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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Tag. an welchem die Busen ausführen, war ein Fest- und Freudentag für Jung
und Alt. Wenn die volle Pracht der Juniussonne niederstrahlte, eilten auch
die Landleute von rings umher zur Stadt, um dichtgeschaart vom Strohdeich,
vom Schweinshuk und von der langen Brücke Herab den Festzug der Schiffe zu
sehen, die weiß besegelt, bunt beflaggt, unter dem hoch flatternden Adler langsam
eins dem andern durch das Fahrwasser folgten. Wie die Predigt, welche die
Seeleute vorher angehört, den Segen von oben für das begonnene Werk erfleht
hatte: so begleiteten unter dem lauten Jubel nicht minder eifrige stille Wünsche
und Gebete die Hinwegziehenden, von deren Glück, Thätigkeit und Geschick die
Existenz so mancher Familien abhing. Jede voll ausgerüstete Buse bedürfte
dreizehn Mann, also vierzig Busen 320 Seeleute, die zur Zeit des Fanges, vom
Juni bis September, ein reichliches Brod fanden; und die Zahl derer, welche
mit den vielfachen Arbeiten zu Lande beschäftigt wurden, war vielleicht doppelt
so groß." Indessen meint Klopp, daß die Kompanie sich ohne den Zvllschutz
und die unmittelbaren Zuschüsse des Staats, entnommen eben aus dem Ertrag
des Eingangszolls auf holländische Häringe, schwerlich hätte behaupten können.
Diese Ansicht wird bestätigt durch den späteren Verfall, wenn an diesem auch
das allgemeine Zurückkommen Enders von der Katastrophe des furchtbaren
Jahres 1806 an die Mitschuld tragen mag. Man hat später versucht, diesen
verdorrten Zweig des ostfriesischen Handels neu zu beleben, indessen ohne nach¬
haltigen Erfolg, und die letzte darin arbeitende Gesellschaft, "Harmonie" genannt,
ist vor ungefähr einem halb Dutzend Jahren zu Grunde gegangen, indem
ihre Magazine abbrannten, während über die Erneuerung der abgelaufenen Ver¬
sicherungspolice grade die Verhandlungen schwebten.

Ganz ähnlich ist es dem deutschen Walfischfang ergangen, der von Bremen,
in geringerem Maße auch von Hamburg aus betrieben wurde. Bis in die
dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts hinein behauptete er sich leidlich, wenn
auch nicht grade blühend und stark; von da an aber schrumpfte er auf immer
kärglichere Neste zusammen. Für völlig ausgestorben darf man ihn nicht an¬
sehen, da ein unternehmender Schiffsbauer in Bremerhaven im laufenden Jahre
wieder ein Schiff, und zwar ein Segelschiff mit Hilfsschraube, auf die Jagd, im
Eismeer auszusenden begonnen hat. Allein als eigentlicher Geschäftszweig ist
auch dieser Betrieb bis auf weiteres so gut wie erloschen.

Der Walfischfang wie der Häringsfang kämpfen mit dem Nachtheil bedeu¬
tender Schwankungen des Ertrags bei einem verhältnißmäßig hohen Betriebs¬
capital. Wenn daher einmal mehre Jahre hinter einander keinen Reingewinn
abwerfen, so verliert der Einzelne oder die Gesellschaft, welche sich dem Geschäft
mit nicht ganz unerschöpflichen Fonds gewidmet haben, leicht den Muth, und
man läßt sich durch Einstellung des Betriebs die Gelegenheit entgehen, wieder
zu seinem Schaden zu kommen, welche spätere einträgliche Jahre bieten mögen.


Tag. an welchem die Busen ausführen, war ein Fest- und Freudentag für Jung
und Alt. Wenn die volle Pracht der Juniussonne niederstrahlte, eilten auch
die Landleute von rings umher zur Stadt, um dichtgeschaart vom Strohdeich,
vom Schweinshuk und von der langen Brücke Herab den Festzug der Schiffe zu
sehen, die weiß besegelt, bunt beflaggt, unter dem hoch flatternden Adler langsam
eins dem andern durch das Fahrwasser folgten. Wie die Predigt, welche die
Seeleute vorher angehört, den Segen von oben für das begonnene Werk erfleht
hatte: so begleiteten unter dem lauten Jubel nicht minder eifrige stille Wünsche
und Gebete die Hinwegziehenden, von deren Glück, Thätigkeit und Geschick die
Existenz so mancher Familien abhing. Jede voll ausgerüstete Buse bedürfte
dreizehn Mann, also vierzig Busen 320 Seeleute, die zur Zeit des Fanges, vom
Juni bis September, ein reichliches Brod fanden; und die Zahl derer, welche
mit den vielfachen Arbeiten zu Lande beschäftigt wurden, war vielleicht doppelt
so groß." Indessen meint Klopp, daß die Kompanie sich ohne den Zvllschutz
und die unmittelbaren Zuschüsse des Staats, entnommen eben aus dem Ertrag
des Eingangszolls auf holländische Häringe, schwerlich hätte behaupten können.
Diese Ansicht wird bestätigt durch den späteren Verfall, wenn an diesem auch
das allgemeine Zurückkommen Enders von der Katastrophe des furchtbaren
Jahres 1806 an die Mitschuld tragen mag. Man hat später versucht, diesen
verdorrten Zweig des ostfriesischen Handels neu zu beleben, indessen ohne nach¬
haltigen Erfolg, und die letzte darin arbeitende Gesellschaft, „Harmonie" genannt,
ist vor ungefähr einem halb Dutzend Jahren zu Grunde gegangen, indem
ihre Magazine abbrannten, während über die Erneuerung der abgelaufenen Ver¬
sicherungspolice grade die Verhandlungen schwebten.

