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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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danken auf eigne Faust zur Uebergabe aufforderte und Gehör fand, beweist,
daß wenn am 3. nach der Schlacht das sechste Corps seinen Stoß bis zu dem
nur noch eine halbe Stunde entfernten Königsgrätz dreist fortsetzte, die Festung
übergeben worden wäre. Am 4. hinderte nur der durchpassirende General
Gablentz den Commandanten daran, es noch zu thun. -- General Gablentz kam,
um einen Waffenstillstand anzubieten, wurde aber vom Könige abgewiesen. Die
Schlacht kostete der preußischen Armee an 9.000 Todte und Verwundete und
brachte ein: 174 Geschütze, 11 Fahnen und 20,000 Gefangene. Die Verluste
der Oestreicher betrugen an Todten und Verwundeten mindestens 20,000 Mann.
Oestreichische Berichte geben den Gesammtverlust nach der Schlacht auf 80--90,000
Mann an. Diese kolossalen Zahlen lassen sich nur der großen Masse zuschreiben,
welche auf dem Rückzug ihre Fahnen verließ und nach Hause lief.

Die östreichische Armee eilte mit sechs Corps. den Sachsen und einer Di¬
vision Cavalerie der Festung Olmütz zu, um dort sich zu retabliren, das zehnte
Corps Gablentz und die andern vier Divisionen Cavalerie nahmen ihre Rich¬
tung über Brunn nach Wien, um hinter den dortigen Verschanzungen von
Fiorisdorf Schutz zu suchen und die Hauptstadt zu decken.

Man hoffte wohl die preußische Armee nach Olmütz nachzuziehen, sie hier
zum Halt zu bringen und unterdessen bei Wien durch die verschiedenen von
rückwärts heranzuholenden Festmigsbesatzungen und durch die zur Zeit in
Italien stehenden Corps eine neue Armee zu bilden, welche alsdann die Offen¬
sive nehmen sollte. Die italienische Armee wollte man freimachen, indem man
Venetien an Napoleon schenkte. Die Combination ergab sich aber bald als
fehlerhaft, einerseits nahm Napoleon zwar Venetien an, gebot aber der Armee
des Königs Victor Emanuel nicht Halt; andererseits ließ König Wilhelm nur
die Armee des Kronprinzen gegen Olmütz folgen, dirigirte aber die Hauptarmee
direct auf Wien. - ,

Ehe wir nun aber diese Operationen näher behandeln, werfen wir noch
einen kritischen Rückblick auf den Verlauf der Schlacht.

Wodurch Feldzeugmeister Beneock bewogen worden sein kann, mit seiner
zum Theil schon demoralisirten Armee vorzugehen und die Schlacht anzubieten,
haben wir oben schon behandelt. Die Stellung nahm er an sich sehr günstig,
wie der Verlauf der Schlacht ergiebt, nur war die Lage vor der Elbe eine ge¬
fährliche wegen des Rückzugs. Diese Gefahr sollte aufgehoben werden durch
die Festung Königsgrätz, unter deren Schutz zehn Brücken geschlagen waren,
Vorkehrungen und Verhältnisse, welche als vollständig hinreichend erachtet werden
müssen. Nur die Paniqne, welche die Oestreicher auf dem Rückzug ergriff, machte
alle Vorsicht zu Schanden und auf solch ein unheilvolles Ereigniß kann kein
Feldherr seine Berechnungen richten. -- Die östreichische Führung in der Schlacht
muß ebenfalls anerkannt werden. Eine durchaus concentrirte Aufstellung gewährte


danken auf eigne Faust zur Uebergabe aufforderte und Gehör fand, beweist,
daß wenn am 3. nach der Schlacht das sechste Corps seinen Stoß bis zu dem
nur noch eine halbe Stunde entfernten Königsgrätz dreist fortsetzte, die Festung
übergeben worden wäre. Am 4. hinderte nur der durchpassirende General
Gablentz den Commandanten daran, es noch zu thun. — General Gablentz kam,
um einen Waffenstillstand anzubieten, wurde aber vom Könige abgewiesen. Die
Schlacht kostete der preußischen Armee an 9.000 Todte und Verwundete und
brachte ein: 174 Geschütze, 11 Fahnen und 20,000 Gefangene. Die Verluste
der Oestreicher betrugen an Todten und Verwundeten mindestens 20,000 Mann.
Oestreichische Berichte geben den Gesammtverlust nach der Schlacht auf 80—90,000
Mann an. Diese kolossalen Zahlen lassen sich nur der großen Masse zuschreiben,
welche auf dem Rückzug ihre Fahnen verließ und nach Hause lief.

Die östreichische Armee eilte mit sechs Corps. den Sachsen und einer Di¬
vision Cavalerie der Festung Olmütz zu, um dort sich zu retabliren, das zehnte
Corps Gablentz und die andern vier Divisionen Cavalerie nahmen ihre Rich¬
tung über Brunn nach Wien, um hinter den dortigen Verschanzungen von
Fiorisdorf Schutz zu suchen und die Hauptstadt zu decken.

Man hoffte wohl die preußische Armee nach Olmütz nachzuziehen, sie hier
zum Halt zu bringen und unterdessen bei Wien durch die verschiedenen von
rückwärts heranzuholenden Festmigsbesatzungen und durch die zur Zeit in
Italien stehenden Corps eine neue Armee zu bilden, welche alsdann die Offen¬
sive nehmen sollte. Die italienische Armee wollte man freimachen, indem man
Venetien an Napoleon schenkte. Die Combination ergab sich aber bald als
fehlerhaft, einerseits nahm Napoleon zwar Venetien an, gebot aber der Armee
des Königs Victor Emanuel nicht Halt; andererseits ließ König Wilhelm nur
die Armee des Kronprinzen gegen Olmütz folgen, dirigirte aber die Hauptarmee
direct auf Wien. - ,

Ehe wir nun aber diese Operationen näher behandeln, werfen wir noch
einen kritischen Rückblick auf den Verlauf der Schlacht.

Wodurch Feldzeugmeister Beneock bewogen worden sein kann, mit seiner
zum Theil schon demoralisirten Armee vorzugehen und die Schlacht anzubieten,
haben wir oben schon behandelt. Die Stellung nahm er an sich sehr günstig,
wie der Verlauf der Schlacht ergiebt, nur war die Lage vor der Elbe eine ge¬
fährliche wegen des Rückzugs. Diese Gefahr sollte aufgehoben werden durch
die Festung Königsgrätz, unter deren Schutz zehn Brücken geschlagen waren,
Vorkehrungen und Verhältnisse, welche als vollständig hinreichend erachtet werden
müssen. Nur die Paniqne, welche die Oestreicher auf dem Rückzug ergriff, machte
alle Vorsicht zu Schanden und auf solch ein unheilvolles Ereigniß kann kein
Feldherr seine Berechnungen richten. — Die östreichische Führung in der Schlacht
muß ebenfalls anerkannt werden. Eine durchaus concentrirte Aufstellung gewährte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/370>, abgerufen am 04.07.2024.