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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

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Da erhob sich der Reis Pola (Paulus), schalt den Priester und sprach,
indem er uns an die Hand faßte: "Diese Leute sollen zehn Jahre lang in meinem
Hause bleiben! Jeder, der Lust hat, soll kommen und ihnen zuhören; wer keine
Lust hat, kann es lassen." So gingen wir mit dem nerf fort. Darauf schrieben
wir nach Mosul Briefe an Mr. Marsh: bis jetzt ist aber noch keine Antwort
gekommen. Nun kamen mehre Menschen beim Priester zusammen. Einige von
ihnen sagten: "Wir wolle" mit Flinten hingehen und sie umbringen, wenn
auch fünfzehn von uns dabei umkommen sollten!" Andere sagten: "Wir wollen
sie todt schlagen," Andere aber: "Nein, laßt sie. Wir habe" ihre Schule zu¬
nichte gemacht und haben sie von der Kirche abgeschnitten: nun ist es das
Beste, daß wir das Haus des Diaconus Esebaja zerstören, damit später kein
Mensch wieder hierher kommt, um zu predigen."

Nun schrieb der Diaconus Eschaja einen Brief nach Gezira an den Kauf-
mann Mansur, den Bruder des Konsuls (Nassau), über den Zustand der Dinge.
Dieser machte eine Vorstellung an Rüstern Agda. den türkischen Präfecten,
worauf er einen türkischen Gerichtsdiener erhielt und diesen nach ihnen (unsern
Widersachern) sandte. Man brachte nun den Priester nebst zwei andern Leuten.
Als aber die Priester der Papisten, sowie der Diaconus Anton und der Kauf¬
mann Mus" sahen, daß der Priester Goricl unserer Lehre entgegen wäre, freuten
sie sich sehr, machten sich auf, gingen zum Kaufmann Joseph und drangen
folgendermaßen in ihn: "Jetzt ist grade ein Fest; wir setzten unsere Hoffnung
auf Dich: gieb nicht zu, daß man sie ins Gefängniß werfe." So hetzten sie
jhn und erlangten' (durch sein? Vermittelung) ihre Befreiung aus dem Kerker.
Als die Papisten sich so mit ihnen verbündeten, sie ohne Furcht sein hießen
und ihnen allerlei Sachen angaben, wurden sie ganz aufgeblasen. Aber der
Kaufmann Mansur nahm dem Priester Goricl eine Versicherung ab, fernerhin
nichts mehr über unsere Sache zu reden. Er gab diese mit den Worten: "Rede
ich noch, so soll mir der Arm abgeschnitten werden."

Allein, nachdem wir nun nach Mar Aehä zurückgekehrt waren, ließ er uns
doch nicht in die Kirche ein, denn er hatte sich mit den Papisten dermaßen Ver¬
abredet: "Wenn Ihr uns helft, so wollen wir diese Leute wegjagen; können wir
ihnen aber nichts anhaben, so wollen wir lieber Papisten werden, ehe wir Eng¬
länder würden." Auch schrieb er am 4. Januar (1852) einen Brief an den
Patriarchen des Inhalts: "Diese Menschen sind Irrlehrer." Ferner sagte er:
"Niemand, der zu diesen Diaconen hingeht, darf in die Kirche kommen." Der
Brudersohn des Priesters, Diaconus Jschcrk, sowie seine Mutter und sein
Bruder, kamen beständig zu uns zur Predigt. Die Bewohner des Orts kamen
nun zum Priester und sagten: "wenn Dein Brudersohn zu diesen Diaconen
hingeht, so weiden viele Andre das auch thun." Als man aber dem Diaconus
Jschak sagte: "wir wollen nicht, daß Du Nachts zu den Diaconen gehest,"


Da erhob sich der Reis Pola (Paulus), schalt den Priester und sprach,
indem er uns an die Hand faßte: „Diese Leute sollen zehn Jahre lang in meinem
Hause bleiben! Jeder, der Lust hat, soll kommen und ihnen zuhören; wer keine
Lust hat, kann es lassen." So gingen wir mit dem nerf fort. Darauf schrieben
wir nach Mosul Briefe an Mr. Marsh: bis jetzt ist aber noch keine Antwort
gekommen. Nun kamen mehre Menschen beim Priester zusammen. Einige von
ihnen sagten: „Wir wolle» mit Flinten hingehen und sie umbringen, wenn
auch fünfzehn von uns dabei umkommen sollten!" Andere sagten: „Wir wollen
sie todt schlagen," Andere aber: „Nein, laßt sie. Wir habe» ihre Schule zu¬
nichte gemacht und haben sie von der Kirche abgeschnitten: nun ist es das
Beste, daß wir das Haus des Diaconus Esebaja zerstören, damit später kein
Mensch wieder hierher kommt, um zu predigen."

Nun schrieb der Diaconus Eschaja einen Brief nach Gezira an den Kauf-
mann Mansur, den Bruder des Konsuls (Nassau), über den Zustand der Dinge.
Dieser machte eine Vorstellung an Rüstern Agda. den türkischen Präfecten,
worauf er einen türkischen Gerichtsdiener erhielt und diesen nach ihnen (unsern
Widersachern) sandte. Man brachte nun den Priester nebst zwei andern Leuten.
Als aber die Priester der Papisten, sowie der Diaconus Anton und der Kauf¬
mann Mus« sahen, daß der Priester Goricl unserer Lehre entgegen wäre, freuten
sie sich sehr, machten sich auf, gingen zum Kaufmann Joseph und drangen
folgendermaßen in ihn: »Jetzt ist grade ein Fest; wir setzten unsere Hoffnung
auf Dich: gieb nicht zu, daß man sie ins Gefängniß werfe." So hetzten sie
jhn und erlangten' (durch sein? Vermittelung) ihre Befreiung aus dem Kerker.
Als die Papisten sich so mit ihnen verbündeten, sie ohne Furcht sein hießen
und ihnen allerlei Sachen angaben, wurden sie ganz aufgeblasen. Aber der
Kaufmann Mansur nahm dem Priester Goricl eine Versicherung ab, fernerhin
nichts mehr über unsere Sache zu reden. Er gab diese mit den Worten: „Rede
ich noch, so soll mir der Arm abgeschnitten werden."