Ganz ähnlich ist es dem deutschen Walfischfang ergangen, der von Bremen,
in geringerem Maße auch von Hamburg aus betrieben wurde. Bis in die
dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts hinein behauptete er sich leidlich, wenn
auch nicht grade blühend und stark; von da an aber schrumpfte er auf immer
kärglichere Neste zusammen. Für völlig ausgestorben darf man ihn nicht an¬
sehen, da ein unternehmender Schiffsbauer in Bremerhaven im laufenden Jahre
wieder ein Schiff, und zwar ein Segelschiff mit Hilfsschraube, auf die Jagd, im
Eismeer auszusenden begonnen hat. Allein als eigentlicher Geschäftszweig ist
auch dieser Betrieb bis auf weiteres so gut wie erloschen.

Der Walfischfang wie der Häringsfang kämpfen mit dem Nachtheil bedeu¬
tender Schwankungen des Ertrags bei einem verhältnißmäßig hohen Betriebs¬
capital. Wenn daher einmal mehre Jahre hinter einander keinen Reingewinn
abwerfen, so verliert der Einzelne oder die Gesellschaft, welche sich dem Geschäft
mit nicht ganz unerschöpflichen Fonds gewidmet haben, leicht den Muth, und
man läßt sich durch Einstellung des Betriebs die Gelegenheit entgehen, wieder
zu seinem Schaden zu kommen, welche spätere einträgliche Jahre bieten mögen.


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[0450] Tag. an welchem die Busen ausführen, war ein Fest- und Freudentag für Jung und Alt. Wenn die volle Pracht der Juniussonne niederstrahlte, eilten auch die Landleute von rings umher zur Stadt, um dichtgeschaart vom Strohdeich, vom Schweinshuk und von der langen Brücke Herab den Festzug der Schiffe zu sehen, die weiß besegelt, bunt beflaggt, unter dem hoch flatternden Adler langsam eins dem andern durch das Fahrwasser folgten. Wie die Predigt, welche die Seeleute vorher angehört, den Segen von oben für das begonnene Werk erfleht hatte: so begleiteten unter dem lauten Jubel nicht minder eifrige stille Wünsche und Gebete die Hinwegziehenden, von deren Glück, Thätigkeit und Geschick die Existenz so mancher Familien abhing. Jede voll ausgerüstete Buse bedürfte dreizehn Mann, also vierzig Busen 320 Seeleute, die zur Zeit des Fanges, vom Juni bis September, ein reichliches Brod fanden; und die Zahl derer, welche mit den vielfachen Arbeiten zu Lande beschäftigt wurden, war vielleicht doppelt so groß." Indessen meint Klopp, daß die Kompanie sich ohne den Zvllschutz und die unmittelbaren Zuschüsse des Staats, entnommen eben aus dem Ertrag des Eingangszolls auf holländische Häringe, schwerlich hätte behaupten können. Diese Ansicht wird bestätigt durch den späteren Verfall, wenn an diesem auch das allgemeine Zurückkommen Enders von der Katastrophe des furchtbaren Jahres 1806 an die Mitschuld tragen mag. Man hat später versucht, diesen verdorrten Zweig des ostfriesischen Handels neu zu beleben, indessen ohne nach¬ haltigen Erfolg, und die letzte darin arbeitende Gesellschaft, „Harmonie" genannt, ist vor ungefähr einem halb Dutzend Jahren zu Grunde gegangen, indem ihre Magazine abbrannten, während über die Erneuerung der abgelaufenen Ver¬ sicherungspolice grade die Verhandlungen schwebten. Ganz ähnlich ist es dem deutschen Walfischfang ergangen, der von Bremen, in geringerem Maße auch von Hamburg aus betrieben wurde. Bis in die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts hinein behauptete er sich leidlich, wenn auch nicht grade blühend und stark; von da an aber schrumpfte er auf immer kärglichere Neste zusammen. Für völlig ausgestorben darf man ihn nicht an¬ sehen, da ein unternehmender Schiffsbauer in Bremerhaven im laufenden Jahre wieder ein Schiff, und zwar ein Segelschiff mit Hilfsschraube, auf die Jagd, im Eismeer auszusenden begonnen hat. Allein als eigentlicher Geschäftszweig ist auch dieser Betrieb bis auf weiteres so gut wie erloschen. Der Walfischfang wie der Häringsfang kämpfen mit dem Nachtheil bedeu¬ tender Schwankungen des Ertrags bei einem verhältnißmäßig hohen Betriebs¬ capital. Wenn daher einmal mehre Jahre hinter einander keinen Reingewinn abwerfen, so verliert der Einzelne oder die Gesellschaft, welche sich dem Geschäft mit nicht ganz unerschöpflichen Fonds gewidmet haben, leicht den Muth, und man läßt sich durch Einstellung des Betriebs die Gelegenheit entgehen, wieder zu seinem Schaden zu kommen, welche spätere einträgliche Jahre bieten mögen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/450>, abgerufen am 04.07.2024.