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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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ungleich größeren Menge des Fangs der entscheidende Vorzug des Grundnetzes.
Alle sich selbst überlassene, von dem Capital und der Technik noch nicht auf"
gesuchte Seefischerei treibt Verschwendung mit der Arbeitskraft und beeinträchtigt
dadurch ihren Reingewinn. Von Boulogne z. B. laufen hundert Trawler von
durchschnittlich vierzig Tons in die Nordsee aus, mit durchschnittlich siebzehn
Manu besetzt, während eine huller Snack, auch wenn sie zehn oder zwanzig
Tons mehr hält, an fünf Mann genug hat, dem Capitän, zwei Vollmatrosen
und zwei Lehrlingen. Dafür aber fischen die englischen Schiffe auch regelmäßig
in kleinen Flotten vereinigt, mögen sie nun zu mehrern einen und denselben
Eigenthümer haben oder jedes für sich sein; d. h. sie brauchen nicht mit Fischen
aufzuhören, wenn sie eine Ladung beisammen haben, und dann mit der Rück¬
kehr nach dem Hasen ihre Zeit zu verlieren, sondern können die Ablieferung
der Beute einem Schnellsegler oder Dampfer übertragen, während sie selbst ohne
Unterbrechung das Netz auswerfen. Die Fischer von Blankenese und Finken¬
werder an der untern Elbe bedienen sich allerdings des Grundnetzes, oder wie
sie es nennen, der Kurre; aber ihre Ewer sind auch nicht seefest, und die ge¬
fangenen Fische werden nicht in Eis gelegt, sondern in die Bülte oder Bunge,
einen vom Wasser der See oder des Stromes durchspülten abgesonderten Theil
des Schiffsraums, in dem sie lebendig bleiben sollen. In Deutschland, wo
man gleichwie auf dem Kontinent überhaupt kaum angefangen hat zur Con-
servirung des Fisches Eis zu verwenden, gilt der lebendig erhaltene Fisch be¬
greiflicherweise für besser als der rechtzeitig getödtete. In England aber ist
man von diesem Vorurtheil schon lange zurückgekommen, und weiß, daß der
Fisch auch in der Bunge nicht bleibt, was er im freien Wasser war, zumal
wenn das Schiff aus dem Salzwasser in Süßwasser übergeht, geschweige denn
nachher in dem unbewegten Wasser eines Kastens oder einer Tonne. Der
zwischen Eis gelegte Fisch wird daher auf den englischen Märkten lieber ge¬
nommen und höher bezahlt, als der lebendig erhaltene, der immer schon für
etwas verdächtig gilt, wie in Deutschland bisher umgekehrt der todte, freilich
nicht in Eis conservirte Fisch. Im Eis hält der Fisch sich wochenlang genießbar.
Das geht schon aus der Entwickelung des norwegischen Handels mit frischem
Fisch nach England hervor, der, 1860 begonnen. 1863 bereits 260,000 Thaler
ertrug. So umfänglich ist in England der Verbrauch von Eis zu diesem Be¬
huf, daß eine einzige londoner Fischhandlung im Jahre 2--30.00 Pfund Ster¬
ling für Eis ausgiebt, und eine andere es sogar vortheilhafter findet, ihr Eis
auf künstlichem Wege durch eine kostspielige Maschine herzustellen, als es zu
Schiffe aus Norwegen zu beziehen.--

Wir haben nun die Elemente sämmtlich beisammen, die dem Seefischfang
in der Gegenwart eine so hohe und täglich wachsende volkswirthschaftliche Be¬
deutung geben: die Kurre (Trawl), das seefeste Schiff (Snack oder Lugger),


ungleich größeren Menge des Fangs der entscheidende Vorzug des Grundnetzes.
Alle sich selbst überlassene, von dem Capital und der Technik noch nicht auf«
gesuchte Seefischerei treibt Verschwendung mit der Arbeitskraft und beeinträchtigt
dadurch ihren Reingewinn. Von Boulogne z. B. laufen hundert Trawler von
durchschnittlich vierzig Tons in die Nordsee aus, mit durchschnittlich siebzehn
Manu besetzt, während eine huller Snack, auch wenn sie zehn oder zwanzig
Tons mehr hält, an fünf Mann genug hat, dem Capitän, zwei Vollmatrosen
und zwei Lehrlingen. Dafür aber fischen die englischen Schiffe auch regelmäßig
in kleinen Flotten vereinigt, mögen sie nun zu mehrern einen und denselben
Eigenthümer haben oder jedes für sich sein; d. h. sie brauchen nicht mit Fischen
aufzuhören, wenn sie eine Ladung beisammen haben, und dann mit der Rück¬
kehr nach dem Hasen ihre Zeit zu verlieren, sondern können die Ablieferung
der Beute einem Schnellsegler oder Dampfer übertragen, während sie selbst ohne
Unterbrechung das Netz auswerfen. Die Fischer von Blankenese und Finken¬
werder an der untern Elbe bedienen sich allerdings des Grundnetzes, oder wie
sie es nennen, der Kurre; aber ihre Ewer sind auch nicht seefest, und die ge¬
fangenen Fische werden nicht in Eis gelegt, sondern in die Bülte oder Bunge,
einen vom Wasser der See oder des Stromes durchspülten abgesonderten Theil
des Schiffsraums, in dem sie lebendig bleiben sollen. In Deutschland, wo
man gleichwie auf dem Kontinent überhaupt kaum angefangen hat zur Con-
servirung des Fisches Eis zu verwenden, gilt der lebendig erhaltene Fisch be¬
greiflicherweise für besser als der rechtzeitig getödtete. In England aber ist
man von diesem Vorurtheil schon lange zurückgekommen, und weiß, daß der
Fisch auch in der Bunge nicht bleibt, was er im freien Wasser war, zumal
wenn das Schiff aus dem Salzwasser in Süßwasser übergeht, geschweige denn
nachher in dem unbewegten Wasser eines Kastens oder einer Tonne. Der
zwischen Eis gelegte Fisch wird daher auf den englischen Märkten lieber ge¬
nommen und höher bezahlt, als der lebendig erhaltene, der immer schon für
etwas verdächtig gilt, wie in Deutschland bisher umgekehrt der todte, freilich
nicht in Eis conservirte Fisch. Im Eis hält der Fisch sich wochenlang genießbar.
Das geht schon aus der Entwickelung des norwegischen Handels mit frischem
Fisch nach England hervor, der, 1860 begonnen. 1863 bereits 260,000 Thaler
ertrug. So umfänglich ist in England der Verbrauch von Eis zu diesem Be¬
huf, daß eine einzige londoner Fischhandlung im Jahre 2—30.00 Pfund Ster¬
ling für Eis ausgiebt, und eine andere es sogar vortheilhafter findet, ihr Eis
auf künstlichem Wege durch eine kostspielige Maschine herzustellen, als es zu
Schiffe aus Norwegen zu beziehen.—

Wir haben nun die Elemente sämmtlich beisammen, die dem Seefischfang
in der Gegenwart eine so hohe und täglich wachsende volkswirthschaftliche Be¬
deutung geben: die Kurre (Trawl), das seefeste Schiff (Snack oder Lugger),


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/452>, abgerufen am 04.07.2024.