Allein, nachdem wir nun nach Mar Aehä zurückgekehrt waren, ließ er uns
doch nicht in die Kirche ein, denn er hatte sich mit den Papisten dermaßen Ver¬
abredet: „Wenn Ihr uns helft, so wollen wir diese Leute wegjagen; können wir
ihnen aber nichts anhaben, so wollen wir lieber Papisten werden, ehe wir Eng¬
länder würden." Auch schrieb er am 4. Januar (1852) einen Brief an den
Patriarchen des Inhalts: „Diese Menschen sind Irrlehrer." Ferner sagte er:
„Niemand, der zu diesen Diaconen hingeht, darf in die Kirche kommen." Der
Brudersohn des Priesters, Diaconus Jschcrk, sowie seine Mutter und sein
Bruder, kamen beständig zu uns zur Predigt. Die Bewohner des Orts kamen
nun zum Priester und sagten: „wenn Dein Brudersohn zu diesen Diaconen
hingeht, so weiden viele Andre das auch thun." Als man aber dem Diaconus
Jschak sagte: „wir wollen nicht, daß Du Nachts zu den Diaconen gehest,"


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[0256] Da erhob sich der Reis Pola (Paulus), schalt den Priester und sprach, indem er uns an die Hand faßte: „Diese Leute sollen zehn Jahre lang in meinem Hause bleiben! Jeder, der Lust hat, soll kommen und ihnen zuhören; wer keine Lust hat, kann es lassen." So gingen wir mit dem nerf fort. Darauf schrieben wir nach Mosul Briefe an Mr. Marsh: bis jetzt ist aber noch keine Antwort gekommen. Nun kamen mehre Menschen beim Priester zusammen. Einige von ihnen sagten: „Wir wolle» mit Flinten hingehen und sie umbringen, wenn auch fünfzehn von uns dabei umkommen sollten!" Andere sagten: „Wir wollen sie todt schlagen," Andere aber: „Nein, laßt sie. Wir habe» ihre Schule zu¬ nichte gemacht und haben sie von der Kirche abgeschnitten: nun ist es das Beste, daß wir das Haus des Diaconus Esebaja zerstören, damit später kein Mensch wieder hierher kommt, um zu predigen." Nun schrieb der Diaconus Eschaja einen Brief nach Gezira an den Kauf- mann Mansur, den Bruder des Konsuls (Nassau), über den Zustand der Dinge. Dieser machte eine Vorstellung an Rüstern Agda. den türkischen Präfecten, worauf er einen türkischen Gerichtsdiener erhielt und diesen nach ihnen (unsern Widersachern) sandte. Man brachte nun den Priester nebst zwei andern Leuten. Als aber die Priester der Papisten, sowie der Diaconus Anton und der Kauf¬ mann Mus« sahen, daß der Priester Goricl unserer Lehre entgegen wäre, freuten sie sich sehr, machten sich auf, gingen zum Kaufmann Joseph und drangen folgendermaßen in ihn: »Jetzt ist grade ein Fest; wir setzten unsere Hoffnung auf Dich: gieb nicht zu, daß man sie ins Gefängniß werfe." So hetzten sie jhn und erlangten' (durch sein? Vermittelung) ihre Befreiung aus dem Kerker. Als die Papisten sich so mit ihnen verbündeten, sie ohne Furcht sein hießen und ihnen allerlei Sachen angaben, wurden sie ganz aufgeblasen. Aber der Kaufmann Mansur nahm dem Priester Goricl eine Versicherung ab, fernerhin nichts mehr über unsere Sache zu reden. Er gab diese mit den Worten: „Rede ich noch, so soll mir der Arm abgeschnitten werden." Allein, nachdem wir nun nach Mar Aehä zurückgekehrt waren, ließ er uns doch nicht in die Kirche ein, denn er hatte sich mit den Papisten dermaßen Ver¬ abredet: „Wenn Ihr uns helft, so wollen wir diese Leute wegjagen; können wir ihnen aber nichts anhaben, so wollen wir lieber Papisten werden, ehe wir Eng¬ länder würden." Auch schrieb er am 4. Januar (1852) einen Brief an den Patriarchen des Inhalts: „Diese Menschen sind Irrlehrer." Ferner sagte er: „Niemand, der zu diesen Diaconen hingeht, darf in die Kirche kommen." Der Brudersohn des Priesters, Diaconus Jschcrk, sowie seine Mutter und sein Bruder, kamen beständig zu uns zur Predigt. Die Bewohner des Orts kamen nun zum Priester und sagten: „wenn Dein Brudersohn zu diesen Diaconen hingeht, so weiden viele Andre das auch thun." Als man aber dem Diaconus Jschak sagte: „wir wollen nicht, daß Du Nachts zu den Diaconen gehest,"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/256>, abgerufen am 04.07.2024.