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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Mit dem so betriebenen Fischfang kann kaum die lange Fahrt den Vergleich
aushalten, denn alle Frachtschiffahrt hat den Hafen zum Ziel und betrachtet
Stürme als Gefahren, die man füglicher meidet als aufsucht; während der
Fischfang auf hoher See grade darin sein Verdienst zu suchen hat, daß er vor
keinem Wind und Wellengang womöglich den bergenden Hafen sucht. Es
kommt noch hinzu, daß der Fischfang den kraftentbindenden Reiz des Antheils
am Gewinn statt festen Lohnes, den die Frachtschiffahrt bis jetzt noch durchweg
ausschließt, nicht allein zuläßt, sondern gradezu fordert. Die bildende und
Stadtende Kraft, die in dieser Art der Aufgabe sowohl als der Belohnung liegt,
ist von anderen Nationen längst nach Gebühr gewürdigt worden. Sie haben
es sich daher viel Geld und gesetzgeberisches Nachdenken kosten lasse", um die
der See zugewandten Theile des Volkes zur Betheiligung an der Fischerei zu
drängen. Prämien und Schutz- oder Prohibitivzölle mußten diesem Zwecke
dienen. Allein so wichtig der Zweck, so verfehlt waren derartige Mittel, wie
man sich wenigstens in England, wo sie zu Anfang der dreißiger Jahre, und
in Holland, wo sie gegen Ende der fünfziger Jahre abgeschafft wurden, allgemein
überzeugt hat. In Frankreich hingegen besteht noch heute ein kostspieliges und
Verwickeltes System officieller Begünstigung des Seefischfangs, und ist erst im
Jahre 1861 wieder bis 1871 erneuert worden, wiewohl es auch dort an mi߬
billigenden Urtheilen über seinen Werth und seine Wirkungen nicht fehlt.

Bis vor. wenigen Jahren war die gesammte französische Fischerei sehr wirk¬
sam, durch einen aus iM Ergebnissen fremden Fischfangs liegenden Einfuhrzoll
geschützt, der in allen Häfen 40 Franken für 100 Kilogramm betrug. Jetzt ist
derselbe auf zehn umd elf Franken nebst doppelter Zuschlagsdecime ermäßigt,
Mb zu diesem Satze kann der großartige Fischfang der Engländer immerhin
schon etwaH auf de,n pariser Markt liefern. Die völlige Abschaffung würde
freilich der Volksernährung in Frankreich einen noch viel handgreiflicheren Dienst
leisten. Nicht blos insofern sie weit größere Massen englischen, holländischen,
belgischen und demnächst vielleicht ques deutschen Seefisches ins Land ziehen,
sondern indem sie den Kurrern von Boulogne, Fecamp und Dieppe zum wirk-
samsten Anstoß werden würde, sich mit Eis zu versehen und zum Behuf der
Anwendung eines gemeinsamen Transportschiffs in Flottillen zusammenzuthun.
Schwerer aber als der Schutzzoll lastet auf der Entwickelung des französischen,
Seefischfangs das Prämienwesen. Es ist jetzt grade hundert Jahre alt. Ab¬
wechselnd hat man die Sätze hinaus- und hinuntergesetzt, -- das letztere, wenn
der Gedanke der Abschaffung einmal obenauf kam und die Anhänger des Be¬
stehenden zu Kompromissen nöthigte, das erstere, wenn man sich wieder in den
Politischen Zweck der Institution verliebte und die Mittel nur nach ihrer Wirk¬
samkeit bemaß- Die Prämien sind ausgeworfen für den Stocksischsang und den
Walfischfang. Der Fang frischen Fisches wird nicht weiter als durch den Ein-


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Mit dem so betriebenen Fischfang kann kaum die lange Fahrt den Vergleich
aushalten, denn alle Frachtschiffahrt hat den Hafen zum Ziel und betrachtet
Stürme als Gefahren, die man füglicher meidet als aufsucht; während der
Fischfang auf hoher See grade darin sein Verdienst zu suchen hat, daß er vor
keinem Wind und Wellengang womöglich den bergenden Hafen sucht. Es
kommt noch hinzu, daß der Fischfang den kraftentbindenden Reiz des Antheils
am Gewinn statt festen Lohnes, den die Frachtschiffahrt bis jetzt noch durchweg
ausschließt, nicht allein zuläßt, sondern gradezu fordert. Die bildende und
Stadtende Kraft, die in dieser Art der Aufgabe sowohl als der Belohnung liegt,
ist von anderen Nationen längst nach Gebühr gewürdigt worden. Sie haben
es sich daher viel Geld und gesetzgeberisches Nachdenken kosten lasse», um die
der See zugewandten Theile des Volkes zur Betheiligung an der Fischerei zu
drängen. Prämien und Schutz- oder Prohibitivzölle mußten diesem Zwecke
dienen. Allein so wichtig der Zweck, so verfehlt waren derartige Mittel, wie
man sich wenigstens in England, wo sie zu Anfang der dreißiger Jahre, und
in Holland, wo sie gegen Ende der fünfziger Jahre abgeschafft wurden, allgemein
überzeugt hat. In Frankreich hingegen besteht noch heute ein kostspieliges und
Verwickeltes System officieller Begünstigung des Seefischfangs, und ist erst im
Jahre 1861 wieder bis 1871 erneuert worden, wiewohl es auch dort an mi߬
billigenden Urtheilen über seinen Werth und seine Wirkungen nicht fehlt.

