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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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und jeder Preuße nennt seinen Namen mit höchster Anerkennung. Jede Kritik
beugt sich vor seinen Erfolgen. Trotz cilledem wurde er von seiner Feldherrn¬
laufbahn entfernt und auf den für den Gang des Krieges unbedeutenden
Posten eines Gouverneurs von Böhmen berufen. Warum, ist räthselhaft, aber
möglich, daß der alte Falkenstein etwas zu selbständig aufgetreten und daß dem
Könige die Fülle seiner Thaten noch nicht genügend bekannt gewesen ist.

Wie wenig Prinz Karl von Bayern und Prinz Alexander von Hessen ihren
Aufgaben als Heerführer genügt haben, bedarf weiter keiner Auseinandersetzung,
die Ereignisse selbst sprechen da einfach und deutlich genug. Keiner von beiden
hat den Willen und die Kraft gezeigt, durch Handeln seine Zwecke zu erfüllen.
Die lange von ihnen angestrebte Vereinigung fanden sie jetzt, aber nicht vor¬
wärts, sondern rückwärts. Der politisch gebotene Marsch des General v. Falken¬
stein nach Frankfurt gab den Weg frei. -- Militärisch wird die Direction nach
Frankfurt aber grade deshalb für falsch angesehen, und man möchte glauben,
daß auch der politische Zweck sich mit den militärischen Erfordernissen hätte in
Einklang bringen lassen. Man brauchte nur die rheinischen Landwehren unter
dem Fürsten von Hohenzollern gegen Frankfurt zu dirigiren; ihnen hätte die Stadt
ohne Frage ihre Thore mit gleicher Behendigkeit geöffent, wie der Division
Goben. Keincnfalls erschien nothwendig, den General v. Manteuffel aus seiner
Stellung bei Schweinfurt den Bayern gegenüber abzuberufen. Noch stehen wir
aber den Ereignissen zu nahe, um schon mit Sicherheit bestimmen zu können,
wen die Schuld der mit der Uebernahme des Commandos der Mainarmee durch
General v. Manteuffel sich verbindenden militärischen Anordnungen trifft. Fast
hat es den Anschein, als ob es nach dem am 22. Juli mit Oestreich ab¬
geschlossenen Waffenstillstand weniger auf große militärische Erfolge als darauf
ankam, daß einerseits Hessen-Darmstadt besetzt und auch Würtemberg und Baden
vom Kriege berührt und deren Truppen, welche bis jetzt die preußische Ueber¬
macht noch nicht thatsächlich gefühlt hatten, getroffen wurden, und andrerseits,
daß die norddeutschen Staaten, welche bis dahin sich der Mitthätigkeit am Kriege
entzogen hatten, dem König Wilhelm thatsächlich Heeresfolge leisteten. --

So sehen wir denn die Mainarmee zu ungewohnter Stärke anwachsen.
Zu General Manteuffel stießen bei Frankfurt 3 Bataillone, 3 Escadrons, 2 Bat¬
terien Oldenburger, 2 Bataillone Hamburger und je 1 Bataillon Lübecker, Wald¬
ecker, Bremer und Schwarzburg-Sondershausener, während der Großherzog von
Mecklenburg-Schwerin die 5 Bataillone, 4 Escadrons, 2 Batterien seiner Trup¬
pen und 2 anhaltische Bataillone nach Leipzig führte. Außerdem wurden noch
6 neuformirte preußische Bataillone, 3 Landwehrcavalerieregimenter nach Frank¬
furt und 11 eben dergleichen Bataillone, 2 Landwehrcavalerieregimenter nebst
8 Batterien nach Leipzig dirigirt. -- General Manteuffel hatte in seiner dama¬
ligen Stellung nach Abzug der Besatzung Frankfurts 60,000 Mann, der Groß-


und jeder Preuße nennt seinen Namen mit höchster Anerkennung. Jede Kritik
beugt sich vor seinen Erfolgen. Trotz cilledem wurde er von seiner Feldherrn¬
laufbahn entfernt und auf den für den Gang des Krieges unbedeutenden
Posten eines Gouverneurs von Böhmen berufen. Warum, ist räthselhaft, aber
möglich, daß der alte Falkenstein etwas zu selbständig aufgetreten und daß dem
Könige die Fülle seiner Thaten noch nicht genügend bekannt gewesen ist.

Wie wenig Prinz Karl von Bayern und Prinz Alexander von Hessen ihren
Aufgaben als Heerführer genügt haben, bedarf weiter keiner Auseinandersetzung,
die Ereignisse selbst sprechen da einfach und deutlich genug. Keiner von beiden
hat den Willen und die Kraft gezeigt, durch Handeln seine Zwecke zu erfüllen.
Die lange von ihnen angestrebte Vereinigung fanden sie jetzt, aber nicht vor¬
wärts, sondern rückwärts. Der politisch gebotene Marsch des General v. Falken¬
stein nach Frankfurt gab den Weg frei. — Militärisch wird die Direction nach
Frankfurt aber grade deshalb für falsch angesehen, und man möchte glauben,
daß auch der politische Zweck sich mit den militärischen Erfordernissen hätte in
Einklang bringen lassen. Man brauchte nur die rheinischen Landwehren unter
dem Fürsten von Hohenzollern gegen Frankfurt zu dirigiren; ihnen hätte die Stadt
ohne Frage ihre Thore mit gleicher Behendigkeit geöffent, wie der Division
Goben. Keincnfalls erschien nothwendig, den General v. Manteuffel aus seiner
Stellung bei Schweinfurt den Bayern gegenüber abzuberufen. Noch stehen wir
aber den Ereignissen zu nahe, um schon mit Sicherheit bestimmen zu können,
wen die Schuld der mit der Uebernahme des Commandos der Mainarmee durch
General v. Manteuffel sich verbindenden militärischen Anordnungen trifft. Fast
hat es den Anschein, als ob es nach dem am 22. Juli mit Oestreich ab¬
geschlossenen Waffenstillstand weniger auf große militärische Erfolge als darauf
ankam, daß einerseits Hessen-Darmstadt besetzt und auch Würtemberg und Baden
vom Kriege berührt und deren Truppen, welche bis jetzt die preußische Ueber¬
macht noch nicht thatsächlich gefühlt hatten, getroffen wurden, und andrerseits,
daß die norddeutschen Staaten, welche bis dahin sich der Mitthätigkeit am Kriege
entzogen hatten, dem König Wilhelm thatsächlich Heeresfolge leisteten. —

So sehen wir denn die Mainarmee zu ungewohnter Stärke anwachsen.
Zu General Manteuffel stießen bei Frankfurt 3 Bataillone, 3 Escadrons, 2 Bat¬
terien Oldenburger, 2 Bataillone Hamburger und je 1 Bataillon Lübecker, Wald¬
ecker, Bremer und Schwarzburg-Sondershausener, während der Großherzog von
Mecklenburg-Schwerin die 5 Bataillone, 4 Escadrons, 2 Batterien seiner Trup¬
pen und 2 anhaltische Bataillone nach Leipzig führte. Außerdem wurden noch
6 neuformirte preußische Bataillone, 3 Landwehrcavalerieregimenter nach Frank¬
furt und 11 eben dergleichen Bataillone, 2 Landwehrcavalerieregimenter nebst
8 Batterien nach Leipzig dirigirt. — General Manteuffel hatte in seiner dama¬
ligen Stellung nach Abzug der Besatzung Frankfurts 60,000 Mann, der Groß-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/418>, abgerufen am 04.07.2024.