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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Der deutsche Krieg im Jahre 1866.
6. (Schluß.)
Militärische Resultate des Krieges.

Wenn wir, absehend von den einfachen Erfolgen des Krieges, wie sie die
Friedenstractate festsetzen und auch jede allgemeine politische Betrachtung bei
Seite setzend, uns auf den militärischen Standpunkt beschränken, so erscheint als
nächstes Resultat, daß die Macht, welche dem Staate die allgemeine Dienstpflicht
verschafft, auf der Höhe militärischer Bedeutung steht. Die vorzügliche Bewaff¬
nung der preußischen Armee hat auch ihren Werth documentirt, aber die Leistungs¬
fähigkeit des Zündnadelgewehrs war ja längst bekannt; man legte der Güte der
Waffe keinen ausschlaggebenden Werth für den kriegerischen Erfolg bei. Die
französische Armee, welche vermöge ihrer Leistungen die tonangebende in Europa
war, verwarf das Zündnadelgewehr grade um seiner bedeutendsten Eigenschaften
willen und aus dem Hauptgründe, weil zur erfolgreichen Verwendung desselben
ein Soldat erforderlich sei, wie ihn nur die Theorie, nicht die Wirklichkeit er¬
zeuge. Der diesjährige Krieg bewies nun aber, daß die preußische Armee diesen
Soldaten, der selbst in der Gefahr gut schießt, der seinen Schuß im großen
Ganzen nur abgiebt, wenn er Aussicht hat zu treffen, und der endlich noch dem
anstürmenden Gegner sicher treffendes Schnellfeuer entgegenschleudert, selbst wenn
er ihm Auge in Auge blickt, in ganzer Wirklichkeit besitzt. -- So sehen wir
denn auch die Franzosen in voller Erkenntniß der gemachten Erfahrungen nicht
nur beschäftigt, Hinterladungsgcwehre zu beschaffen, sondern auch ihre ganze
Heeresvrganisation in Frage stellen, um die Intelligenz in die Reihen ihrer
Truppen einzuführen, welche dem Gewehr allein Werth verleiht.

Die allgemeine Dienstpflicht ist einzig im Stande, diese Bedingung zu er¬
füllen. Nur die Pflicht, keinerlei anderes Mittel kann die gebildeten und be¬
sitzenden Classen zum gemeinen Soldaten machen. Darüber bedarf es der Aus¬
einandersetzungen nicht, das sprechen auch die jetzt zur Berathung der Organi¬
sation berufenen militärischen Autoritäten Oestreichs und Frankreichs aus.

Sind aber die großen Staaten Europas im Stande die allgemeine Dienst¬
pflicht bei sich einzuführen? Das ist eine Frage, deren Beantwortung die
künftige Machtstellung Preußens bestimmen wird und die wir darum hier ver¬
suchen wollen.

Preußen legte diese Pflicht seinem Volke in einer schweren Zeit auf, in
welcher in jedem Manne die Ueberzeugung der Nothwendigkeit derselben lebte.


Vrtnzboten IV. 18KS. ö7
Der deutsche Krieg im Jahre 1866.
6. (Schluß.)
Militärische Resultate des Krieges.

Wenn wir, absehend von den einfachen Erfolgen des Krieges, wie sie die
Friedenstractate festsetzen und auch jede allgemeine politische Betrachtung bei
Seite setzend, uns auf den militärischen Standpunkt beschränken, so erscheint als
nächstes Resultat, daß die Macht, welche dem Staate die allgemeine Dienstpflicht
verschafft, auf der Höhe militärischer Bedeutung steht. Die vorzügliche Bewaff¬
nung der preußischen Armee hat auch ihren Werth documentirt, aber die Leistungs¬
fähigkeit des Zündnadelgewehrs war ja längst bekannt; man legte der Güte der
Waffe keinen ausschlaggebenden Werth für den kriegerischen Erfolg bei. Die
französische Armee, welche vermöge ihrer Leistungen die tonangebende in Europa
war, verwarf das Zündnadelgewehr grade um seiner bedeutendsten Eigenschaften
willen und aus dem Hauptgründe, weil zur erfolgreichen Verwendung desselben
ein Soldat erforderlich sei, wie ihn nur die Theorie, nicht die Wirklichkeit er¬
zeuge. Der diesjährige Krieg bewies nun aber, daß die preußische Armee diesen
Soldaten, der selbst in der Gefahr gut schießt, der seinen Schuß im großen
Ganzen nur abgiebt, wenn er Aussicht hat zu treffen, und der endlich noch dem
anstürmenden Gegner sicher treffendes Schnellfeuer entgegenschleudert, selbst wenn
er ihm Auge in Auge blickt, in ganzer Wirklichkeit besitzt. — So sehen wir
denn auch die Franzosen in voller Erkenntniß der gemachten Erfahrungen nicht
nur beschäftigt, Hinterladungsgcwehre zu beschaffen, sondern auch ihre ganze
Heeresvrganisation in Frage stellen, um die Intelligenz in die Reihen ihrer
Truppen einzuführen, welche dem Gewehr allein Werth verleiht.

