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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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keit zu verzichten. Schwerer noch fällt jedenfalls die veränderte Stellung dem
Lande gegenüber ins Gewicht. Der Großherzog soll auf denjenigen Theil seiner
Rechte im Innern verzichten, welcher auf die neue Bundesgewalt übergeht. Er
soll sich seiner Kriegsherrlichkeit über die Landcstruppen begeben, sein Gesetz-
gebungs- und Besteuerungsrecht, welches beides er in seinen Domänen sogar
ohne alle, ständische Mitwirkung übt, schmälern, seine Einnahme auf ein be¬
stimmtes Maß zurückführen lassen. Er soll auf die freie und gänzlich uncon-
trolirte Verwendung von Einkünften verzichten, welche jährlich einen reinen
Ueberschuß von mehr als einer Million Thaler liefern, und auf den Einfluß,
welchen er als Grundherr von 200,000 Seelen und einem Areal von hundert
Millionen Thaler an Werth in der mannigfaltigsten Weise übt.

Noch empfindlicher trifft die Veränderung die Mitglieder der feudalen
Landesvertretung, der Ritter- und Landschaft. Sie sollen ihre politischen Rechte
nicht nur beschränken lassen, sondern ganz verlieren. Für die Ritterschaft,
namentlich für die adelige, droht außerdem mancherlei Verlust an Sinecuren
und den damit zusammenhängenden Emolumenten. Eine Menge von Stellen,
welche theils ausschließlich, theils vorzugsweise aus der Mitte der Adelsfamilien
besetzt werden, wird bei veränderten Staatseinrichtungen, bei Einführung des
Princips der Selbstverwaltung, als überflüssig eingehen. Das Hofleben, an
dessen uneingeschränkten Fortbestand der Adel ein so großes Interesse hat, wird
sich offenbar einfacher und der neuen Stellung des Fürsten im Bunde ent¬
sprechender gestalten. Von besonderem Gewicht ist auch die Einnahme aus dem
Vermögen der drei Landesklöster. Dasselbe beträgt circa sechs Millionen Thaler
und die davon aufkommenden Erträge nach einer Berechnung von Pogge-
Pölitz jährlich circa eine viertel Million. Diese Einkünfte hat der sogenannte
eingeborene und recipirte Adel, welcher sich an die Ritterschaft anlehnt und in
den Vorständen derselben zugleich seine eigene Organisation besitzt, fast aus¬
schließlich für seine unverheiratheten Töchter in Beschlag genommen. Nebenbei
werfen diese Stiftungen, welche bei der Säkularisation der Kirchen- und
Klostergüter im Reformationszeitalter den Ständen für Unterrichtszwecke über¬
wiesen wurden, auch für einzelne Mitglieder der adeligen Ritterschaft, die als
Klosterhauptleute, Provisoren, Deputirte die Klosterangelegenheiten leiten, nicht
unbeträchtliche Einnahmen ab, an denen auch die Mitglieder der Landschaft
einigen Theil haben. Ferner giebt es eine Menge von sonstigen ständischen
Aemtern, welche der Adel in Besitz hat. Die Mitglieder des engeren Aus-
schusses von Ritter- und Landschaft, des Landtagsdirectoriums, der ständischen
Deputationen u. s. w. beziehen stattliche Einkünfte in Form von Gehalten,
Diäten, Reisegeldern, Besoldungen für verschiedene mit ihrem Amt verbundene
Nebengeschäfte. Das Aufhören der Gerichts- und Polizeiherrlichkeit, die Gleich¬
stellung in Bezug auf die militärische Dienstpflicht und manches Andere bildet


keit zu verzichten. Schwerer noch fällt jedenfalls die veränderte Stellung dem
Lande gegenüber ins Gewicht. Der Großherzog soll auf denjenigen Theil seiner
Rechte im Innern verzichten, welcher auf die neue Bundesgewalt übergeht. Er
soll sich seiner Kriegsherrlichkeit über die Landcstruppen begeben, sein Gesetz-
gebungs- und Besteuerungsrecht, welches beides er in seinen Domänen sogar
ohne alle, ständische Mitwirkung übt, schmälern, seine Einnahme auf ein be¬
stimmtes Maß zurückführen lassen. Er soll auf die freie und gänzlich uncon-
trolirte Verwendung von Einkünften verzichten, welche jährlich einen reinen
Ueberschuß von mehr als einer Million Thaler liefern, und auf den Einfluß,
welchen er als Grundherr von 200,000 Seelen und einem Areal von hundert
Millionen Thaler an Werth in der mannigfaltigsten Weise übt.

Noch empfindlicher trifft die Veränderung die Mitglieder der feudalen
Landesvertretung, der Ritter- und Landschaft. Sie sollen ihre politischen Rechte
nicht nur beschränken lassen, sondern ganz verlieren. Für die Ritterschaft,
namentlich für die adelige, droht außerdem mancherlei Verlust an Sinecuren
und den damit zusammenhängenden Emolumenten. Eine Menge von Stellen,
welche theils ausschließlich, theils vorzugsweise aus der Mitte der Adelsfamilien
besetzt werden, wird bei veränderten Staatseinrichtungen, bei Einführung des
Princips der Selbstverwaltung, als überflüssig eingehen. Das Hofleben, an
dessen uneingeschränkten Fortbestand der Adel ein so großes Interesse hat, wird
sich offenbar einfacher und der neuen Stellung des Fürsten im Bunde ent¬
sprechender gestalten. Von besonderem Gewicht ist auch die Einnahme aus dem
Vermögen der drei Landesklöster. Dasselbe beträgt circa sechs Millionen Thaler
und die davon aufkommenden Erträge nach einer Berechnung von Pogge-
Pölitz jährlich circa eine viertel Million. Diese Einkünfte hat der sogenannte
eingeborene und recipirte Adel, welcher sich an die Ritterschaft anlehnt und in
den Vorständen derselben zugleich seine eigene Organisation besitzt, fast aus¬
schließlich für seine unverheiratheten Töchter in Beschlag genommen. Nebenbei
werfen diese Stiftungen, welche bei der Säkularisation der Kirchen- und
Klostergüter im Reformationszeitalter den Ständen für Unterrichtszwecke über¬
wiesen wurden, auch für einzelne Mitglieder der adeligen Ritterschaft, die als
Klosterhauptleute, Provisoren, Deputirte die Klosterangelegenheiten leiten, nicht
unbeträchtliche Einnahmen ab, an denen auch die Mitglieder der Landschaft
einigen Theil haben. Ferner giebt es eine Menge von sonstigen ständischen
Aemtern, welche der Adel in Besitz hat. Die Mitglieder des engeren Aus-
schusses von Ritter- und Landschaft, des Landtagsdirectoriums, der ständischen
Deputationen u. s. w. beziehen stattliche Einkünfte in Form von Gehalten,
Diäten, Reisegeldern, Besoldungen für verschiedene mit ihrem Amt verbundene
Nebengeschäfte. Das Aufhören der Gerichts- und Polizeiherrlichkeit, die Gleich¬
stellung in Bezug auf die militärische Dienstpflicht und manches Andere bildet


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/518>, abgerufen am 04.07.2024.