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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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gangSzoll für fremden Fisch unterstützt, obgleich er, auf großen seehaltenden
Schiffen betrieben, die seemännischen Tugenden mindestens ebenso sehr zu ent-
wickeln dienen möchte wie der Stocksischsang von Se. Pierre und Miquelon (Neu¬
fundland), bei'dem die Mehrzahl der Leute mehr am festen Lande arbeitet als
im Wogenbraus. Der Härings- und Makrelenfang empfängt nur die mittelbare
Begünstigung zoll- und steuerfreien Salzes. Jene anderen beiden Arten des
Secfischfangs aber werden in zwiefacher Weise unterstützt, theils durch eine
Prämie für jeden Mann der Besatzung -- 15--50 Franken je nach dem Fang¬
ort u. s. w. beim Stocksischsang, 72--120 Franken je nach dem rein französischen
oder gemischten Ursprung der Mannschaft beim Walfischfang -- theils durch
eine Prämie für jeden Centner der Beute, die sich nach dem Bestimmungsort
abstuft. Das heutige Frankreich steht in diesem Stück noch völlig auf dem
patriarchalischen Standpunkt Friedrichs des Großen, der den ostfricstschen Hä-
ringsfang auch nur dadurch in Schwung zu bringen wußte, daß er ihm in der
Form von Prämien die beträchtlichsten baaren Zuschüsse machte. Zum Danke
für die Unterstützung des Staats muß sich der französische Seefischfang eine
Bevormundung gefallen lassen, die in Deutschland allgemeines Murren, in Eng¬
land oder Nordamerika offenen Widerstand hervorrufen würde. Die Zeit des
Segelns und Ausbleibens, die geringste Zahl der Mannschaft, die Ausrüstung
des Schiffes bis ins Kleinste ist gesetzlich vorgeschrieben, und verpönt nicht nur,
wie selbstverständlich wäre, die Erschleichung der Prämie durch verläugnete
Einführung fremden gekauften Fisches, sondern auch der geringste Verstoß gegen
jene moderne Kleider- und Speisenordnung. Mindestens in demselben Maße
wie die Gewöhnung der Mannschaft an Seegefahren sie Physisch fähiger machen
mag, auf der Kriegsmarine ihres Landes mit Nutzen verwandt zu werden, muß
die Gewöhnung sämmtlicher beim Seesischfang betheiligter Bevölkerungsclafsen
an eine so weitgehende und so tiefeingreifende Vormundschaft der Behörden sie
moralisch unfähiger machen, ihr Gewerbe fortschreitend zu entwickeln. Das
Prämienwesen ist ein Lotterbett, das doppelt erschlafft: durch den Lohn, den es
auch der ausgemachtesten Trägheit schon spendet, und durch die Erstickung jedes
Gefühls persönlicher Verantwortlichkeit in der zwangsmäßigen Durchführung
allumfassender, haargenauer Vorschriften. Es ist aber zugleich eine so verfüh¬
rerische Versuchung zur Betrügerei, daß z. B. die französischen Kriegsschiffe,
welche überall den Fischerflotten ihrer Nation als Polizeiwache beigegeben sind,
als ihre Hauptaufgabe zu betrachten haben, dafür zu sorgen, daß nicht fremder
Fisch eine französische Prämie davonträgt. Bis zum Jahre 1871 ist noch voll¬
auf Frist, die öffentliche Meinung über die Naturwidrigkeit des Prämienwesens
aufzuklären und gegen dessen dann fällige Erneuerung unüberwindlich einzu¬
nehmen: möge sie von den wirthschaftskundigen Männern unseres großen Nachbar¬
landes nicht versäumt werden!


gangSzoll für fremden Fisch unterstützt, obgleich er, auf großen seehaltenden
Schiffen betrieben, die seemännischen Tugenden mindestens ebenso sehr zu ent-
wickeln dienen möchte wie der Stocksischsang von Se. Pierre und Miquelon (Neu¬
fundland), bei'dem die Mehrzahl der Leute mehr am festen Lande arbeitet als
im Wogenbraus. Der Härings- und Makrelenfang empfängt nur die mittelbare
Begünstigung zoll- und steuerfreien Salzes. Jene anderen beiden Arten des
Secfischfangs aber werden in zwiefacher Weise unterstützt, theils durch eine
Prämie für jeden Mann der Besatzung — 15—50 Franken je nach dem Fang¬
ort u. s. w. beim Stocksischsang, 72—120 Franken je nach dem rein französischen
oder gemischten Ursprung der Mannschaft beim Walfischfang — theils durch
eine Prämie für jeden Centner der Beute, die sich nach dem Bestimmungsort
abstuft. Das heutige Frankreich steht in diesem Stück noch völlig auf dem
patriarchalischen Standpunkt Friedrichs des Großen, der den ostfricstschen Hä-
ringsfang auch nur dadurch in Schwung zu bringen wußte, daß er ihm in der
Form von Prämien die beträchtlichsten baaren Zuschüsse machte. Zum Danke
für die Unterstützung des Staats muß sich der französische Seefischfang eine
Bevormundung gefallen lassen, die in Deutschland allgemeines Murren, in Eng¬
land oder Nordamerika offenen Widerstand hervorrufen würde. Die Zeit des
Segelns und Ausbleibens, die geringste Zahl der Mannschaft, die Ausrüstung
des Schiffes bis ins Kleinste ist gesetzlich vorgeschrieben, und verpönt nicht nur,
