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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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die Möglichkeit, die Truppen reich allen Seiten zu verwenden und die Anspan¬
nung aller Kräfte gegen die zuerst angreifende Armee des Prinzen Friedrich
Karl, um einen Theil nach dem andern vom Gegner zu erdrücken, war durch¬
aus richtig. Daß es Venedek nicht gelang, mit fünf Corps die drei feindlichen
in vier Stunden, die ihm gewährt waren, zu überwinden, war nicht seine und
seiner Generale Schuld, das lag an der Verschiedenheit der Güte der Truppen.
Mit welcher Energie die östreichischen Führer den Angriff betrieben, erhellt allein
daraus, daß vier commandin-nde Generale verwundet wurden. Vorzüglich ge.
schlagen hat sich nach dem Urtheil Aller die östreichische Artillerie, daß sie dabei
fast die Hälfte ihrer Geschütze verlor, fällt den anderen Waffen zur Last,
welche sie schließlich im Stich ließen.

Bei der Einleitung der Schlacht von preußischer Seite muß auffallen, daß
Prinz Friedrich Karl so früh zum Angriff schritt. Der an die zweite Armee
erlassene Befehl des, Königs zur Schlacht, welchen der Berichterstatter der Armee
des Kronprinzen mittheilt, giebt einige Aufklärung. Es heißt darin: "Eure
königliche Hoheit wollen sogleich die nöthigen Anordnungen treffen, um mit
allen Kräften zur Unterstützung der ersten Armee gegen die rechte Flanke des
voraussichtlichen Anmarsches des Feindes vorrücken zu können." -- Man er¬
wartete also einen Angriff des Gegners und stellte sich schon mit Tagesanbruch
zum Empfange bereit. Als dieser nun nicht erfolgte, schritt man selber dazu,
wohl erwartend, daß man nicht die ganze feindliche Armee gegen sich habe.
Der oben angeführte Befehl lautet wenigstens in der Einleitung: " Den ein¬
gegangenen Nachrichten zufolge ist der Feind in der Stärke von etwa drei
Corps, welche jedoch noch verstärkt werden können, über die Bistritz vorgegangen."
Hiernach konnte Prinz Friedrich Karl mit seinen drei Corps erwarten, allein
mit dem Gegner fertig zu werden, zumal er des Eingreifens des neben ihm
vorrückenden General Herwarth mit noch ein und einem halben Corps gewiß
sein konnte. -- Wie nun der Angriff keinen Erfolg hatte, wurde das Gefecht
ein hinhaltendes und siedendes, bis der Kronprinz eingreifen konnte. Daß die¬
ser seine Corps ohne Rücksicht auf das Bedrängniß der Hauptarmee nicht dieser
zu Hilfe, sondern fast in den Rücken dirigirte, machte den harten Kampf des
Prinzen Friedrich Karl doppelt wichtig und die Schlacht zu dem welthistori¬
schen Ereigniß der vollen Vernichtung des Gegners. -- In diesem kühnen Vor¬
gehen liegt die Ähnlichkeit mit Blüchns Eingreifen in der Schlacht bei Belle-
Alliance.

Am Tage nach der Schlacht, also am 4. Juli ruhte nun die preußische
Armee vo" der schweren Arbeit aus und nur die Cavaleriedivision Hartmann
des Kronprinzen ging nach Pardubitz auf der großen Straße nacb Wien vor,
noch viele Nachzügler zu Gefangenen machend. -- Am 5. folgte die ganz"
preußische Armee, der Kronprinz ließ eine Brigade, 7.000 Mann, gegen die


Grenzboten IV. 18VS. 44

die Möglichkeit, die Truppen reich allen Seiten zu verwenden und die Anspan¬
nung aller Kräfte gegen die zuerst angreifende Armee des Prinzen Friedrich
Karl, um einen Theil nach dem andern vom Gegner zu erdrücken, war durch¬
aus richtig. Daß es Venedek nicht gelang, mit fünf Corps die drei feindlichen
in vier Stunden, die ihm gewährt waren, zu überwinden, war nicht seine und
seiner Generale Schuld, das lag an der Verschiedenheit der Güte der Truppen.
Mit welcher Energie die östreichischen Führer den Angriff betrieben, erhellt allein
daraus, daß vier commandin-nde Generale verwundet wurden. Vorzüglich ge.
schlagen hat sich nach dem Urtheil Aller die östreichische Artillerie, daß sie dabei
fast die Hälfte ihrer Geschütze verlor, fällt den anderen Waffen zur Last,
welche sie schließlich im Stich ließen.