Bis vor. wenigen Jahren war die gesammte französische Fischerei sehr wirk¬
sam, durch einen aus iM Ergebnissen fremden Fischfangs liegenden Einfuhrzoll
geschützt, der in allen Häfen 40 Franken für 100 Kilogramm betrug. Jetzt ist
derselbe auf zehn umd elf Franken nebst doppelter Zuschlagsdecime ermäßigt,
Mb zu diesem Satze kann der großartige Fischfang der Engländer immerhin
schon etwaH auf de,n pariser Markt liefern. Die völlige Abschaffung würde
freilich der Volksernährung in Frankreich einen noch viel handgreiflicheren Dienst
leisten. Nicht blos insofern sie weit größere Massen englischen, holländischen,
belgischen und demnächst vielleicht ques deutschen Seefisches ins Land ziehen,
sondern indem sie den Kurrern von Boulogne, Fecamp und Dieppe zum wirk-
samsten Anstoß werden würde, sich mit Eis zu versehen und zum Behuf der
Anwendung eines gemeinsamen Transportschiffs in Flottillen zusammenzuthun.
Schwerer aber als der Schutzzoll lastet auf der Entwickelung des französischen,
Seefischfangs das Prämienwesen. Es ist jetzt grade hundert Jahre alt. Ab¬
wechselnd hat man die Sätze hinaus- und hinuntergesetzt, — das letztere, wenn
der Gedanke der Abschaffung einmal obenauf kam und die Anhänger des Be¬
stehenden zu Kompromissen nöthigte, das erstere, wenn man sich wieder in den
Politischen Zweck der Institution verliebte und die Mittel nur nach ihrer Wirk¬
samkeit bemaß- Die Prämien sind ausgeworfen für den Stocksischsang und den
Walfischfang. Der Fang frischen Fisches wird nicht weiter als durch den Ein-


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[0457] Mit dem so betriebenen Fischfang kann kaum die lange Fahrt den Vergleich aushalten, denn alle Frachtschiffahrt hat den Hafen zum Ziel und betrachtet Stürme als Gefahren, die man füglicher meidet als aufsucht; während der Fischfang auf hoher See grade darin sein Verdienst zu suchen hat, daß er vor keinem Wind und Wellengang womöglich den bergenden Hafen sucht. Es kommt noch hinzu, daß der Fischfang den kraftentbindenden Reiz des Antheils am Gewinn statt festen Lohnes, den die Frachtschiffahrt bis jetzt noch durchweg ausschließt, nicht allein zuläßt, sondern gradezu fordert. Die bildende und Stadtende Kraft, die in dieser Art der Aufgabe sowohl als der Belohnung liegt, ist von anderen Nationen längst nach Gebühr gewürdigt worden. Sie haben es sich daher viel Geld und gesetzgeberisches Nachdenken kosten lasse», um die der See zugewandten Theile des Volkes zur Betheiligung an der Fischerei zu drängen. Prämien und Schutz- oder Prohibitivzölle mußten diesem Zwecke dienen. Allein so wichtig der Zweck, so verfehlt waren derartige Mittel, wie man sich wenigstens in England, wo sie zu Anfang der dreißiger Jahre, und in Holland, wo sie gegen Ende der fünfziger Jahre abgeschafft wurden, allgemein überzeugt hat. In Frankreich hingegen besteht noch heute ein kostspieliges und Verwickeltes System officieller Begünstigung des Seefischfangs, und ist erst im Jahre 1861 wieder bis 1871 erneuert worden, wiewohl es auch dort an mi߬ billigenden Urtheilen über seinen Werth und seine Wirkungen nicht fehlt. Bis vor. wenigen Jahren war die gesammte französische Fischerei sehr wirk¬ sam, durch einen aus iM Ergebnissen fremden Fischfangs liegenden Einfuhrzoll geschützt, der in allen Häfen 40 Franken für 100 Kilogramm betrug. Jetzt ist derselbe auf zehn umd elf Franken nebst doppelter Zuschlagsdecime ermäßigt, Mb zu diesem Satze kann der großartige Fischfang der Engländer immerhin schon etwaH auf de,n pariser Markt liefern. Die völlige Abschaffung würde freilich der Volksernährung in Frankreich einen noch viel handgreiflicheren Dienst leisten. Nicht blos insofern sie weit größere Massen englischen, holländischen, belgischen und demnächst vielleicht ques deutschen Seefisches ins Land ziehen, sondern indem sie den Kurrern von Boulogne, Fecamp und Dieppe zum wirk- samsten Anstoß werden würde, sich mit Eis zu versehen und zum Behuf der Anwendung eines gemeinsamen Transportschiffs in Flottillen zusammenzuthun. Schwerer aber als der Schutzzoll lastet auf der Entwickelung des französischen, Seefischfangs das Prämienwesen. Es ist jetzt grade hundert Jahre alt. Ab¬ wechselnd hat man die Sätze hinaus- und hinuntergesetzt, — das letztere, wenn der Gedanke der Abschaffung einmal obenauf kam und die Anhänger des Be¬ stehenden zu Kompromissen nöthigte, das erstere, wenn man sich wieder in den Politischen Zweck der Institution verliebte und die Mittel nur nach ihrer Wirk¬ samkeit bemaß- Die Prämien sind ausgeworfen für den Stocksischsang und den Walfischfang. Der Fang frischen Fisches wird nicht weiter als durch den Ein- 54"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/457>, abgerufen am 02.07.2024.