wie selbstverständlich wäre, die Erschleichung der Prämie durch verläugnete
Einführung fremden gekauften Fisches, sondern auch der geringste Verstoß gegen
jene moderne Kleider- und Speisenordnung. Mindestens in demselben Maße
wie die Gewöhnung der Mannschaft an Seegefahren sie Physisch fähiger machen
mag, auf der Kriegsmarine ihres Landes mit Nutzen verwandt zu werden, muß
die Gewöhnung sämmtlicher beim Seesischfang betheiligter Bevölkerungsclafsen
an eine so weitgehende und so tiefeingreifende Vormundschaft der Behörden sie
moralisch unfähiger machen, ihr Gewerbe fortschreitend zu entwickeln. Das
Prämienwesen ist ein Lotterbett, das doppelt erschlafft: durch den Lohn, den es
auch der ausgemachtesten Trägheit schon spendet, und durch die Erstickung jedes
Gefühls persönlicher Verantwortlichkeit in der zwangsmäßigen Durchführung
allumfassender, haargenauer Vorschriften. Es ist aber zugleich eine so verfüh¬
rerische Versuchung zur Betrügerei, daß z. B. die französischen Kriegsschiffe,
welche überall den Fischerflotten ihrer Nation als Polizeiwache beigegeben sind,
als ihre Hauptaufgabe zu betrachten haben, dafür zu sorgen, daß nicht fremder
Fisch eine französische Prämie davonträgt. Bis zum Jahre 1871 ist noch voll¬
auf Frist, die öffentliche Meinung über die Naturwidrigkeit des Prämienwesens
aufzuklären und gegen dessen dann fällige Erneuerung unüberwindlich einzu¬
nehmen: möge sie von den wirthschaftskundigen Männern unseres großen Nachbar¬
landes nicht versäumt werden!


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[0458] gangSzoll für fremden Fisch unterstützt, obgleich er, auf großen seehaltenden Schiffen betrieben, die seemännischen Tugenden mindestens ebenso sehr zu ent- wickeln dienen möchte wie der Stocksischsang von Se. Pierre und Miquelon (Neu¬ fundland), bei'dem die Mehrzahl der Leute mehr am festen Lande arbeitet als im Wogenbraus. Der Härings- und Makrelenfang empfängt nur die mittelbare Begünstigung zoll- und steuerfreien Salzes. Jene anderen beiden Arten des Secfischfangs aber werden in zwiefacher Weise unterstützt, theils durch eine Prämie für jeden Mann der Besatzung — 15—50 Franken je nach dem Fang¬ ort u. s. w. beim Stocksischsang, 72—120 Franken je nach dem rein französischen oder gemischten Ursprung der Mannschaft beim Walfischfang — theils durch eine Prämie für jeden Centner der Beute, die sich nach dem Bestimmungsort abstuft. Das heutige Frankreich steht in diesem Stück noch völlig auf dem patriarchalischen Standpunkt Friedrichs des Großen, der den ostfricstschen Hä- ringsfang auch nur dadurch in Schwung zu bringen wußte, daß er ihm in der Form von Prämien die beträchtlichsten baaren Zuschüsse machte. Zum Danke für die Unterstützung des Staats muß sich der französische Seefischfang eine Bevormundung gefallen lassen, die in Deutschland allgemeines Murren, in Eng¬ land oder Nordamerika offenen Widerstand hervorrufen würde. Die Zeit des Segelns und Ausbleibens, die geringste Zahl der Mannschaft, die Ausrüstung des Schiffes bis ins Kleinste ist gesetzlich vorgeschrieben, und verpönt nicht nur, wie selbstverständlich wäre, die Erschleichung der Prämie durch verläugnete Einführung fremden gekauften Fisches, sondern auch der geringste Verstoß gegen jene moderne Kleider- und Speisenordnung. Mindestens in demselben Maße wie die Gewöhnung der Mannschaft an Seegefahren sie Physisch fähiger machen mag, auf der Kriegsmarine ihres Landes mit Nutzen verwandt zu werden, muß die Gewöhnung sämmtlicher beim Seesischfang betheiligter Bevölkerungsclafsen an eine so weitgehende und so tiefeingreifende Vormundschaft der Behörden sie moralisch unfähiger machen, ihr Gewerbe fortschreitend zu entwickeln. Das Prämienwesen ist ein Lotterbett, das doppelt erschlafft: durch den Lohn, den es auch der ausgemachtesten Trägheit schon spendet, und durch die Erstickung jedes Gefühls persönlicher Verantwortlichkeit in der zwangsmäßigen Durchführung allumfassender, haargenauer Vorschriften. Es ist aber zugleich eine so verfüh¬ rerische Versuchung zur Betrügerei, daß z. B. die französischen Kriegsschiffe, welche überall den Fischerflotten ihrer Nation als Polizeiwache beigegeben sind, als ihre Hauptaufgabe zu betrachten haben, dafür zu sorgen, daß nicht fremder Fisch eine französische Prämie davonträgt. Bis zum Jahre 1871 ist noch voll¬ auf Frist, die öffentliche Meinung über die Naturwidrigkeit des Prämienwesens aufzuklären und gegen dessen dann fällige Erneuerung unüberwindlich einzu¬ nehmen: möge sie von den wirthschaftskundigen Männern unseres großen Nachbar¬ landes nicht versäumt werden!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/458>, abgerufen am 30.06.2024.