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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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sie seit ihrer Bekehrung zum Austriacismus das wiener Cabinet und den Bundes¬
tag mit Rosenwasser beträufele, ihr nach dieser Seite gerichteter Tadel wie ein
gedämpftes Lob klinge, ihre Forderungen mit jungfräulicher Bescheidenheit auf¬
treten, und daß sie es glücklich dahin gebracht habe, von den Diplomaten und
Staatsmännern der rcaciionären Schule neben der augsburger "Allgemeinen
Zeitung" mit gleicher Vorliebe gelesen zu werden", -- die Neue Frankfurter
Zeitung, welche den Kurfürsten von Hessen mit einem "Engel des Lichts" und
den König von Hannover mit einem "Märtyrer" verglichen, die mit wahrhaft
byzantinischen Phrasen den jungen Kronprinzen von Hannover glorisicirt und
von ihm behauptet hat, "er sei in einer Nacht vom Knaben zum Manne ge¬
reift", erzählt uns während der letzten vierzehn Tage wiederholt vielerlei von
Freiwilligen aus Kurhessen, welche aus Anhänglichkeit an den Kurfürsten und
aus Haß gegen die Preußen ihre Heimath verlassen und sich zu ihrem Con¬
tingent nach Frankfurt begeben hätten. Richtig ist nun, daß Leute aus Kur¬
hessen eingetroffen sind. Unrichtig aber, daß sie alle von den angegebenen
Motiven geleitet wurden. Sie waren vielmehr zum größten Theile ebenfalls
beseelt und getrieben von jenem panischen Schrecken, der die tapferen Zwei¬
hundert nach Giadenbach getrieben hatte.

Die Eigenthümer und die hervorragendsten Mitarbeiter der "Neuen frank¬
furter Zeitung", die Besitzer der östreichischen Papiere, die Beherrscher der Börse
in Frankfurt, die heftigsten Austriacissimi, die am lautesten in die Kriegstrompete
gestoßen und am lebhaftesten für die czechischen, kroatischen, rumänischen und
polnischen Brüder im Osten geschwärmt haben, sind Jsraeliten. Diese That¬
sache kann nicht verschwiegen bleiben, aber sie darf nicht mißdeutet werden. Sie
hat mit dem jüdischen Glauben und mit der jüdischen Abstammung natürlich absolut
nichts zu schaffen. Sie darf daher auch nicht mißbraucht werden, um Abneigung
gegen die Juden hervorzurufen, gegen diese unsere Mitbürger, Mr deren Eman¬
cipation wir, die Liberalen, die wir jetzt von ihnen befehdet werden, Jahrzehnte
lang mit zäher Ausdauer und gutem Erfolg gekämpft haben gegen die für
Oestreich schwärmenden Conservativen, welchen jetzt die durch unsere Anstren¬
gungen Emancipirten anhängen. Wir hoffen, sie finden sich aus der Verirrung
des Augenblickes wieder zu der richtigen Stellung heraus.'

Zu ihrer Entschuldigung muß angeführt werden, daß hier zu Landeder
Handel mit Geld, Wertpapieren und Credit fast ausschließlich in ihren
Händen liegt, und daß ein so creditbedürftiger Staat wie Oestreich demselben
stets die lebhafteste Nahrung giebt. Bei der Balutastörung. der Besteuerung
der Coupons, den unsicheren Staatsfiiianzen. den Vorboten des Bankerotts,
pflegt jedermann eher etwas zu verlieren als der Bankier. In solchen schwie¬
rigen und verwickelten Verhältnissen gewinnt stets der Sachkundige und Ge-,
schäftsgewandtc. der Fachmann siegt über den Nichtfachmann. Das ist klar.


sie seit ihrer Bekehrung zum Austriacismus das wiener Cabinet und den Bundes¬
tag mit Rosenwasser beträufele, ihr nach dieser Seite gerichteter Tadel wie ein
gedämpftes Lob klinge, ihre Forderungen mit jungfräulicher Bescheidenheit auf¬
treten, und daß sie es glücklich dahin gebracht habe, von den Diplomaten und
Staatsmännern der rcaciionären Schule neben der augsburger „Allgemeinen
Zeitung" mit gleicher Vorliebe gelesen zu werden", — die Neue Frankfurter
Zeitung, welche den Kurfürsten von Hessen mit einem „Engel des Lichts" und
den König von Hannover mit einem „Märtyrer" verglichen, die mit wahrhaft
byzantinischen Phrasen den jungen Kronprinzen von Hannover glorisicirt und
von ihm behauptet hat, „er sei in einer Nacht vom Knaben zum Manne ge¬
reift", erzählt uns während der letzten vierzehn Tage wiederholt vielerlei von
Freiwilligen aus Kurhessen, welche aus Anhänglichkeit an den Kurfürsten und
aus Haß gegen die Preußen ihre Heimath verlassen und sich zu ihrem Con¬
tingent nach Frankfurt begeben hätten. Richtig ist nun, daß Leute aus Kur¬
hessen eingetroffen sind. Unrichtig aber, daß sie alle von den angegebenen
Motiven geleitet wurden. Sie waren vielmehr zum größten Theile ebenfalls
beseelt und getrieben von jenem panischen Schrecken, der die tapferen Zwei¬
hundert nach Giadenbach getrieben hatte.

Die Eigenthümer und die hervorragendsten Mitarbeiter der „Neuen frank¬
furter Zeitung", die Besitzer der östreichischen Papiere, die Beherrscher der Börse
in Frankfurt, die heftigsten Austriacissimi, die am lautesten in die Kriegstrompete
gestoßen und am lebhaftesten für die czechischen, kroatischen, rumänischen und
polnischen Brüder im Osten geschwärmt haben, sind Jsraeliten. Diese That¬
sache kann nicht verschwiegen bleiben, aber sie darf nicht mißdeutet werden. Sie
hat mit dem jüdischen Glauben und mit der jüdischen Abstammung natürlich absolut
nichts zu schaffen. Sie darf daher auch nicht mißbraucht werden, um Abneigung
gegen die Juden hervorzurufen, gegen diese unsere Mitbürger, Mr deren Eman¬
cipation wir, die Liberalen, die wir jetzt von ihnen befehdet werden, Jahrzehnte
lang mit zäher Ausdauer und gutem Erfolg gekämpft haben gegen die für
Oestreich schwärmenden Conservativen, welchen jetzt die durch unsere Anstren¬
gungen Emancipirten anhängen. Wir hoffen, sie finden sich aus der Verirrung
des Augenblickes wieder zu der richtigen Stellung heraus.'

Zu ihrer Entschuldigung muß angeführt werden, daß hier zu Landeder
Handel mit Geld, Wertpapieren und Credit fast ausschließlich in ihren
Händen liegt, und daß ein so creditbedürftiger Staat wie Oestreich demselben
stets die lebhafteste Nahrung giebt. Bei der Balutastörung. der Besteuerung
der Coupons, den unsicheren Staatsfiiianzen. den Vorboten des Bankerotts,
pflegt jedermann eher etwas zu verlieren als der Bankier. In solchen schwie¬
rigen und verwickelten Verhältnissen gewinnt stets der Sachkundige und Ge-,
schäftsgewandtc. der Fachmann siegt über den Nichtfachmann. Das ist klar.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/40>, abgerufen am 30.06.2024.