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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Ermüdet der Unternehmer nicht, so ermüdet doch die Mannschaft, deren Lohn
ebenfalls nach dem Umfang der Beute, bemessen zu werden Pflegt; und zum
Seefischfang kann man nur die Elite des Matrosenvolks, lange nicht die ersten
besten gebrauchen. Diese Erfahrungen weisen darauf hin. daß man für die
kostspieligeren und zugleich unregelmäßiger lohnenden Arten des Seesischfangs
eine feste Grundlage suchen sollte in dem Massenfang eßbaren frischen Fisches
mit dem Grundnetz, der nicht nur weil er sicheren und reichlichen Gewinn ab¬
wirft, sondern auch weil er für die Besatzung der Schiffe eine Schule bildet,
die sie der gewissen Prämie halber nicht so leicht verlaufen, bei einigermaßen
ausgedehnter Betreibung den Fang von Häringen, Dorschen (Stockfisch) und
Walen zuverlässig zu tragen verspricht; Ähnlich wie ein Weinbergbesitzer die
Schwankungen des Herbstes eher überwindet, wenn er daneben noch Ackerbau
oder Viehzucht zu treiben vermag.

Dem Fange frischen Seefisches hat sich in Deutschland das große Capital
und die höhere Intelligenz bis jetzt noch nirgends zugewendet. Er ist der
Fischerbevölkerung der Küsten und Inseln überlassen geblieben, die ihn im trägsten
Schlendrian und großentheils als bloßes Nebengewerbe betreibt. Die Schiffe,
zu deren Anschaffung die Mittel dieser Leute hinreichen und ihre Begriffe sich
erheben, vermögen nur bei glatter See und ruhiger Luft ihrem Handwerk nach¬
zugehen. Sie werden aber oft noch lieber, als zum Fischen, zum Bergen von
Strandgut verwendet, wenn irgendwo auf einer Plate ein Wrack sitzt. Auf
mehrern der Nordseeinseln wie Norderney, Helgoland u. s. w. übt der bequeme
Gewinn von den Seebadegästen seine verweichlichende Wirkung; man bleibt bei
schlechtem Wetter lieber hinterm Ofen, nicht blos weil die Schaluppe nicht see¬
fest, sondern auch weil der eigne Sinn dem Kampfe mit Sturm und Wogen
allmälig abgewandt worden ist. Von Norderney aus wird der Schellfischfang
noch immer mit der Angel betrieben, an die man eine im Wattsande gefundene
Art Regenwurm als Köder steckt. Es geht aber aus den in England ange¬
stellten vergleichenden Untersuchungen aufs deutlichste hervor, daß die Angel
nicht allein einen wohl zehnfach geringeren Ertrag liefert als das Grundnetz,
sondern auch um die Hälfte theurer zu bedienen ist. Wenn z. B. ein mit dem
Grundnetz fischendes Schiff von 80--100 Tons für II Pfund Sterling wöchent¬
lichen Lohn zu bemannen ist, kostet ein gleichgroßes Schiff-zum Angeln 16 Pfund.
So sagte einer-der ersten Fischhändler Londons, James T. Morgan, der selbst
früher Fischer gewesen ist und nun 36 Trawler besitzt, vor dem königlichen
Untersuchungsausschuß im Jahre 1864 aus. Auf Antheile gesetzt, würde die
Mannschaft eines Trawlers natürlich entsprechend mehr verdienen; in London
aber muß man sie wohl auch für feste Heuer gut genug haben können, und
dann ist sie billiger, als die Mannschaft eines Anglers, weil sie eben aus weit
wenigeren Köpfen besteht. In dieser Ersparnis; an Händen liegt neben der


Ermüdet der Unternehmer nicht, so ermüdet doch die Mannschaft, deren Lohn
ebenfalls nach dem Umfang der Beute, bemessen zu werden Pflegt; und zum
Seefischfang kann man nur die Elite des Matrosenvolks, lange nicht die ersten
besten gebrauchen. Diese Erfahrungen weisen darauf hin. daß man für die
kostspieligeren und zugleich unregelmäßiger lohnenden Arten des Seesischfangs
eine feste Grundlage suchen sollte in dem Massenfang eßbaren frischen Fisches
mit dem Grundnetz, der nicht nur weil er sicheren und reichlichen Gewinn ab¬
wirft, sondern auch weil er für die Besatzung der Schiffe eine Schule bildet,
die sie der gewissen Prämie halber nicht so leicht verlaufen, bei einigermaßen
ausgedehnter Betreibung den Fang von Häringen, Dorschen (Stockfisch) und
Walen zuverlässig zu tragen verspricht; Ähnlich wie ein Weinbergbesitzer die
Schwankungen des Herbstes eher überwindet, wenn er daneben noch Ackerbau
oder Viehzucht zu treiben vermag.

Dem Fange frischen Seefisches hat sich in Deutschland das große Capital
und die höhere Intelligenz bis jetzt noch nirgends zugewendet. Er ist der
Fischerbevölkerung der Küsten und Inseln überlassen geblieben, die ihn im trägsten
Schlendrian und großentheils als bloßes Nebengewerbe betreibt. Die Schiffe,
zu deren Anschaffung die Mittel dieser Leute hinreichen und ihre Begriffe sich
erheben, vermögen nur bei glatter See und ruhiger Luft ihrem Handwerk nach¬
zugehen. Sie werden aber oft noch lieber, als zum Fischen, zum Bergen von
Strandgut verwendet, wenn irgendwo auf einer Plate ein Wrack sitzt. Auf
mehrern der Nordseeinseln wie Norderney, Helgoland u. s. w. übt der bequeme
Gewinn von den Seebadegästen seine verweichlichende Wirkung; man bleibt bei
schlechtem Wetter lieber hinterm Ofen, nicht blos weil die Schaluppe nicht see¬
fest, sondern auch weil der eigne Sinn dem Kampfe mit Sturm und Wogen
allmälig abgewandt worden ist. Von Norderney aus wird der Schellfischfang
noch immer mit der Angel betrieben, an die man eine im Wattsande gefundene
Art Regenwurm als Köder steckt. Es geht aber aus den in England ange¬
stellten vergleichenden Untersuchungen aufs deutlichste hervor, daß die Angel
nicht allein einen wohl zehnfach geringeren Ertrag liefert als das Grundnetz,
sondern auch um die Hälfte theurer zu bedienen ist. Wenn z. B. ein mit dem
Grundnetz fischendes Schiff von 80—100 Tons für II Pfund Sterling wöchent¬
lichen Lohn zu bemannen ist, kostet ein gleichgroßes Schiff-zum Angeln 16 Pfund.
So sagte einer-der ersten Fischhändler Londons, James T. Morgan, der selbst
früher Fischer gewesen ist und nun 36 Trawler besitzt, vor dem königlichen
Untersuchungsausschuß im Jahre 1864 aus. Auf Antheile gesetzt, würde die
Mannschaft eines Trawlers natürlich entsprechend mehr verdienen; in London
aber muß man sie wohl auch für feste Heuer gut genug haben können, und
dann ist sie billiger, als die Mannschaft eines Anglers, weil sie eben aus weit
wenigeren Köpfen besteht. In dieser Ersparnis; an Händen liegt neben der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/451>, abgerufen am 04.07.2024.