Bei der Einleitung der Schlacht von preußischer Seite muß auffallen, daß
Prinz Friedrich Karl so früh zum Angriff schritt. Der an die zweite Armee
erlassene Befehl des, Königs zur Schlacht, welchen der Berichterstatter der Armee
des Kronprinzen mittheilt, giebt einige Aufklärung. Es heißt darin: „Eure
königliche Hoheit wollen sogleich die nöthigen Anordnungen treffen, um mit
allen Kräften zur Unterstützung der ersten Armee gegen die rechte Flanke des
voraussichtlichen Anmarsches des Feindes vorrücken zu können." — Man er¬
wartete also einen Angriff des Gegners und stellte sich schon mit Tagesanbruch
zum Empfange bereit. Als dieser nun nicht erfolgte, schritt man selber dazu,
wohl erwartend, daß man nicht die ganze feindliche Armee gegen sich habe.
Der oben angeführte Befehl lautet wenigstens in der Einleitung: „ Den ein¬
gegangenen Nachrichten zufolge ist der Feind in der Stärke von etwa drei
Corps, welche jedoch noch verstärkt werden können, über die Bistritz vorgegangen."
Hiernach konnte Prinz Friedrich Karl mit seinen drei Corps erwarten, allein
mit dem Gegner fertig zu werden, zumal er des Eingreifens des neben ihm
vorrückenden General Herwarth mit noch ein und einem halben Corps gewiß
sein konnte. — Wie nun der Angriff keinen Erfolg hatte, wurde das Gefecht
ein hinhaltendes und siedendes, bis der Kronprinz eingreifen konnte. Daß die¬
ser seine Corps ohne Rücksicht auf das Bedrängniß der Hauptarmee nicht dieser
zu Hilfe, sondern fast in den Rücken dirigirte, machte den harten Kampf des
Prinzen Friedrich Karl doppelt wichtig und die Schlacht zu dem welthistori¬
schen Ereigniß der vollen Vernichtung des Gegners. — In diesem kühnen Vor¬
gehen liegt die Ähnlichkeit mit Blüchns Eingreifen in der Schlacht bei Belle-
Alliance.

Am Tage nach der Schlacht, also am 4. Juli ruhte nun die preußische
Armee vo» der schweren Arbeit aus und nur die Cavaleriedivision Hartmann
des Kronprinzen ging nach Pardubitz auf der großen Straße nacb Wien vor,
noch viele Nachzügler zu Gefangenen machend. — Am 5. folgte die ganz«
preußische Armee, der Kronprinz ließ eine Brigade, 7.000 Mann, gegen die


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[0371] die Möglichkeit, die Truppen reich allen Seiten zu verwenden und die Anspan¬ nung aller Kräfte gegen die zuerst angreifende Armee des Prinzen Friedrich Karl, um einen Theil nach dem andern vom Gegner zu erdrücken, war durch¬ aus richtig. Daß es Venedek nicht gelang, mit fünf Corps die drei feindlichen in vier Stunden, die ihm gewährt waren, zu überwinden, war nicht seine und seiner Generale Schuld, das lag an der Verschiedenheit der Güte der Truppen. Mit welcher Energie die östreichischen Führer den Angriff betrieben, erhellt allein daraus, daß vier commandin-nde Generale verwundet wurden. Vorzüglich ge. schlagen hat sich nach dem Urtheil Aller die östreichische Artillerie, daß sie dabei fast die Hälfte ihrer Geschütze verlor, fällt den anderen Waffen zur Last, welche sie schließlich im Stich ließen. Bei der Einleitung der Schlacht von preußischer Seite muß auffallen, daß Prinz Friedrich Karl so früh zum Angriff schritt. Der an die zweite Armee erlassene Befehl des, Königs zur Schlacht, welchen der Berichterstatter der Armee des Kronprinzen mittheilt, giebt einige Aufklärung. Es heißt darin: „Eure königliche Hoheit wollen sogleich die nöthigen Anordnungen treffen, um mit allen Kräften zur Unterstützung der ersten Armee gegen die rechte Flanke des voraussichtlichen Anmarsches des Feindes vorrücken zu können." — Man er¬ wartete also einen Angriff des Gegners und stellte sich schon mit Tagesanbruch zum Empfange bereit. Als dieser nun nicht erfolgte, schritt man selber dazu, wohl erwartend, daß man nicht die ganze feindliche Armee gegen sich habe. Der oben angeführte Befehl lautet wenigstens in der Einleitung: „ Den ein¬ gegangenen Nachrichten zufolge ist der Feind in der Stärke von etwa drei Corps, welche jedoch noch verstärkt werden können, über die Bistritz vorgegangen." Hiernach konnte Prinz Friedrich Karl mit seinen drei Corps erwarten, allein mit dem Gegner fertig zu werden, zumal er des Eingreifens des neben ihm vorrückenden General Herwarth mit noch ein und einem halben Corps gewiß sein konnte. — Wie nun der Angriff keinen Erfolg hatte, wurde das Gefecht ein hinhaltendes und siedendes, bis der Kronprinz eingreifen konnte. Daß die¬ ser seine Corps ohne Rücksicht auf das Bedrängniß der Hauptarmee nicht dieser zu Hilfe, sondern fast in den Rücken dirigirte, machte den harten Kampf des Prinzen Friedrich Karl doppelt wichtig und die Schlacht zu dem welthistori¬ schen Ereigniß der vollen Vernichtung des Gegners. — In diesem kühnen Vor¬ gehen liegt die Ähnlichkeit mit Blüchns Eingreifen in der Schlacht bei Belle- Alliance. Am Tage nach der Schlacht, also am 4. Juli ruhte nun die preußische Armee vo» der schweren Arbeit aus und nur die Cavaleriedivision Hartmann des Kronprinzen ging nach Pardubitz auf der großen Straße nacb Wien vor, noch viele Nachzügler zu Gefangenen machend. — Am 5. folgte die ganz« preußische Armee, der Kronprinz ließ eine Brigade, 7.000 Mann, gegen die Grenzboten IV. 18VS. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/371>, abgerufen am 04.07.2024.