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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Reich ist Flammea ferner besonders .an Angaben, welche unsere Kennt-
niß des mittelalterlichen Privat- und des öffentlichen Lebens vervollständigen.
Was man zu thun Pflegte, sobald es werthe Gäste zu ehren galt, wie zu den
Festen, die man dann veranstaltete, die Vornehmen bis auf acht Tagereisen
weit herbeiströmten, so daß die Stadt die Menge nicht mehr faßte und rings
auf den Wiesen Zelte und Hütten zu einem bunten Lager sich erhoben, wie
alsdann Einer den Andern an Freigebigkeit gegen die Spielleute und die Dürf-
tigen überbot, welche Vorräthe an Wild und Geflügel für solche Anlässe bei¬
geschafft wurden, wie man die Gassen mit wohlduftenden Spezereien durch,
räucherte, wie man an die Jünglinge, die in großer Zahl der Ehre des Ritter¬
schlages theilhaftig wurden. Rosse. Waffen. Gewänder spendete, wie erzählt das
der unbekannte Dichter mit so behaglicher Breite! Wie verweilt er so gern
bei den Genüssen, welche dem Gaumen geboten werden, vom Frühstück, das
nach der Morgenandacht eingenommen wird und bisweilen aus Wein, Braten
und weichem Brod besteht, oft aber auch sich zur Hauptmahlzeit erweitert, und
von dem namentlich im Monat Mai sehr zuträglichen Absinth bis zum Abend¬
brod, zu dem man sich nach angehörter Vesper setzt und das aus Kuchen,
Piment. Gebratenen, Früchten nebst Wein besteht, welchem letztern der Nacht¬
ruhe zu Liebe durch Eis und Schnee das Aufregende benommen wird; und
dabei vergißt er nicht der vor und nach Tische üblichen Waschungen zu gedenken,
der gepolsterten Bänke, der weichen Handquehlen. des Weintrunkes nach auf¬
gehobener Tafel, der Kissen, an die man sich nach Tische lehnt, um an den
Künsten der Spielleute sich in aller Bequemlichkeit zu ergötzen. Er beschreibt
die Kleidung, welche der Ritter trug, wann ihm daran lag. durch sein Auftreten
zu blenden oder zu gewinne", und zählt auf: das Hemd und die kurzen Hosen
aus seiner rheimser Leinwand, den Leibrock aus Seidenstoff, der an einigen
Stellen gefältelt ist, an andern knapp anliegt und mit einem Riemchen angezogen
wird, die wie angeboren sitzenden Beinkleider aus feinem Zeuge mit vielfarbigen
eingewirkten Blumen und die Kopfbedeckung aus gesprenkeltem, mit Seide ge¬
mähtem Linnen. Ein ander Mal finden wir die untere Beinbekleidung ver¬
tauscht mit den spitzen Stiefeln, dazu einen Unterrock. Aermel. die man sich
Morgens mit einer silbernen Nadel selbst näht, und einen wollenen Mantel
mit Kapuze und erfahren, daß man diesen trug, wenn man aus dem Bade kam;
zum nächtlichen Stelldichein dagegen zog man ein Panzerhemd an, das man
unter einem Ueberwurf verbarg. Wie konnte eine Frau dem Ritter widerstehn,
der mit so sorglich gewähltem Anzüge die Wirkung der in ihm vereinigten
körperlichen Vorzüge verstärkte? Hören wir einmal, wie der. Dichter die ideale
Schönheit, die ihm vorschwebt, in ihre Elemente zerlegt. Wilhelm hatte blondes,
krauses, in Wellen fallendes Haar, eine weiße, hohe, glatte und breite Stirn,
schwarze, bogenförmige Brauen, lang und dicht, durch breiten Raum geschieden;


Reich ist Flammea ferner besonders .an Angaben, welche unsere Kennt-
niß des mittelalterlichen Privat- und des öffentlichen Lebens vervollständigen.
Was man zu thun Pflegte, sobald es werthe Gäste zu ehren galt, wie zu den
Festen, die man dann veranstaltete, die Vornehmen bis auf acht Tagereisen
weit herbeiströmten, so daß die Stadt die Menge nicht mehr faßte und rings
auf den Wiesen Zelte und Hütten zu einem bunten Lager sich erhoben, wie
alsdann Einer den Andern an Freigebigkeit gegen die Spielleute und die Dürf-
tigen überbot, welche Vorräthe an Wild und Geflügel für solche Anlässe bei¬
geschafft wurden, wie man die Gassen mit wohlduftenden Spezereien durch,
räucherte, wie man an die Jünglinge, die in großer Zahl der Ehre des Ritter¬
schlages theilhaftig wurden. Rosse. Waffen. Gewänder spendete, wie erzählt das
der unbekannte Dichter mit so behaglicher Breite! Wie verweilt er so gern
bei den Genüssen, welche dem Gaumen geboten werden, vom Frühstück, das
nach der Morgenandacht eingenommen wird und bisweilen aus Wein, Braten
und weichem Brod besteht, oft aber auch sich zur Hauptmahlzeit erweitert, und
von dem namentlich im Monat Mai sehr zuträglichen Absinth bis zum Abend¬
brod, zu dem man sich nach angehörter Vesper setzt und das aus Kuchen,
Piment. Gebratenen, Früchten nebst Wein besteht, welchem letztern der Nacht¬
ruhe zu Liebe durch Eis und Schnee das Aufregende benommen wird; und
dabei vergißt er nicht der vor und nach Tische üblichen Waschungen zu gedenken,