Die allgemeine Dienstpflicht ist einzig im Stande, diese Bedingung zu er¬
füllen. Nur die Pflicht, keinerlei anderes Mittel kann die gebildeten und be¬
sitzenden Classen zum gemeinen Soldaten machen. Darüber bedarf es der Aus¬
einandersetzungen nicht, das sprechen auch die jetzt zur Berathung der Organi¬
sation berufenen militärischen Autoritäten Oestreichs und Frankreichs aus.

Sind aber die großen Staaten Europas im Stande die allgemeine Dienst¬
pflicht bei sich einzuführen? Das ist eine Frage, deren Beantwortung die
künftige Machtstellung Preußens bestimmen wird und die wir darum hier ver¬
suchen wollen.

Preußen legte diese Pflicht seinem Volke in einer schweren Zeit auf, in
welcher in jedem Manne die Ueberzeugung der Nothwendigkeit derselben lebte.


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[0481] Der deutsche Krieg im Jahre 1866. 6. (Schluß.) Militärische Resultate des Krieges. Wenn wir, absehend von den einfachen Erfolgen des Krieges, wie sie die Friedenstractate festsetzen und auch jede allgemeine politische Betrachtung bei Seite setzend, uns auf den militärischen Standpunkt beschränken, so erscheint als nächstes Resultat, daß die Macht, welche dem Staate die allgemeine Dienstpflicht verschafft, auf der Höhe militärischer Bedeutung steht. Die vorzügliche Bewaff¬ nung der preußischen Armee hat auch ihren Werth documentirt, aber die Leistungs¬ fähigkeit des Zündnadelgewehrs war ja längst bekannt; man legte der Güte der Waffe keinen ausschlaggebenden Werth für den kriegerischen Erfolg bei. Die französische Armee, welche vermöge ihrer Leistungen die tonangebende in Europa war, verwarf das Zündnadelgewehr grade um seiner bedeutendsten Eigenschaften willen und aus dem Hauptgründe, weil zur erfolgreichen Verwendung desselben ein Soldat erforderlich sei, wie ihn nur die Theorie, nicht die Wirklichkeit er¬ zeuge. Der diesjährige Krieg bewies nun aber, daß die preußische Armee diesen Soldaten, der selbst in der Gefahr gut schießt, der seinen Schuß im großen Ganzen nur abgiebt, wenn er Aussicht hat zu treffen, und der endlich noch dem anstürmenden Gegner sicher treffendes Schnellfeuer entgegenschleudert, selbst wenn er ihm Auge in Auge blickt, in ganzer Wirklichkeit besitzt. — So sehen wir denn auch die Franzosen in voller Erkenntniß der gemachten Erfahrungen nicht nur beschäftigt, Hinterladungsgcwehre zu beschaffen, sondern auch ihre ganze Heeresvrganisation in Frage stellen, um die Intelligenz in die Reihen ihrer Truppen einzuführen, welche dem Gewehr allein Werth verleiht. Die allgemeine Dienstpflicht ist einzig im Stande, diese Bedingung zu er¬ füllen. Nur die Pflicht, keinerlei anderes Mittel kann die gebildeten und be¬ sitzenden Classen zum gemeinen Soldaten machen. Darüber bedarf es der Aus¬ einandersetzungen nicht, das sprechen auch die jetzt zur Berathung der Organi¬ sation berufenen militärischen Autoritäten Oestreichs und Frankreichs aus. Sind aber die großen Staaten Europas im Stande die allgemeine Dienst¬ pflicht bei sich einzuführen? Das ist eine Frage, deren Beantwortung die künftige Machtstellung Preußens bestimmen wird und die wir darum hier ver¬ suchen wollen. Preußen legte diese Pflicht seinem Volke in einer schweren Zeit auf, in welcher in jedem Manne die Ueberzeugung der Nothwendigkeit derselben lebte. Vrtnzboten IV. 18KS. ö7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/481>, abgerufen am 28.06.2024.