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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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1830 sein Institut auf zu Gunsten der damals neubegründeten Realschule, die
nahe daran war, das sehr verkommene Gymnasium zu verschlingen, wenn nicht
der jetzige Staatsminister v. d. Heydt für die Schule, welcher er seine Bildung
verdankte, eine finanzielle Garantie übernommen hätte. Sie bewies ihm ihre
Erkenntlichkeit für diese Errettung vom Tode, indem sie seine Büste in ihrem
Festsaal aufstellte; noch erwünschter aber ist es vielleicht ihrem Gönner gewesen,
daß sie fortfuhr, die Kirche in ihrer Erziehung der Jugend zu innerlich abhängi¬
gen Conservativen unbedingt zu unterstützen.

Auch in der Realschule Elberselds freilich lebte Wilbergs selbständiger und
rücksichtslos forschender Geist nur zum Theil fort, ebenso wie in der später
gegründeten und mit einem prächtigen Hause ausgestatteten barmer Realschule.
Aber doch waren es in Elberfeld nur Lehrer der Realschule, welche sich dem
im letzten Winter gegründeten Allgemeinen Bildungsverein anzuschließen wagten.
Nicht einmal die Lehrer der höheren Webeschule und Provinzialgewerbeschule
in Elberfeld bewiesen, außer einem ersten schüchternen Anlauf, gleichen Muth.
Und Lehrer der elberfelder Realschule oder der höheren Schulen Barmens
waren es auch, die es gegen Ende des vorigen Winters, als die Geistlichkeit
sich einmal wieder eine ihrer hergebrachten orthodox-hierarchischen Einmischungen in
den Religions- und sogar in den Geschichtsunterricht erlaubte, auf einen offenen
Zusammenstoß ankommen ließen. Einer dieser Fälle betraf einen Professor in
Barmer, der in der Geschichtsstunde u. a. unehrerbietig von König David ge¬
sprochen haben sollte; ein anderer traf einen Lehrer in Elberfeld, dem Zweifel
an der Authenticität der fünf Bücher Mosis entschlüpft waren; in einem dritten
Falle gar wurde der Lehrer von den Spitzen der lutherischen Gemeinde in
Ellmfeld zur Rechenschaft gezogen, weil er im Allgemeinen Bildungsverein sich
auf Lessings Wort bezogen hatte, daß andächtig schwärmen leichter sei als gut
und edel handeln. Der Art sind die Wahrhcitstörner, welche nicht durch das
Sieb der wupperthaler Glaubensbewahrer gehen. In dem ersterwähnten Falle
folgte ein Zeitungskampf, der um ein Haar die öffentliche Vervehmung der
Elberfelder Zeitung durch die conservative Partei nach sich gezogen hätte. Allein
nicht nur die Conservativen. auch die Liberalen wurden wach, als sie sahen,
auf welchen Standpunkt des Wissens und Denkens die Unterichtsstätten ihrer
Söhne zurückgeschraubt werden sollten. Sie waren ohnehin schon übel genug
daran. Die Leitung aller höheren Schulanstalten des Thales befand sich in
der Hand von Männern, welche entweder aus eigenem innerem Hange oder
aus Anerkennung vor der überlegenen Macht den Geistlichen und der conser¬
vativen Partei im Wesentlichen jederzeit zu Willen waren. In den Curatorien
überwog das kirchliche ober das conservative Element. Gelang es, die letzten
charaktervoller Lehrer, welche am Geschichts- und Religionsunterricht betheiligt
und nicht von der echten wupperthaler Anschauung erfüllt waren, durch Maß-


1830 sein Institut auf zu Gunsten der damals neubegründeten Realschule, die
nahe daran war, das sehr verkommene Gymnasium zu verschlingen, wenn nicht
der jetzige Staatsminister v. d. Heydt für die Schule, welcher er seine Bildung
verdankte, eine finanzielle Garantie übernommen hätte. Sie bewies ihm ihre
Erkenntlichkeit für diese Errettung vom Tode, indem sie seine Büste in ihrem
Festsaal aufstellte; noch erwünschter aber ist es vielleicht ihrem Gönner gewesen,
daß sie fortfuhr, die Kirche in ihrer Erziehung der Jugend zu innerlich abhängi¬
gen Conservativen unbedingt zu unterstützen.

Auch in der Realschule Elberselds freilich lebte Wilbergs selbständiger und
rücksichtslos forschender Geist nur zum Theil fort, ebenso wie in der später
gegründeten und mit einem prächtigen Hause ausgestatteten barmer Realschule.
Aber doch waren es in Elberfeld nur Lehrer der Realschule, welche sich dem
im letzten Winter gegründeten Allgemeinen Bildungsverein anzuschließen wagten.
Nicht einmal die Lehrer der höheren Webeschule und Provinzialgewerbeschule
in Elberfeld bewiesen, außer einem ersten schüchternen Anlauf, gleichen Muth.
Und Lehrer der elberfelder Realschule oder der höheren Schulen Barmens
waren es auch, die es gegen Ende des vorigen Winters, als die Geistlichkeit
sich einmal wieder eine ihrer hergebrachten orthodox-hierarchischen Einmischungen in
den Religions- und sogar in den Geschichtsunterricht erlaubte, auf einen offenen
Zusammenstoß ankommen ließen. Einer dieser Fälle betraf einen Professor in
Barmer, der in der Geschichtsstunde u. a. unehrerbietig von König David ge¬
sprochen haben sollte; ein anderer traf einen Lehrer in Elberfeld, dem Zweifel
an der Authenticität der fünf Bücher Mosis entschlüpft waren; in einem dritten
Falle gar wurde der Lehrer von den Spitzen der lutherischen Gemeinde in
Ellmfeld zur Rechenschaft gezogen, weil er im Allgemeinen Bildungsverein sich
auf Lessings Wort bezogen hatte, daß andächtig schwärmen leichter sei als gut
und edel handeln. Der Art sind die Wahrhcitstörner, welche nicht durch das
Sieb der wupperthaler Glaubensbewahrer gehen. In dem ersterwähnten Falle
folgte ein Zeitungskampf, der um ein Haar die öffentliche Vervehmung der
Elberfelder Zeitung durch die conservative Partei nach sich gezogen hätte. Allein
nicht nur die Conservativen. auch die Liberalen wurden wach, als sie sahen,
auf welchen Standpunkt des Wissens und Denkens die Unterichtsstätten ihrer
Söhne zurückgeschraubt werden sollten. Sie waren ohnehin schon übel genug
daran. Die Leitung aller höheren Schulanstalten des Thales befand sich in
der Hand von Männern, welche entweder aus eigenem innerem Hange oder
aus Anerkennung vor der überlegenen Macht den Geistlichen und der conser¬
vativen Partei im Wesentlichen jederzeit zu Willen waren. In den Curatorien
überwog das kirchliche ober das conservative Element. Gelang es, die letzten
charaktervoller Lehrer, welche am Geschichts- und Religionsunterricht betheiligt
und nicht von der echten wupperthaler Anschauung erfüllt waren, durch Maß-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/33>, abgerufen am 30.06.2024.