der gepolsterten Bänke, der weichen Handquehlen. des Weintrunkes nach auf¬
gehobener Tafel, der Kissen, an die man sich nach Tische lehnt, um an den
Künsten der Spielleute sich in aller Bequemlichkeit zu ergötzen. Er beschreibt
die Kleidung, welche der Ritter trug, wann ihm daran lag. durch sein Auftreten
zu blenden oder zu gewinne», und zählt auf: das Hemd und die kurzen Hosen
aus seiner rheimser Leinwand, den Leibrock aus Seidenstoff, der an einigen
Stellen gefältelt ist, an andern knapp anliegt und mit einem Riemchen angezogen
wird, die wie angeboren sitzenden Beinkleider aus feinem Zeuge mit vielfarbigen
eingewirkten Blumen und die Kopfbedeckung aus gesprenkeltem, mit Seide ge¬
mähtem Linnen. Ein ander Mal finden wir die untere Beinbekleidung ver¬
tauscht mit den spitzen Stiefeln, dazu einen Unterrock. Aermel. die man sich
Morgens mit einer silbernen Nadel selbst näht, und einen wollenen Mantel
mit Kapuze und erfahren, daß man diesen trug, wenn man aus dem Bade kam;
zum nächtlichen Stelldichein dagegen zog man ein Panzerhemd an, das man
unter einem Ueberwurf verbarg. Wie konnte eine Frau dem Ritter widerstehn,
der mit so sorglich gewähltem Anzüge die Wirkung der in ihm vereinigten
körperlichen Vorzüge verstärkte? Hören wir einmal, wie der. Dichter die ideale
Schönheit, die ihm vorschwebt, in ihre Elemente zerlegt. Wilhelm hatte blondes,
krauses, in Wellen fallendes Haar, eine weiße, hohe, glatte und breite Stirn,
schwarze, bogenförmige Brauen, lang und dicht, durch breiten Raum geschieden;


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[0283] Reich ist Flammea ferner besonders .an Angaben, welche unsere Kennt- niß des mittelalterlichen Privat- und des öffentlichen Lebens vervollständigen. Was man zu thun Pflegte, sobald es werthe Gäste zu ehren galt, wie zu den Festen, die man dann veranstaltete, die Vornehmen bis auf acht Tagereisen weit herbeiströmten, so daß die Stadt die Menge nicht mehr faßte und rings auf den Wiesen Zelte und Hütten zu einem bunten Lager sich erhoben, wie alsdann Einer den Andern an Freigebigkeit gegen die Spielleute und die Dürf- tigen überbot, welche Vorräthe an Wild und Geflügel für solche Anlässe bei¬ geschafft wurden, wie man die Gassen mit wohlduftenden Spezereien durch, räucherte, wie man an die Jünglinge, die in großer Zahl der Ehre des Ritter¬ schlages theilhaftig wurden. Rosse. Waffen. Gewänder spendete, wie erzählt das der unbekannte Dichter mit so behaglicher Breite! Wie verweilt er so gern bei den Genüssen, welche dem Gaumen geboten werden, vom Frühstück, das nach der Morgenandacht eingenommen wird und bisweilen aus Wein, Braten und weichem Brod besteht, oft aber auch sich zur Hauptmahlzeit erweitert, und von dem namentlich im Monat Mai sehr zuträglichen Absinth bis zum Abend¬ brod, zu dem man sich nach angehörter Vesper setzt und das aus Kuchen, Piment. Gebratenen, Früchten nebst Wein besteht, welchem letztern der Nacht¬ ruhe zu Liebe durch Eis und Schnee das Aufregende benommen wird; und dabei vergißt er nicht der vor und nach Tische üblichen Waschungen zu gedenken, der gepolsterten Bänke, der weichen Handquehlen. des Weintrunkes nach auf¬ gehobener Tafel, der Kissen, an die man sich nach Tische lehnt, um an den Künsten der Spielleute sich in aller Bequemlichkeit zu ergötzen. Er beschreibt die Kleidung, welche der Ritter trug, wann ihm daran lag. durch sein Auftreten zu blenden oder zu gewinne», und zählt auf: das Hemd und die kurzen Hosen aus seiner rheimser Leinwand, den Leibrock aus Seidenstoff, der an einigen Stellen gefältelt ist, an andern knapp anliegt und mit einem Riemchen angezogen wird, die wie angeboren sitzenden Beinkleider aus feinem Zeuge mit vielfarbigen eingewirkten Blumen und die Kopfbedeckung aus gesprenkeltem, mit Seide ge¬ mähtem Linnen. Ein ander Mal finden wir die untere Beinbekleidung ver¬ tauscht mit den spitzen Stiefeln, dazu einen Unterrock. Aermel. die man sich Morgens mit einer silbernen Nadel selbst näht, und einen wollenen Mantel mit Kapuze und erfahren, daß man diesen trug, wenn man aus dem Bade kam; zum nächtlichen Stelldichein dagegen zog man ein Panzerhemd an, das man unter einem Ueberwurf verbarg. Wie konnte eine Frau dem Ritter widerstehn, der mit so sorglich gewähltem Anzüge die Wirkung der in ihm vereinigten körperlichen Vorzüge verstärkte? Hören wir einmal, wie der. Dichter die ideale Schönheit, die ihm vorschwebt, in ihre Elemente zerlegt. Wilhelm hatte blondes, krauses, in Wellen fallendes Haar, eine weiße, hohe, glatte und breite Stirn, schwarze, bogenförmige Brauen, lang und dicht, durch breiten Raum geschieden;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/283>, abgerufen am 02.07.2024.