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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Sie haben darin vollkommen Recht, daß sie eine Fortdauer der alten mecklen¬
burgischen Landesverfassung innerhalb des zu begründenden Bundesstaates nicht
für denkbar halten. Mag der Bundesstaat auch nur in den allgemeinsten Um¬
rissen und den bescheidensten Grenzen zur Verwirklichung gelangen: schon seine
bloße Existenz wird genügen, um den mecklenburgischen Feudalismus über den
Haufen zu werfen. Legt man auch auf alles Uebrige, was der jeßigen feudalen
Landesvertretung Mecklenburgs bei dessen Eintritt in den Bundesstaat ihre
bisherige Grundlage zu entziehen droht, kein entscheidendes Gewicht, jedenfalls
enthalt die dermalige mecklenburgische Verfassung einen Punkt, welcher nicht
mit dem Bundesstaat vereinbar ist, dessen Reform aber mit Nothwendigkeit den
Fall des ganzen feudalen Apparats nach sich zieht: die Finanzverfassung. Diese
muß, wenn sie sich den neuen Verhältnissen anschmiegen soll, eine vollständige
Umgestaltung erfahren. Das mecklenburgische Finanzsystem ruht -- wie neulich in
d. Bl. näher beleuchtet wurde -- auf der Anschauung, daß zur Bestreitung
der Bedürfnisse der Landesverwaltung principaliter die landesherrlichen Ein¬
nahmen aus den Domänen und Regalien zu dienen bestimmt sind, während die
im Wege des Vertrages zwischen Landesherrn und Ständen festgestellten Steuern
nur den Charakter von aversionellen Hilfsbeiträgen zur Bestreitung der Kosten
des Landesregiments haben. Ein solches Verhältniß, verbunden mit dem Mangel
eines Budgets und einer Controle der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben,
erscheint der neuen Bundesverfassung gegenüber schon deshalb unhaltbar, weil
es widersinnig wäre, dem Bundesreichstage das Recht einzuräumen, über die
Einkünfte des Großherzogs direct oder indireet zu verfügen, bestehende Steuern
und Zölle an sich zu ziehen, deren Ertrag bisher in die großherzogliche Kasse
floß oder neue Abgaben einzuführen, welche die bisherigen Zuflüsse zu dieser
Kasse möglicherweise erheblich verändern könnten. Die bevorstehenden Bundcs-
einrichtungen werden daher die Wiedereinführung einer Scheidung zwischen
großherzoglicher Kasse und Staatskasse erfordern, wie dieselbe schon einmal als
Consequenz der konstitutionellen Staatsordnung in Mecklenburg bestand. Diese
Scheidung aber führt dann weiter: sie erfordert eine gänzlich veränderte Basis
der Landesvertretung. Die Einheitlichkeit der Finanzverwaltung setzt den ein¬
heitlichen Staat und die Einheitlichkeit der Landesvertretung voraus. Mit Son¬
derung der Einkünfte des Staats von denen des Großherzogs fällt der Feu¬
dalismus.

Diese mit Sicherheit vorauszusehenden Consequenzen erklären hinlänglich
das Widerstreben, mit welchem die Anhänger des Feudalismus, Regierung so¬
wohl als Stände, an die Gründung des neuen Bundesstaats hinantreten. Sie
fürchten dessen verjüngende Rückwirkung auf das alte Mecklenburg.

Viel Macht nach außen hat freilich der Fürst eines Kleinstaates nicht zu
verlieren. Es ist aber auch schon ein Opfer, auf den Schein der-Selbständig¬


es

Sie haben darin vollkommen Recht, daß sie eine Fortdauer der alten mecklen¬
burgischen Landesverfassung innerhalb des zu begründenden Bundesstaates nicht
für denkbar halten. Mag der Bundesstaat auch nur in den allgemeinsten Um¬
rissen und den bescheidensten Grenzen zur Verwirklichung gelangen: schon seine
bloße Existenz wird genügen, um den mecklenburgischen Feudalismus über den
Haufen zu werfen. Legt man auch auf alles Uebrige, was der jeßigen feudalen
Landesvertretung Mecklenburgs bei dessen Eintritt in den Bundesstaat ihre
bisherige Grundlage zu entziehen droht, kein entscheidendes Gewicht, jedenfalls
enthalt die dermalige mecklenburgische Verfassung einen Punkt, welcher nicht
mit dem Bundesstaat vereinbar ist, dessen Reform aber mit Nothwendigkeit den
Fall des ganzen feudalen Apparats nach sich zieht: die Finanzverfassung. Diese
muß, wenn sie sich den neuen Verhältnissen anschmiegen soll, eine vollständige
Umgestaltung erfahren. Das mecklenburgische Finanzsystem ruht — wie neulich in
d. Bl. näher beleuchtet wurde — auf der Anschauung, daß zur Bestreitung
der Bedürfnisse der Landesverwaltung principaliter die landesherrlichen Ein¬
nahmen aus den Domänen und Regalien zu dienen bestimmt sind, während die
im Wege des Vertrages zwischen Landesherrn und Ständen festgestellten Steuern
nur den Charakter von aversionellen Hilfsbeiträgen zur Bestreitung der Kosten
des Landesregiments haben. Ein solches Verhältniß, verbunden mit dem Mangel
eines Budgets und einer Controle der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben,
erscheint der neuen Bundesverfassung gegenüber schon deshalb unhaltbar, weil
es widersinnig wäre, dem Bundesreichstage das Recht einzuräumen, über die
Einkünfte des Großherzogs direct oder indireet zu verfügen, bestehende Steuern
und Zölle an sich zu ziehen, deren Ertrag bisher in die großherzogliche Kasse
floß oder neue Abgaben einzuführen, welche die bisherigen Zuflüsse zu dieser
Kasse möglicherweise erheblich verändern könnten. Die bevorstehenden Bundcs-
einrichtungen werden daher die Wiedereinführung einer Scheidung zwischen
großherzoglicher Kasse und Staatskasse erfordern, wie dieselbe schon einmal als
Consequenz der konstitutionellen Staatsordnung in Mecklenburg bestand. Diese
Scheidung aber führt dann weiter: sie erfordert eine gänzlich veränderte Basis
der Landesvertretung. Die Einheitlichkeit der Finanzverwaltung setzt den ein¬
heitlichen Staat und die Einheitlichkeit der Landesvertretung voraus. Mit Son¬
derung der Einkünfte des Staats von denen des Großherzogs fällt der Feu¬
dalismus.

