungspartei eine Wahlagitation vor¬
bereitet. Sie schickt sich auch ihrerseits zur Aufstellung einer Kandidatenliste
an, bei welcher, wie das ministerielle Blatt verkündigt, das Hauptaugenmerk
darauf gerichtet werden soll, daß eine Billigung der Vorschläge von Seiten des
'Großherzogs gehofft werden könne, indem von fast allen treuen Mecklenburgern
die Nothwendigkeit empfunden werde, in „Angelegenheiten der deutschen Politik
der Führung unsers verehrten und geliebten Großherzogs vertrauensvoll zu
folgen". Noch einfacher wäre dieses Ziel wohl durch großherzogliche Ernennung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/522>, abgerufen am 30.06.2024.