Diese mit Sicherheit vorauszusehenden Consequenzen erklären hinlänglich
das Widerstreben, mit welchem die Anhänger des Feudalismus, Regierung so¬
wohl als Stände, an die Gründung des neuen Bundesstaats hinantreten. Sie
fürchten dessen verjüngende Rückwirkung auf das alte Mecklenburg.

Viel Macht nach außen hat freilich der Fürst eines Kleinstaates nicht zu
verlieren. Es ist aber auch schon ein Opfer, auf den Schein der-Selbständig¬


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[0517] Sie haben darin vollkommen Recht, daß sie eine Fortdauer der alten mecklen¬ burgischen Landesverfassung innerhalb des zu begründenden Bundesstaates nicht für denkbar halten. Mag der Bundesstaat auch nur in den allgemeinsten Um¬ rissen und den bescheidensten Grenzen zur Verwirklichung gelangen: schon seine bloße Existenz wird genügen, um den mecklenburgischen Feudalismus über den Haufen zu werfen. Legt man auch auf alles Uebrige, was der jeßigen feudalen Landesvertretung Mecklenburgs bei dessen Eintritt in den Bundesstaat ihre bisherige Grundlage zu entziehen droht, kein entscheidendes Gewicht, jedenfalls enthalt die dermalige mecklenburgische Verfassung einen Punkt, welcher nicht mit dem Bundesstaat vereinbar ist, dessen Reform aber mit Nothwendigkeit den Fall des ganzen feudalen Apparats nach sich zieht: die Finanzverfassung. Diese muß, wenn sie sich den neuen Verhältnissen anschmiegen soll, eine vollständige Umgestaltung erfahren. Das mecklenburgische Finanzsystem ruht — wie neulich in d. Bl. näher beleuchtet wurde — auf der Anschauung, daß zur Bestreitung der Bedürfnisse der Landesverwaltung principaliter die landesherrlichen Ein¬ nahmen aus den Domänen und Regalien zu dienen bestimmt sind, während die im Wege des Vertrages zwischen Landesherrn und Ständen festgestellten Steuern nur den Charakter von aversionellen Hilfsbeiträgen zur Bestreitung der Kosten des Landesregiments haben. Ein solches Verhältniß, verbunden mit dem Mangel eines Budgets und einer Controle der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben, erscheint der neuen Bundesverfassung gegenüber schon deshalb unhaltbar, weil es widersinnig wäre, dem Bundesreichstage das Recht einzuräumen, über die Einkünfte des Großherzogs direct oder indireet zu verfügen, bestehende Steuern und Zölle an sich zu ziehen, deren Ertrag bisher in die großherzogliche Kasse floß oder neue Abgaben einzuführen, welche die bisherigen Zuflüsse zu dieser Kasse möglicherweise erheblich verändern könnten. Die bevorstehenden Bundcs- einrichtungen werden daher die Wiedereinführung einer Scheidung zwischen großherzoglicher Kasse und Staatskasse erfordern, wie dieselbe schon einmal als Consequenz der konstitutionellen Staatsordnung in Mecklenburg bestand. Diese Scheidung aber führt dann weiter: sie erfordert eine gänzlich veränderte Basis der Landesvertretung. Die Einheitlichkeit der Finanzverwaltung setzt den ein¬ heitlichen Staat und die Einheitlichkeit der Landesvertretung voraus. Mit Son¬ derung der Einkünfte des Staats von denen des Großherzogs fällt der Feu¬ dalismus. Diese mit Sicherheit vorauszusehenden Consequenzen erklären hinlänglich das Widerstreben, mit welchem die Anhänger des Feudalismus, Regierung so¬ wohl als Stände, an die Gründung des neuen Bundesstaats hinantreten. Sie fürchten dessen verjüngende Rückwirkung auf das alte Mecklenburg. Viel Macht nach außen hat freilich der Fürst eines Kleinstaates nicht zu verlieren. Es ist aber auch schon ein Opfer, auf den Schein der-Selbständig¬ es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/517>, abgerufen am 04.07.2024.